US-Boykott von Iran:Trumps Spiel mit dem Öl wird zum Risiko für die Welt

Öl-Boom in North Dakota

Die US-Regierung will auch ohne Iran eine ausreichende Ölversorgung sicherstellen - zum Beispiel mit eigenen Förderanlagen.

(Foto: picture alliance / AP Images)
  • Die US-Regierung kündigt drastische Sanktionen gegen alle Länder an, die von November an noch Öl aus Iran importieren.
  • Schon jetzt steigt der Preis. Setzen die Amerikaner ihre Drohungen um, steht die Stabilität der Weltwirtschaft auf dem Spiel.
  • Doch die USA schaden sich damit wohl auch selbst. Womöglich bewegt das den Präsidenten zum Einlenken.

Von Claus Hulverscheidt, New York, und Jan Willmroth, Frankfurt

Washington, Telefonpressekonferenz des Außenministeriums. Die Fragen beantwortet ein hoher Beamter, es geht um die Bemühungen von Präsident Donald Trump, Iran zur endgültigen Aufgabe seines Nuklearprogramms zu zwingen. Dazu will Trump den Golfstaat von seiner wichtigsten Einnahmequelle abschneiden und ihn in eine Wirtschaftskrise stürzen. Im Mittelpunkt: die Ölexporte, auf die die Regierung in Teheran so dringend angewiesen ist.

In den vergangenen Wochen, so erzählte der Beamte am Dienstag, habe er in Europa und Asien um Unterstützung für Trumps Plan geworben. Die Verbündeten aber wollen nicht mitziehen, sie halten weiter an jenem Abkommen fest, mit dem die Weltgemeinschaft Irans Atompläne 2015 eingehegt, das Washington jedoch vor Wochen einseitig aufgekündigt hatte.

Doch Trump wäre nicht Trump, wenn er sich den Widerstand einfach bieten lassen würde. Erste Frage eines Reporters: Drängen die USA die Verbündeten dazu, ihre Ölimporte aus Iran auf null zu senken? Die ebenso knappe wie klare Antwort des Beamten: Yes! Wer nach dem 4. November noch iranisches Öl kauft, müsste demnach damit rechnen, den Zugang zum weitaus wichtigeren US-Markt zu verlieren. Von den Sanktionen betroffen wären nicht nur Öl-Großkunden in China, Indien, der Türkei und der EU, sondern auch ausländische Firmen, die etwa Logistik-, Bank- und Versicherungsgeschäfte in Iran tätigen.

Es ist eine Strategie, die man auch als Erpressung bezeichnen könnte: Weil China, Russland, Großbritannien, Deutschland, Frankreich und die EU dem US-Präsidenten politisch nicht folgen mögen, setzen die Amerikaner die Unternehmen dieser Länder nun ökonomisch unter Druck. Zwar hatte auch Trumps Vorgänger Barack Obama ausländische Firmen sanktioniert, die weiter in Iran aktiv waren. Es gab jedoch Übergangsregelungen für Betriebe, die ihr Engagement schrittweise reduzierten. Und - noch wichtiger: Es gab noch kein Atomabkommen, auf das sich alle Beteiligten, auch die USA, verständigt hatten.

Trump zieht also die Daumenschrauben dramatisch an - mit umgehenden Konsequenzen: Kaum war die Nachricht vom geplanten Vorgehen in der Welt, schoss der Ölpreis in die Höhe. Zwar war der Markt nach Trumps Kündigung des Atomabkommens auf eine schrumpfende Ölmenge aus Iran vorbereitet, die Ölexporte aus dem Golfstaat sinken seither leicht. Mit einer kompletten Blockade könnte aber mehr als zwei Millionen Barrel pro Tag auf dem Weltmarkt fehlen - deutlich mehr und deutliche früher als gedacht.

Die US-Regierung will bereits kommende Woche Abgesandte in die Golfregion schicken, um eine ausreichende Ölversorgung auch ohne Iran sicherzustellen. Ganz uneigennützig ist das nicht: Weil die Amerikaner die eigenen Ölexporte in den vergangenen Jahren deutlich hochgefahren haben, dürften sie auch an sich selbst als möglichen Lieferanten denken. Riccardo Fabiani, Experte der Marktforschungsfirma Energy Aspects, schätzt, dass dennoch pro Tag bis zu 1,5 Millionen Barrel (je 159 Liter) fehlen könnten, sollten die Verbündeten der USA vollständig auf iranisches Öl verzichten und China und Indien ihre Importe zumindest absenken. Das wäre mehr als 1,5 Prozent der weltweiten Produktion.

Es ist fraglich, ob andere Mitglieder des Lieferkartells Opec ausreichend Kapazitäten haben, um einen Ausfall des Lieferanten Iran zu kompensieren. Dazu müssten die übrigen Petro-Staaten ihre Fördermenge noch über das ohnehin beschlossene Maß hinaus ausweiten. Infrage käme fast ausschließlich Saudi-Arabien, das am Dienstag angekündigt hatte, seine Produktion im Juli auf das Rekordniveau von 10,8 Millionen Barrel pro Tag anzuheben. "Der Puffer im Falle weiterer unvorhergesehener Angebotsausfälle wäre dann weitgehend aufgebraucht", warnen die Energie-Fachleute der Commerzbank.

Ob sich also ein drastischer Anstieg des Ölpreises verhindern lässt, ist offen. Das gilt umso mehr, als Produzenten wie Venezuela, Angola, Nigeria und Libyen zuletzt sogar Schwierigkeiten hatten, die bisher zugesagten Mengen zu liefern. Auch ergibt sich der Ölpreis nicht einfach aus Angebot und Nachfrage, vielmehr spielen auch das Wetter, technische Fragen und vor allem politisch-psychologische Faktoren eine Rolle. Unter dem Strich spricht deshalb vieles dafür, dass die Preise im Jahresverlauf weiter steigen werden. Die Rohstoffexperten der Bank of America etwa rechnen damit, dass sich ein Fass der Nordseesorte Brent bis zum kommenden Frühjahr um 20 Prozent auf etwa 90 Dollar verteuert.

Womöglich zieht Trump bald die Notbremse

Je nach Ausmaß des Preisanstiegs hätte das Folgen für die Weltkonjunktur, die derzeit von dem ungewöhnlichen Umstand getragen wird, dass alle großen Wirtschaftsregionen gleichzeitig boomen. Das gilt für die USA, Europa und Teile Asiens. Ein Ölpreisschock könnte diesen globalen Auf- in einen Abschwung verwandeln, der Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung weltweit in die Höhe treiben würde.

Auch für Trump ist das harte Vorgehen gegen Iran ein Vabanquespiel. Schon der Handelsstreit mit Europa und China gefährdet nach Ansicht von Experten den Konjunkturaufschwung in den USA, den der Präsident mit der Steuerreform ja erst richtig befeuern wollte. Stattdessen könnten dauerhaft höhere Ölpreise die Entwicklung umkehren und 2019 oder 2020 die erste Rezession in den Vereinigten Staaten seit einem Jahrzehnt auslösen. Womöglich aber wird Trump schon bald die Notbremse ziehen - dann nämlich, wenn sich herausstellt, dass höhere Benzinpreise die Chancen republikanischer Kandidaten bei den Kongresswahlen in diesem November schmälern könnten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: