Nobelpreis:Wie Ökonomen die Folgen des Klimawandels vorausdachten

Nobelpreis: William Nordhaus (links) und Paul Romer erhalten für ihre ökonomische Forschungen den Wirtschaftsnobelpreis 2018. Nordhaus hat sich frühzeitig mit dem Klimaschutz beschäftigt. Bei Romer geht es vor allem um die Voraussetzungen für Innovation.

William Nordhaus (links) und Paul Romer erhalten für ihre ökonomische Forschungen den Wirtschaftsnobelpreis 2018. Nordhaus hat sich frühzeitig mit dem Klimaschutz beschäftigt. Bei Romer geht es vor allem um die Voraussetzungen für Innovation.

(Foto: AP/Reuters)
  • Nordhaus erhält den Nobelpreis für seine Arbeit zum Klimawandel, Romer bekommt ihn für die Einbeziehung technologischer Innovationen in die langfristige ökonomische Analyse.
  • Beide Wissenschaftler "entwickelten Methoden, um einige unserer grundlegendsten und drängendsten Fragen zu beantworten, nämlich wie wir langfristig anhaltendes und nachhaltiges Wachstum schaffen können".

Von Nikolaus Piper

Es war im Juni 1975. In Deutschland erreichte gerade die Auseinandersetzung um das Kernkraftwerk Wyhl bei Freiburg ihren Höhepunkt, die Antiatomkraftbewegung nahm hier ihren Anfang. Dass es ein Phänomen namens Klimawandel gibt, hatte das öffentliche Bewusstsein aber noch nicht erreicht. Da erschien beim Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien ein Arbeitspapier unter dem nüchternen Titel: "Können wir Kohlendioxid kontrollieren?" Das Papier beschreibt die möglicherweise katastrophalen Folgen des Klimawandels und stellt fest: "Wenn die Temperaturen um mehr als zwei oder drei Grad über dem derzeitigen Durchschnitt liegen, wird das Klima jenseits dessen liegen, was für die vergangenen paar Hunderttausend Jahre zu beobachten war." Die logische Konsequenz: Die Erde darf sich in Zukunft nicht um mehr als zwei Grad Celsius erwärmen.

Der Aufsatz gilt als Ursprung des "Zwei-Grad-Ziels", einem unverzichtbaren Bestandteil der heutigen Klimapolitik. Autor des Aufsatzes war ein damals 34 Jahre alter Ökonom von der amerikanischen Universität Yale namens William Nordhaus. An diesem Montag wurde Nordhaus, nunmehr 77, in Stockholm für seine Forschungen zur Ökonomie des Klimawandels mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Es ist der 50. seiner Art, seit ihn die Schwedische Reichsbank 1968 zum Gedenken an Alfred Nobel gestiftet hatte.

Wie schaffen Volkswirtschaften aus sich heraus Innovationen

Mitpreisträger ist Paul Romer, 62, von der New York University. Er wird ausgezeichnet für seine Forschungen über den Zusammenhang von Innovationen und Wirtschaftswachstum. Bekannt war schon lange, dass neue Ideen und Erfindungen Volkswirtschaften schneller wachsen lassen. Romer untersuchte nun in seinen Modellen, was nötig ist, damit Volkswirtschaften aus sich heraus Innovationen schaffen. Unabdingbar ist zum Beispiel der Schutz geistigen Eigentums, damit Innovatoren auch etwas vom Ertrag ihrer Arbeit haben.

Nordhaus und Romer sind sehr unterschiedliche Ökonomen, trotzdem ist die Entscheidung des Nobelpreiskomitees nachvollziehbar, beide gleichzeitig auszuzeichnen: Beide Wissenschaftler "entwickelten Methoden, um einige unserer grundlegendsten und drängendsten Fragen zu beantworten, nämlich wie wir langfristig anhaltendes und nachhaltiges Wachstum schaffen können". Beide bauten auf den Wachstumsmodellen der neoklassischen Ökonomie auf, beide gaben sich aber nie mit den Modellen zufrieden, sondern konzentrierten ihre Forschung auf die konkrete Anwendung.

