Rente:Besser mit Prüfung

Arbeitsminister Hubertus Heil verspricht mehr, als er halten kann. Er will mit seiner "Respekt-Rente" mehr Gerechtigkeit schaffen. Das aber führt nur zu neuen Ungerechtigkeiten.

Von Marc Beise

Pech für Hubertus Heil, könnte man meinen mit Blick auf den Rentenvorstoß des SPD-Arbeitsministers. Zeitgleich mit seinem Plan, armen Ruheständlern eine Grundrente von bis zu 1000 Euro monatlich zu sichern, was insgesamt bis zu zehn Milliarden Euro im Jahr kosten könnte, hat sein Parteifreund, Finanzminister Olaf Scholz, ein Milliardenloch im Haushalt entdeckt. Von sofort an fehlen fünf Milliarden Euro pro Jahr, hat Scholz ausgerechnet und macht damit klar, was viele längst ahnen: Die guten Zeiten sind vorbei, nun muss wieder gespart werden. Damit ist auch klar, dass der Heil-Plan eigentlich gar nicht zu finanzieren ist, worauf die Gegner sofort hinwiesen.

So einfach aber darf man es sich nicht machen angesichts der sozialpolitischen Bedeutung des Themas. Die Zahl der Menschen wächst, die im Alter sehr wenig Geld zur Verfügung haben. Jedes Einzelschicksal tut weh. Diesen Menschen zu helfen ist ein berechtigtes und notwendiges Ziel. Wenn es dafür eine bessere Lösung gäbe als bisher, einen Königsweg, dann darf der Zustand der Staatsfinanzen kein Argument sein, dann muss eben anderswo gespart werden.

Ganz nebenbei bietet sich hier für die SPD die Möglichkeit, sich endlich wieder als soziale Partei zu profilieren. In den vergangenen Monaten herrschte bis weit in die bürgerlichen Kreise hinein regelrecht Mitleid mit der SPD, die beim Wähler einfach nicht mehr punkten kann, was auch immer sie anstellt. Ein klares sozialpolitisches Profil wäre vermutlich ein guter Anfang, wieder aus der Ecke zu kommen - will man das der SPD verdenken?

Allerdings müsste der Plan dazu auch funktionieren - was er nicht tut. Er verspricht mehr, als er halten kann. Er will ja mehr Gerechtigkeit schaffen, führt aber zu neuer Diskriminierung. Die Sozial-, Arbeits- und Rentenpolitik ist eine so gnadenlos komplizierte Materie, dass der Heilsche Ansatz zu kurz greift, den Bedürftigen, wenn sie nur lange genug gearbeitet und nun zu wenig Rente haben, automatisch einen Zuschlag zuzuerkennen.

Es ist kein Zufall, dass bereits etliche Minister an diesem Thema gescheitert sind

Es ist kein Zufall, dass sich bereits etliche Minister an diesem Thema versucht haben und allesamt gescheitert sind. Ursula von der Leyen (CDU) wollte eine Zuschussrente einführen, Andrea Nahles (SPD) die solidarische Lebensleistungsrente. Hubertus Heil hat den griffigsten Begriff gefunden: die "Respekt-Rente".

Damit beweist er sich als gewiefter politischer Verführer. Wer wollte Menschen, die ihr Leben lang (hart) gearbeitet haben und nun von ihrer Rente nicht leben können, den Respekt verweigern? Aber Respekt, das heißt bei Heil auch, er will sie von der Bedürftigkeitsprüfung befreien. Einer Kontrollmaßnahme, die prinzipiell überall dort gilt, wo Bürger Sozialleistungen beantragen: bei der Grundsicherung im Alter, bei der Hilfe zur Pflege oder beim Arbeitslosengeld II. Die Bedürftigkeitsprüfung gehört zu den Grundpfeilern nicht nur des Sozial-, sondern des Wirtschaftssystems insgesamt. Dieses geht seit Ludwig Erhard davon aus, dass jeder Bürger zunächst für sich selbst verantwortlich ist. Nur wem das unverschuldet ganz oder teilweise misslingt, dem hilft der Staat. Bei der Rentenversicherung heißt das konkret: Wer als Arbeitnehmer viel einzahlt, erhält als Rentner mehr als andere. Wer wenig einzahlt, bekommt weniger.

Heil findet das respektlos, er will eine andere Welt schaffen, eine bessere, gerechtere, aber so, wie er das nun plant, schafft er neue Ungerechtigkeiten: Wer wenig verdient und eingezahlt hat und kräftig aufgestockt wird, erhält dann so viel wie andere, die doppelt so viel verdient haben. Ist das gerecht? Weiter: Von Heils Aufstockung profitiert der Single, der von seiner Rente leben muss, genauso wie der verheiratete Rentner, der über die Altersvorsorge des Partners abgesichert ist - gerecht? Es profitiert auch der Rentner mit Vermögen, denn seine Bedürftigkeit wird ja nicht geprüft - gerecht?

Es ist offensichtlich: Von der "Respekt-Rente" werden auch Rentner profitieren, die gar keiner Hilfe bedürfen. Macht nichts, sagen die Befürworter, solche Mitnahmeeffekte sind doch normal. So könnte man argumentieren, wenn das Problem gesamtwirtschaftlich unerträglich groß wäre, größer als viele andere Probleme. Aber das ist nicht der Fall. Nur drei Prozent der Rentner sind von Altersarmut betroffen, zu viele, ja, aber vergleichsweise viel weniger, als jüngere Menschen in Not sind (acht Prozent) oder sogar Kinder (15 Prozent). Vor allem den Kindern zu helfen, müsste dem Staat das vorrangige Anliegen sein, denn hier werden Lebenschancen geboren - oder zerstört.

Ganz außen vor bleiben nach der Logik des Ministers auch andere alte Menschen: selbständige Handwerker beispielsweise, die oft viel geleistet haben, oder Langzeitarbeitslose, die nicht in die Rentenkasse einzahlen konnten. Alles Felder, auf denen der Arbeitsminister aktiv werden sollte, statt sich für eine Grundrente ohne Bedürfnisprüfung zu verkämpfen. Teure Symbolpolitik wird sich am Ende nicht auszahlen, nicht mal an den Wahlurnen.

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