Afrika-Gipfel:Deutschland spricht in der Entwicklungshilfe mit gespaltener Zunge

'Compact with Africa'-Konferenz in Berlin

Abdel Fattah al-Sisi bei Angela Merkel: Die Menschenrechtsbilanz Ägyptens ist nicht sehr viel besser als die Saudi-Arabiens.

(Foto: dpa)

Die Bundesregierung hält sich damit zurück, sich in Afrika einzumischen. Doch damit meidet sie ein großes Problem. Die Despoten des Kontinents gehören zu den wichtigsten Fluchtursachen.

Kommentar von Tobias Zick

Der Kontinent Afrika, geografisch so nahe und mental doch so ferne, schafft es auf die hiesige politische Agenda vor allem dann, wenn seine Probleme zu den Problemen der Deutschen zu werden drohen. Wenn etwa das Mittelmeer mal wieder besonders viele seiner Bewohner an Europas Südküsten spült, tot oder lebendig. Und wenn begleitend dazu immer neue Studien davon künden, dass sich diese Dynamik keinesfalls wird aussitzen lassen.

Die Bevölkerung Afrikas wird sich bis 2050 in etwa verdoppeln, auf zweieinhalb Milliarden Menschen. Die Vorstellung, dass auch nur ein Bruchteil davon träumt, irgendwann ein Boot Richtung Europa zu besteigen, hat inzwischen in Berlin ausreichend Druck erzeugt, um die deutsche Afrikapolitik gründlich zu hinterfragen. Diese Revision hat bis dato einen ganzen Strauß neuer Initiativen und Programme hervorgebracht.

Entwicklungsminister Gerd Müller gebührt einiger Dank dafür, dass er nicht nur die relative Erfolgsarmut klassischer Entwicklungshilfe benennt, sondern auch darauf hinweist, dass Europa eher Mangosaft aus Afrika importieren statt subventionierte Tiefkühlhähnchen dorthin exportieren sollte. Er hat klargestellt, dass afrikanische Regierungen selbst viel mehr tun müssen, um Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen. Und dass der Kontinent Jobs braucht, sehr viele Jobs, und deshalb mehr Investitionen.

Im Sinne letzteren Teilaspekts hat Bundeskanzlerin Merkel am Dienstag in Berlin auf einem Investitionsgipfel die Staats- und Regierungschefs zwölf afrikanischer Länder begrüßt. Stargast der Veranstaltung war allerdings ausgerechnet Abdel Fattah al-Sisi, Präsident von Ägypten. Zwar ist aus dem Land bisher kein Fall bekannt geworden, bei dem ein Pressevertreter in einem Konsulat bei lebendigem Leib zerstückelt worden wäre, aber ansonsten ist die Menschenrechtsbilanz Ägyptens nicht sehr viel besser als die Saudi-Arabiens, jenes Handelspartners, an den Merkel nach dem gewaltsamen Tod des Journalisten Khashoggi jetzt die Waffenlieferungen stoppen will.

Die Ansätze der Politik sind lobenswert, doch die klare Linie fehlt

Bei allen lobenswerten neuen Ansätzen: Es fehlt nach wie vor eine klare Linie in der deutschen Afrikapolitik. Deutschland spricht zu Afrika mit gespaltener Zunge. Europa solle sich mit Einmischung und Ratschlägen zurückhalten, hatte Bundespräsident Steinmeier beim Dinner mit den Staatsgästen am Abend vor dem Gipfel gesagt: "Den Kontinent voranbringen können nur afrikanische Lösungen."

Das ist eine gern gehörte und zugleich doppelbödige Botschaft, zumal in Anwesenheit eines Autokraten wie al-Sisi. Wenn jene afrikanischen Lösungen darin bestehen, Regimegegner einzukerkern, während zugleich deutschen Unternehmern der rote Teppich ausgerollt wird, dann kann Deutschlands Rolle nicht ernsthaft darin bestehen, fröhlich das Prinzip der Nichteinmischung zu preisen.

Es fehle in der deutschen Afrikapolitik nicht an Erkenntnissen, sondern an entschlossenem Handeln: "Den Worten müssen jetzt Taten folgen", fordert Entwicklungsminister Müller richtigerweise. Das gilt allerdings auch für die Erkenntnis, dass die Gewaltherrscher des Kontinents ein wesentliches Problem Afrikas sind - und zu den wichtigsten Fluchtursachen gehören.

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