Nobelpreis: Auch Eisbären haben ein Klimaproblem, ihre Lebensumgebung, hier der kanadisch-arktischer Archipel, schmilzt. Auf Probleme wie diese hat der Wirtschaftsforscher Nordhaus früh hingewiesen.

Auch Eisbären haben ein Klimaproblem, ihre Lebensumgebung, hier der kanadisch-arktischer Archipel, schmilzt. Auf Probleme wie diese hat der Wirtschaftsforscher Nordhaus früh hingewiesen.

(Foto: David Goldman/AP)

William Nordhaus entwickelte bereits in dem erwähnten Aufsatz von 1975 die Idee, Kohlendioxid mit einem Preis oder einer Steuer zu belegen und so Anreize zu schaffen, das Klimagift einzusparen. Er glaubte, dass eine CO₂-Abgabe gerade Schwellenländern dabei helfen könnte, energieeffiziente Produktionsmethoden zu entwickeln. Klimapolitik über die Preise sei auch der Bevölkerung leichter zu vermitteln. Der Emissionshandel der EU geht auf diese Überlegungen zurück.

Als Ökonom stieß Nordhaus fast zufällig auf das Thema Klimawandel - er teilte sich während eines Forschungsaufenthalts in Laxenburg sein Büro mit dem Klimatologen Allan Murphy. In 15 Jahren entwickelte er danach sein heute zum internationalen Standard gehörendes Klima-Wachstums-Modell DICE ("Dynamische Integrierte Klima-Ökonomie"). Von 1977 bis 1979 war Nordhaus Mitglied im Rat der Wirtschaftsberater von Präsident Jimmy Carter.

Der Ökonom ist Autor mehrerer erfolgreicher Bücher. Er war Herausgeber "des Samuelson", eines ursprünglich von dem Starökonomen Paul Samuelson geschriebenen Lehrbuchs der Volkswirtschaftslehre, das in den Siebzigerjahren Standard in vielen Universitäten war, auch in Deutschland. 2013 popularisierte er seine Klimaökonomie in dem Buch "The Climate Casino".

Darin steht zum Beispiel der Satz: "Das Klima ist ein Kasino insofern, als wir hohe Risiken für unseren Planeten und uns selbst eingehen. Aber wir müssen ja nicht in das Kasino gehen. Wir können jetzt Schritte gehen, um die Risiken zu mildern und zu vermeiden." Auf seine Anregung hin hat die Universität Yale eine interne Kohlendioxid-Abgabe beschlossen, die alle Institute, abhängig von ihrem Verbrauch, zahlen müssen.

Auch Mitpreisträger Paul Romer mischt sich in die Politik ein; seine Modelle "endogenen" Wachstums haben praktische Konsequenzen. Fünfzehn Monate lang war Romer Chefvolkswirt der Weltbank in Washington. Am 24. Januar dieses Jahres schied er aus - im Streit. In einem Beitrag für das Wall Street Journal hatte er den Autoren eines Berichts der Weltbank über die Wettbewerbsfähigkeit von Entwicklungs- und Schwellenländern schwere methodische Fehler vorgeworfen. Ausdrücklich entschuldigte er sich bei der Regierung von Chile, dessen Platz im Ranking des Berichts viel zu schlecht gewesen sei.

Auch zuvor schon war er mit Kollegen aneinander- geraten, denen er Unwissenschaftlichkeit vorwarf. Umstritten war schließlich seine Idee von "Charter Cities". Das sollten neu errichtete Städte in Entwicklungsländern sein, die komplett von Industrieländern regiert und verwaltet werden und unter deren Jurisdiktion sehen. Nach Romers Vorstellung sollten sie wie Leuchttürme in der Dritten Welt wirken. Seine Kritiker warfen ihm Neokolonialismus vor.

Der Wirtschaftsnobelpreis ist mit umgerechnet 870 000 Euro dotiert und wird am 10. Dezember in Stockholm überreicht.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise von einer Begrenzung der Erderwärmung um nicht mehr als "zwei Prozent" bzw. vom "Zwei-Prozent-Ziel" geschrieben. Es muss natürlich "zwei Grad Celsius" heißen.

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