Klimawandel:Die Lehren eines heißen Sommers

Klimawandel: Ein Eisbär auf schmelzenden Schollen in der kanadischen Arktis: Der Eisschwund hat auch Folgen für Deutschland.

Ein Eisbär auf schmelzenden Schollen in der kanadischen Arktis: Der Eisschwund hat auch Folgen für Deutschland.

(Foto: David Goldman/AP)
  • Der trockene, heiße Sommer zeigt erste Auswirkungen des globalen Klimawandels.
  • Im Norden Grönlands hat sich erstmals das Packeis vom Festland abgelöst.
  • Durch das Abschmelzen von Meereis heizt sich das dunklere Meerwasser zusätzlich auf - so wird die Klimaerwärmung weiter verstärkt.
  • Auch durch Methangas, das beim Auftauen der Permafrostböden frei wird, beschleunigt sich der Klimawandel zusätzlich.

Von Patrick Illinger

Nun brennt auch noch der Wald in Brandenburg. Hunderte Anwohner mussten am Freitag vor den sich mit Hochgeschwindigkeit ausbreitenden Flammen in Sicherheit gebracht werden. Übelriechender Rauch zog von den Brandherden im Südwesten der Bundeshauptstadt bis nach Berlin-Mitte. Das Inferno wirkt wie das große Finale eines Sommers, der mit extremen Dürren, einer ungewöhnlich hartnäckigen Hitzeperiode sowie Waldbränden von Schweden bis Griechenland noch lange in Erinnerung bleiben wird. Ein Sommer, in dem sich die Klauen des globalen Klimawandels auch in Deutschland schmerzhaft bemerkbar machen, wie viele Menschen vermuten - und Klimaforscher bestätigen.

Mit besonderem Bangen blickten Wissenschaftler in dieser Woche auf den Norden Grönlands. Eine dort noch nie zuvor beobachtete Eisschmelze hat selbst erfahrene Polar- und Klimaforscher erschüttert. Erstmals hat sich in der abgelegenen hocharktischen Meeresregion das Packeis vom grönländischen Festland abgelöst. Bislang hielt man das dortige Meereis für das letzte polare Bollwerk in Zeiten globaler Erwärmung. Nun ist das dortige "ewige Eis" in diesem Jahr bereits zweimal geschmolzen. "Erschreckend", twitterte ein Wissenschaftler des Meteorologischen Instituts von Norwegen.

Wissenschaftler sehen darin nicht nur das Signal einer planetaren Veränderung. Abschmelzendes Meereis ist seinerseits ein Treiber des globalen Klimawandels. Wo die hellen, reflektierenden Eisflächen wegtauen, tritt das dunklere Meerwasser zutage. Und es ist wie mit einem dunklen und einem hellen Auto, das in der Sonne steht: Das erstere absorbiert ungleich mehr Wärmestrahlung und heizt sich überproportional auf.

Das ist tatsächlich einer der Gründe, warum sich die Arktis in den vergangenen Jahrzehnten doppelt so schnell erwärmt hat wie der Rest der Welt. Akribisch messen Polarforscher jährlich das Volumen und die Fläche des Packeises auf dem Nordpolarmeer.

Wenn es im September sein saisonales Minimum erreicht, sind heute nur noch rund vier Millionen Quadratkilometer Wasser mit Eis bedeckt. Vor 50 Jahren waren es noch mehr als acht Millionen. Irgendwann zwischen 2030 und 2050 wird das Nordmeer im Sommer eisfrei sein, prognostizieren Experten.

Ein schwächerer Jetstream hat direkte Folgen für das Wetter über Deutschland

Für Transportunternehmen mögen das positive Nachrichten sein. Sie erproben bereits Frachtrouten durch die Nordostpassage entlang der Küste Russlands. Doch die klimatischen Veränderungen bleiben keineswegs auf den hohen Norden beschränkt: Weil sich das Temperaturgefälle zwischen der Arktis und den gemäßigteren Breiten verringert, schwächen sich die davon angetriebenen Höhenwinde ab. Der berühmte Jetstream, welcher sich wie ein gewelltes Band um die Nordhalbkugel der Erde windet und als Barriere zwischen Arktis und Mitteleuropa fungiert, verliert seine Kraft.

Das hat einen unmittelbaren Effekt für Deutschland: Die immer wieder ausschlagenden Windungen des Jetstreams bewirkten in der Vergangenheit einen beständigen Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten. Doch je weniger Wirkung der Jetstream entfaltet, desto eintöniger wird die Wetterlage in Europa. Meteorologen sprechen von Blockaden. Zeugen hierfür waren in diesem Sommer Gottfried, Helmut, Ingolf und Johannes - vier Hochdruckgebiete, die nahezu ohne Unterbrechungen das Wettergeschehen in Deutschland beherrschten. Kein Höhenwind trieb sie nach Osten oder schob mal ein kräftiges Tief dazwischen.

Freiwerdendes Methangas wird die globale Erwärmung zusätzlich beschleunigen

Durchaus medienwirksam, aber eben auch wissenschaftlich fundiert warnte in den vergangenen Wochen der langjährige Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans Joachim Schellnhuber, vor einer aus dem Gleichgewicht gebrachten Natur. Der menschliche Beitrag, insbesondere der globale Ausstoß von Kohlendioxid sei unzweifelhaft, so der Physiker. Der Herausforderung, die Welt auf ein klimaneutrales Wirtschaftssystem umzustellen, dürfe man nicht mit einer "Komplizenschaft der Untätigkeit" begegnen, mahnt Schellnhuber.

Als seien das Abtauen der Arktis und die Waldbrände in Europa noch nicht genug der Menetekel, veröffentlichte das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven kürzlich eine weitere Hiobsbotschaft. Demnach tritt aus den auftauenden Permafrostböden in Alaska, Kanada, Sibirien und Westchina deutlich mehr Methangas aus, als bisher bekannt war. Ähnlich wie das schmelzende Meereis kann auch das in einen Teufelskreis münden: Die Treibhauswirkung von Methan in der Atmosphäre ist deutlich stärker ist als die von Kohlendioxid. Die klimabedingte Freisetzung des Gases dürfte somit die globale Erwärmung zusätzlich verstärken. Bis 2050 könnte bereits doppelt so viel Treibhausgas aus den arktischen Permafrostböden aufsteigen wie bisher angenommen.

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