"Polizeiruf" aus Rostock:Wie irre damals alle aussahen!

'Polizeiruf 110 - Für Janina' auf ARD

Ausnahmetypen: Peter Trabner (l), Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner im neuen "Polizeiruf 110" aus Rostock.

(Foto: Christine Schroeder/dpa)
  • Der neue "Polizeiruf 110" kommt am Sonntag aus Rostock.
  • In "Für Janina" geht es um neue Beweise in einem alten Fall aus den Achtzigerjahren.
  • Der Krimi stellt die Frage, inwieweit das Recht gebrochen werden muss, um wirksam werden zu können.

Von Holger Gertz

Diese Rostocker Episode bedient sich eines spannungstragenden Kniffs, sie greift ein Verbrechen aus dem Jahr 1988 auf, den Mord an einer jungen Frau. Die Neubeschäftigung mit alten Taten wurde zuletzt spektakulär vorgeführt in der Münchner Polizeiruf-Folge "Und vergib uns unsre Schuld", in der ein Mord aufgerollt wurde, der 2006 während der WM begangen worden war. Solche Rekonstruktionen sind fürs Publikum attraktiv, aus zwei Gründen. Alte Zeiten sind immer ein ästhetisches Abenteuer: Wie irre damals alle aussahen! Und auch in diesem Polizeiruf lässt sich die Vergangenheit schön ausmalen, das Springsteen-Konzert 1988 in Ostberlin wird in der Filmmusik verarbeitet, und die Ermittler Bukow (Charly Hübner) und König (Anneke Kim Sarnau) erweisen sich als textsicher. Alte VHS-Kassetten sorgen für nostalgischen Thrill, und es zeigt sich, dass man auch auf blass gewordenem Filmmaterial noch Neues entdecken kann.

Der zweite fürs Publikum reizvolle Aspekt ist ein moralischer. Wie wohltuend, wenn die Wahrheit doch noch ans Licht kommt! Denn dieser Polizeiruf von Eoin Moore (Regie und Buch mit Anika Wangard) wird im Rahmen der ARD-Themenwoche Gerechtigkeit gezeigt. Wie also umgehen mit einem Mann, der für den Mord schon kurz im Gefängnis gesessen hat, dann freigesprochen wurde. Aber dank der neuen Ermittlungsmöglichkeiten tauchen jetzt Hinweise auf, dass er es doch war. Wie umgehen mit einem mutmaßlichen Täter und seiner Schuld, wo doch Paragraf 362 der Strafprozessordnung besagt, dass niemand ein zweites Mal wegen desselben Delikts vor Gericht gestellt werden darf. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich alle bewegen, auch die Ermittler, die sich fragen, inwieweit das Recht gebrochen werden muss, um wirksam werden zu können.

Gerechtigkeit - ein anspruchsvolles Thema. Die Ausnahmetypen Hübner und Sarnau sind manchmal emotional ein bisschen sehr überhitzt, aber letztlich tragen sie mit ihrer Rotzigkeit und Körperlichkeit und Persönlichkeit dazu bei, dass das Stück kein Essay wird, sondern ein Krimi bleibt.

Polizeiruf 110, Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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