Grüne Finanzierung:Grüne Regeln

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Bankenstadt Frankfurt: Ohne privates Kapital wird die EU die Pariser Klimaziele nicht erreichen können.

(Foto: Henning Kreft)

Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, will die EU nachhaltige Investitionen fördern. Doch dass dafür die Kapitalregeln für Banken gelockert werden könnten, stößt auf Kritik.

Von Alexander Mühlauer

Wenn es um die Zukunft geht, sprechen Manager und Politiker gerne von "Nachhaltigkeit". Das klingt nicht nur gut, es sagt sich auch besonders leicht, weil niemand etwas gegen Nachhaltigkeit haben kann. Nachhaltig produzieren, nachhaltig investieren, nachhaltig leben wollen irgendwie alle. Doch wie das genau gelingen soll, wie man also diesen Zustand der Nachhaltigkeit erreichen kann, darüber gehen die Meinungen stark auseinander. In Brüssel hat die Europäische Kommission versucht, all die Worte in eine konkrete Zahl zu fassen. Das Ergebnis ist einigermaßen ernüchternd: Wenn die EU die Pariser Klimaziele erreichen will, müssen 180 Milliarden Euro zusätzlich nachhaltig investiert werden - und zwar pro Jahr.

Es geht darum, das Finanzsystem besser vor den Folgen des Klimawandels zu schützen

Ohne privates Kapital wird das nicht möglich sein. Der zuständige Vizepräsident der Kommission, Valdis Dombrovskis, hat sich deshalb einen Umbau des Finanzsektors vorgenommen, um grüne Investitionen gezielt zu fördern. Es geht um neue Regeln für Banken, Vermögensverwalter und Pensionskassen, strengere Transparenzpflichten sowie neue Befugnisse für Aufsichtsbehörden. Dombrovskis stützt sich bei seinen Reformvorhaben auf die Vorschläge einer "Hochrangigen Expertengruppe", die von der Kommission den Auftrag erhalten hat, einen Plan für mehr Nachhaltigkeit im Finanzsektor zu erarbeiten. Die Gruppe sollte aufzeigen, wie mehr Kapital in nachhaltige Investitionen gelenkt werden kann, und darlegen, wie das Finanzsystem besser vor Risiken geschützt werden kann, die sich etwa aus den Folgen des Klimawandels ergeben. Nachdem Dombrovskis seine Vorschläge im Frühjahr präsentierte, hat die Debatte über grüne Investitionen an Fahrt aufgenommen. Allen voran das Europäische Parlament dringt schon seit Längerem auf die Förderung nachhaltiger Geldanlage (siehe Interview mit dem Grünen-Europaabgeordneten Sven Giegold auf dieser Seite). Aus Sicht der EU-Kommission geht es vor allem um neue Vorschriften für Finanzberater sowie Erleichterungen bei den generellen Kapitalvorschriften für grüne Finanzprodukte. Doch am Anfang muss natürlich eine Frage geklärt werden: Was ist überhaupt grün? Geht es nach der EU-Kommission, sollen nachhaltige Investments klassifiziert werden, sodass Anbieter entsprechende Geldanlageprodukte zusammenstellen können. Zudem könnte ein Finanz-Ökolabel entwickelt werden, das auf dem bestehenden EU-Ökolabel aufbaut. So sollen Kunden leicht erkennen können, ob sie mit einem bestimmten Produkt grün investieren - oder eben nicht. Vermögensverwalter und institutionelle Anleger sollen außerdem verpflichtet werden, "nachhaltige Erwägungen" in ihre Beratung und Analysen mit einzubeziehen. Die Branche hält von diesem Vorstoß nicht gerade viel; schließlich führt das in den Augen der Betroffenen nur zu einem zusätzlichen bürokratischen Aufwand.

Weitaus stärker umstritten ist allerdings der Vorschlag, eine Art Spezialregel zugunsten grüner Investments einzuführen. Demnach könnten Anbieter solcher Finanzprodukte mit geringeren Kapitalanforderungen rechnen. Die EU-Kommission verweist auf ähnliche Vorschriften, von denen schon kleine und mittlere Unternehmen profitieren. Dombrovskis verwahrt sich gegen den Eindruck, dass die Behörde mit dem Vorwand der Nachhaltigkeit plötzlich laxere Kapitalvorschriften durchsetzen wolle. Nein, sagt der Kommissionsvize, wenn er darauf angesprochen wird, er wolle auf gar keinen Fall die Stabilität des Weltfinanzsystems gefährden.

Doch so sehr Dombrovskis auch bemüht ist, entsprechende Einwände zu entkräften, so stark hält sich die Kritik an seinen Überlegungen. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin sieht die Idee niedrigerer Kapitalanforderungen für grüne Finanzprodukte durchaus kritisch. Auch der Europaabgeordnete Markus Ferber (CSU) warnte von Beginn an vor einem "gefährlichen Paradigmenwechsel". Wenn bei Finanzaufsicht, Bankenregulierung und Verbraucherschutz künftig nicht mehr allein das Risiko des Geschäftsmodells im Fokus stehe, sondern sich alles an der Förderung der Nachhaltigkeit orientiere, sei die Gefahr einer "nächsten Blase" groß. Eine Art "Vorzugsregime" für grüne Finanzprodukte bahne den Weg in die nächste Krise, kritisiert Ferber.

Eine Frage bleibt noch zu klären: Was ist überhaupt grün?

Nicht nur der EU-Parlamentarier wirft damit eine Grundsatzfrage auf: Sollte in der Banken- und Finanzmarktregulierung einzig und allein das Risiko als Kriterium gelten - oder kann die gute Absicht, das Klima zu retten, etwas daran ändern? In der Kommission wird darauf hinter vorgehaltener Hand ausweichend geantwortet. Dabei gibt es bereits eine EU-Institution, die schon seit einiger Zeit ihre Erfahrungen mit "green bonds" gemacht hat: die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg. Ihr Präsident Werner Hoyer stieß am Anfang auf die üblichen Widerstände. Als er zum ersten Mal mit Vertretern von Pensionskassen darüber sprach, erntete er ungläubige Blicke. Doch das hat sich geändert. 2007 emittierte die EIB den ersten Climate Awareness Bond. Die Bank der EU-Staaten ist nun der größte multilaterale Geldgeber für den Klimaschutz. In einem Jahr vergab sie 19 Milliarden Euro für Klimavorhaben auf der ganzen Welt. Hoyers Bekenntnis ist klar: Die EIB wolle auch weiterhin private Investoren gewinnen und Projekte finanzieren, "die dazu beitragen, die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu verwirklichen sowie die Klimavereinbarung von Paris umzusetzen".

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