Science-Ficition:Zukunft in Flammen

Science-Ficition: Im Regen stehen: Christa (Garance Marillier) ermittelt in Ad Vitam undercover unter Lebensmüden.

Im Regen stehen: Christa (Garance Marillier) ermittelt in Ad Vitam undercover unter Lebensmüden.

(Foto: © Ivan Mathie 2017)

Nichts als Gespenster: Die Arte-Serie "Ad Vitam" zeigt eine Welt, in der der Tod unter Strafe steht.

Von Philipp Bovermann

Bei Science- Fiction aus Europa liegt die Betonung meistens auf "Fiction", denn die "Science" - Welten zu bauen, die wirklich anders aussehen als die unsere - ist mit hiesigen Produktionsbudgets kaum zu bezahlen. Die französische Serie Ad Vitam von Thomas Cailley macht genau diese Diskrepanz erst interessant: Ihre Welt sieht größtenteils genauso aus wie die unsere. Sogar die Menschen sind noch immer die gleichen, denn der Tod ist besiegt. Hurra!

Woher kommen die Leichen am Strand? In einer Welt ewiger Jugend steht der Tod unter Strafe

Alle finden es super, nicht mehr sterben zu müssen, nur ein paar Jugendliche haben damit ein Problem. Die Menschen feiern gerade den 169. Geburtstag der ältesten Frau der Welt, als ein paar junge Körper am Strand angespült werden. Einer von ihnen hat zwei Punkte auf der Schulter, Erkennungszeichen einer Selbstmord-Sekte, die sich aber schon vor Jahren kollektiv selbst aus der Welt geschafft haben soll. Ermittler Darius (Yvan Attal) wird auf die Sache angesetzt. In einer Welt ewiger Jugend steht der Tod unter Strafe.

Darius ist ein Mann von jugendlichen 119 Jahren und trotzdem innerlich alt. Der Typ Ermittler, der in Bars Kurze kippt. Der an schweren Erinnerungen leidet - in 119 Jahren hat sich einiges angesammelt. In seinen Stirnfurchen vergraben liegt die Ahnung, dass es doch etwas komplizierter sein dürfte mit den Selbstmorden und dass die im Fernsehen propagierte Ideologie ein Irrweg sein könnte.

Womit wir zurück in der Gegenwart wären, mit ihren Fitnesstrackern, bei Botox und Detox. Es geht in Ad Vitam aber nicht so sehr ums ewige Leben schlechthin. Dass es seinen Sinn verliert, wenn man jede getroffene Entscheidung beliebig revidieren kann, ist ein nicht ganz neuer Gedanke von beherrschbarer Komplexität. Nein, etwas anderes steht auf dem Spiel.

In den Nachrichten ist die Rede von einem Referendum zur Geburtenkontrolle. Als die Ermittler zu Beginn von Folge drei, die am Donnerstag auf Arte läuft, den Vormund eines der toten Jugendlichen treffen, fragt der sie spitz, was die ganze Aufregung soll. "Wir regen uns über die Überbevölkerung auf, sind aber gegen den Suizid der Minderjährigen. Die Wahrheit ist doch, dass wir keine Kinder mehr brauchen."

Interessant - befinden nicht auch wir uns schon in einem heimlichen Krieg dieser gegen alle künftigen Generationen? Tun wir nicht so, als könnten wir ewig so weiterleben - die Zukunft des Planeten verfeuern, aus den Regenwäldern Klopapier machen? Diese Fragen schwingen in Ad Vitam auf kluge Weise mit. Dort sind Erwachsene wandelnde Fossilien. Gespenster. Von gestern. Aber immerhin: Die Jugend wehrt sich und will Schluss machen. Ihre Welt sieht aus wie unsere Gegenwart. Es geht in Ad Vitam darum, ob es eine Zukunft gibt - und für wen.

Ad Vitam, Arte, in Doppelfolgen, ab 20.15 Uhr sowie alle sechs Folgen in der Mediathek.

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