Medizin:Wer seinem Arzt treu bleibt, lebt länger

Hausärztin untersucht Patienten

Kontinuität in der Versorgung und eine gefestigte Beziehung zum Arzt wirken sich positiv auf die Gesundheit aus.

(Foto: dpa)

Wer viele Jahre bei einem Arzt bleibt statt ständig zu wechseln, profitiert auch gesundheitlich. Ein über Jahre gewachsenes Vertrauensverhältnis ist bei der Behandlung offenbar wichtiger als gedacht.

Von Werner Bartens

Es gibt Menschen, die erkundigen sich schon nach einer zweiten Meinung, bevor sie die erste überhaupt gehört haben. Sie wechseln ständig ihren Arzt, und zu den Nebenwirkungen dieses Doktor-Hoppings gehört es, dass solche Patienten den Medizinern einen gehörigen Misstrauensvorschuss entgegenbringen. Etwas Gutes tun sie sich damit nicht - im Gegenteil. Wer seinem Arzt über lange Jahre treu bleibt, hat gute Chancen, gesund zu bleiben und länger zu leben. Zu diesem Ergebnis kommen Ärzte aus Exeter im Fachmagazin BMJ Open.

Die Mediziner um Denis Pereira Gray hatten Untersuchungen und Daten aus verschiedenen Ländern mit insgesamt mehr als einer Million Patienten ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass die Menschen seltener krank wurden und ein höheres Alter erreichten, wenn sie ihrem Arzt über Jahrzehnte die Treue hielten. "Patienten wissen schon lange, dass es wichtig ist, zu welchem Arzt sie gehen und wie sie mit ihm zurechtkommen", sagt Pereira Gray. "Das schien bisher vor allem eine Frage der Bequemlichkeit und Gewohnheit zu sein - jetzt wissen wir, dass es um die Güte der Behandlung und buchstäblich um Leben und Tod geht."

Ein gewachsenes Vertrauensverhältnis ist sehr viel wert

Die Kontinuität in der Versorgung und die über Jahrzehnte, manchmal gar über Generationen gefestigte Beziehung wirken sich positiv auf die Gesundheit aus. Dies könnte daran liegen, dass sich Patienten dann offener gegenüber ihrem Doktor zeigen, so dass dieser besser auf ihre Bedürfnisse eingehen kann; zudem werden Therapien sowie Empfehlungen zum Lebensstil eher befolgt. Da sich dieser Zusammenhang in verschiedenen Kulturen und Patientengruppen in Nordamerika, Europa und Asien zeigte, vermuten die Autoren, dass die günstigen Auswirkungen für die Patienten auf einem "grundlegenden humanen Effekt" beruhen.

"Die Entscheidung, bei einem Arzt zu bleiben, fällt ein Patient ja nur dann, wenn er zu diesem Arzt Vertrauen hat", sagt Michael Kochen, langjähriger Präsident der deutschen Allgemeinmediziner. "Solche Arzt-Patienten-Verhältnisse dauern häufig ein Leben lang. Das Gefühl oder auch die objektive Situation, sich gut aufgehoben zu fühlen, trägt wahrscheinlich zu einer psychosozialen Sicherheit und damit indirekt zu weniger Krankheiten und einem längeren Leben bei." Eine wichtige Aufgabe des Hausarztes sei zudem der Schutz vor medizinisch nicht indizierter und manchmal gar gefährlicher Überversorgung. "Dies wird mit der zunehmenden Kommerzialisierung einer spezialisierten Krankenhausmedizin immer wichtiger", so Kochen. "Es geht auch darum zu verhindern, dass Patienten Gefahren durch die Medizin ausgesetzt werden." Der Haus- und Familienarzt wird dann zum wichtigen Ratgeber, um bei der Abwägung zu helfen, welche Untersuchungen und Behandlungen nötig sind - und welche getrost unterbleiben können.

Doktor Pereira Gray, der wie auch sein Vater und Großvater mehrere Jahrzehnte lang als Hausarzt im südenglischen Exeter tätig war, betont, dass die medizinischen Fortschritte der vergangenen 200 Jahre hauptsächlich technischer Natur und damit unpersönlich waren. "Für eine gute medizinische Versorgung ist Beständigkeit in der Betreuung jedoch auch ein wichtiger Faktor."

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