Öffentlicher Nahverkehr:Münchner S-Bahn kommt immer unpünktlicher

Fotos aus dem 16. Stock vom SZ-Hochhaus geschossen

Jede Menge S-Bahnen stehen auf Gleisen in Berg am Laim - fahren tun sie grundsätzlich auch. Nur leider oft verspätet.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Münchner S-Bahn ist im vergangenen Jahr immer unpünktlicher geworden - am schlimmsten war es im November.
  • Wenn die von der Bayerischen Eisenbahngesellschaft verlangte Pünktlichkeit nicht erreicht wird, muss die Bahn an den Freistaat Strafe zahlen - für 2018 wird diese wohl wesentlich höher ausfallen als in den Vorjahren.
  • Der Fahrgastverband Pro Bahn und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) halten die Pünktlichkeitsstatistik allerdings für nicht besonders aussagekräftig - die Wartezeiten für Passagiere seien manchmal noch für länger.

Von Andreas Schubert

Derzeit bremsen Eis und Schnee den Bahnverkehr aus, Bäume fallen ins Gleis, Weichen frieren ein. Das trägt alles dazu bei, dass die durchschnittliche Pünktlichkeit der Münchner S-Bahn deutlich zu wünschen übrig lässt. Im Durchschnitt waren im vergangenen Jahr 94 Prozent der Züge pünktlich, zwei Prozentpunkte weniger als 2017, wie die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) mitteilt. Doch laut deren Qualitätsmanager Wolfgang Oeser ist dieser Durchschnittswert wenig aussagekräftig. Denn die staatliche BEG, die im Auftrag des Freistaats Bayern die Bahnleistungen bestellt, kritisiert vor allem die übers Jahr ständig schlechter werdenden Werte. Lag die Pünktlichkeit im Januar 2018 noch bei 95,8 Prozent, im April und im August sogar bei jeweils 96,5 Prozent, lagen die Werte von September an stets unter 92. Schlechtester Monat war der November mit 90,3 Prozent.

Diese Entwicklung sei "alles andere als zufriedenstellend", teilt die BEG mit. Seit Anfang des Jahres befänden sich die Pünktlichkeitswerte - eben bis auf April und August - auf einer Talfahrt. Und auch wenn sich der Wert zum Jahresende minimal erholt habe, liege er nach wie vor sehr weit entfernt vom Zielwert. "Aus diesen Gründen steht die S-Bahn München bei der Eisenbahngesellschaft nach wie vor unter besonderer Beobachtung", heißt es in einer Stellungnahme.

Die massiven Einschränkungen im S-Bahn-Betrieb seien zu einem großen Teil infrastrukturbedingt. Man habe deshalb die zuständige Bahntochter DB Netz "zum wiederholten Male aufgefordert, umgehend Maßnahmen zur Stabilisierung der Infrastruktur umzusetzen". Die BEG als Bestellerin der Verkehrsleistungen habe aber keinen Vertrag mit DB Netz und verfüge somit über keine Sanktionsmöglichkeiten. "Wir erwarten daher, dass die Verkehrsunternehmen - die in einem Vertragsverhältnis mit DB Netz stehen - entsprechenden Druck auf den Infrastrukturbetreiber ausüben und ebenfalls eine Stabilisierung der Infrastruktur einfordern." Doch für viele Störungen ist auch die Bahn als Verkehrsunternehmen selbst verantwortlich. Vor allem kaputte Triebfahrzeuge führten zu Ausfällen und Verspätungen.

Wenn die von der BEG verlangte Pünktlichkeit nicht erreicht wird, muss die Bahn an den Freistaat Strafe zahlen, die sogenannte Pönale. Wie hoch sie dieses Jahr ausfällt, ist laut BEG noch offen. Aber es wird sicher nicht wenig: Wie aus einer Antwort der Staatsregierung vom Frühjahr 2018 hervorgeht, musste die S-Bahn zwischen 2012 und 2016 Strafzahlungen von insgesamt vier Millionen Euro leisten. Der monatliche Schwellenwert von 94, unter dem eine Pönale fällig wird, wurde 2018 fünfmal unterschritten. Der Jahresschwellenwert liegt bei 96, auch er wurde nicht erreicht.

Laut Wolfgang Oeser von der BEG wird die Strafe für 2018 wohl wesentlich höher ausfallen als in den Vorjahren. Und in Zukunft könnte es noch mehr werden: Denn als verspätet gilt eine S-Bahn derzeit nur, wenn sie mindestens sechs Minuten später kommt, als im Fahrplan vorgesehen - gemessen wird das an zwei Stellen an der Stammstrecke. Die BEG will die Grenze bei kommenden Ausschreibungen auf drei Minuten herabsetzen. Zudem soll künftig auch die Höhe der Verspätung berücksichtigt werden.

Andreas Barth vom Fahrgastverband Pro Bahn und Wolfram Liebscher vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) sehen die Pünktlichkeitsstatistik allerdings sehr kritisch. Das gehe schon mal damit los, dass Züge, die bei einer Störung komplett ausfallen, gar nicht erst in die Statistik einfließen. "Im Zweifel lässt die Bahn eben einen Zug ausfallen", sagt Liebscher, "das ist durchaus revisionsbedürftig". Die Erfassung der Verspätungen sei nicht gerade ehrlich. Und Barth hält die Statistik generell für nichtssagend, was die Sicht der Passagiere betrifft.

Was wirklich zähle, sei die Zeit, die ein Passagier für eine Fahrt braucht. "Aus Sicht des Fahrgasts dauert die Verspätung durch einen ausfallenden Zug 20 Minuten oder eben so lange, bis die nächste S-Bahn kommt." Und wenn jemand wegen einer verspäteten S-Bahn einen Anschluss verpasse und so dann unter Umständen eine ganze Stunde länger unterwegs sei, müsse dieser Zeitverlust für eine wirkliche Pünktlichkeitsstatistik erfasst werden.

Die S-Bahn hat in den vergangenen Jahren einiges getan, um Verspätungen zu verhindern. So wurde die Stammstrecke eingezäunt, damit weniger Menschen auf die Gleise laufen, selbst öffnende Türen, ein neues Innendesign der Züge sowie Mitarbeiter an viel genutzten Bahnhöfen sollen ebenfalls den Fluss beschleunigen. Diese Maßnahmen halten die Verkehrsverbände durchaus für sinnvoll. "Sie sind aber nur ein ganz kleiner Tropfen auf einem sehr heißen Stein", sagt Barth. Es müsse endlich gehandelt "und nicht immer nur ein Gutachten nach dem anderen erstellt werden". Pro Bahn fordere einen konsequenten Ausbau aller S-Bahn-Strecken und unter anderem auch bessere Sicherheitsmaßnahmen an den Außenästen. Jetzt, im Winter, ließen sich manche Ausfälle durch Bäume im Gleis verhindern, glaubt Barth: "Da muss halt mal vorher ein Baum mehr gefällt werden."

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