Sozialpolitik:Wie die SPD-Grundrente funktionieren soll

Spaziergänger in Allee

Manche könne sich einen geruhsamen Lebensabend leisten, samt Urlauben, Kuren, Autos und Geschenken für die Enkel. Manche können es aber nicht.

(Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

"Respektlos und unwürdig" findet Hubertus Heil die bisherigen Renten für ehemalige Geringverdiener. Antworten auf die wichtigsten Fragen zu seinem Vorschlag der Grundrente.

Von Kristiana Ludwig und Thomas Öchsner

Viele Menschen landen nach einem langen Arbeitsleben mit niedrigen Löhnen als Rentner in der Grundsicherung für alte Menschen, sie müssen also zum Sozialamt. Das will SPD-Sozialminister Hubertus Heil ändern. Wer Jahrzehnte gearbeitet habe, habe das Recht, mehr zu bekommen als einer, der jahrelang ohne Job nichts in die Kasse eingezahlt habe. So kämen eine Friseurin oder ein Lagerarbeiter nach 40 Jahren mit Mindestlohn auf 514 Euro Rente. "Respektlos und unwürdig" findet das der Minister. Das müsse deutlich mehr werden. Von seiner neuen Grundrente und einer Wohngeldreform sollen drei bis vier Millionen heutige und künftige Rentner profitieren; davon wohl drei Viertel Frauen, die öfter schlecht bezahlte Jobs haben, und viele Menschen in Ostdeutschland, wo niedrigere Löhne verbreitet sind. In der Regierungskoalition sorgt der Plan für Streit. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie soll die Grundrente funktionieren?

Laut Heils Plan soll die Rentenversicherung kleine Renten per Zuschlag erhöhen, und zwar automatisch ohne extra Prüfung der Bedürftigkeit. Zusätzliches Altersgeld erhält aber nur, wer mindestens 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Auch Teilzeit, Kindererziehungs- und Pflegezeiten zählen mit, Minijobs allein reichen nicht. Grundsätzlich gilt: Wer nach genau 35 Beitragsjahren weniger als 896 Euro Rente brutto hat, bekommt einen Zuschlag. Beschäftigte, die immer nur Mindestlohn verdienten, sollen 447 Euro pro Monat erhalten. Die Friseurin mit 40 Jahren Mindestlohn könnte also 961 statt 514 Euro Rente beziehen. Eine alleinerziehende Krankenschwester in Teilzeit mit zwei Kindern bekäme 1000 statt 860 Euro.

Was bringt der neue Freibetrag in der Grundsicherung?

Heil will auch einen neuen Freibetrag in der Grundsicherung einführen - aber ebenfalls nur für diejenigen, die mindestens 35 Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung waren. Das heißt, der Teil der Rente in Höhe des Freibetrags wird nicht mit der Grundsicherung verrechnet. Was bedeutet das? Ein Rechenbeispiel: Ein Rentner bezieht eine Rente von 600 Euro. Er lebt in einer westdeutschen Großstadt und hätte Anspruch auf 924 Euro Grundsicherung fürs Leben und Wohnen. Seine Rente wird verrechnet, vom Sozialamt gibt es also 324 Euro. Mit dem neuen Freibetrag von 25 Prozent würden nur drei Viertel seiner Rente verrechnet, dadurch blieben ihm 150 Euro mehr. Da der Freibetrag aber gedeckelt ist, sind es 106 Euro. Statt 924 Euro hätte der Rentner also in Zukunft 1030 (924 + 106) Euro brutto zur Verfügung.

Was würden die Änderungen beim Wohngeld bedeuten?

Ende 2017 bezogen fast 600 000 Haushalte Wohngeld, fast die Hälfte davon waren Rentner-Haushalte, Tendenz steigend. Heil setzt sich nun für zwei Verbesserungen ein: Die Bundesregierung soll die Miet- beziehungsweise Einkommensgrenzen zum Wohngeld regelmäßig anpassen. Das passiert bislang nicht, zuletzt wurde das Wohngeld 2009 und 2016 erhöht. Die nächste Anhebung, für die das CSU geführte Innenministerium zuständig ist, könnte laut Mieterbund erst 2020 kommen. Die Folgen für Rentner sind gravierend: Ruheständler können durch steigende Renten ihren Anspruch auf Wohngeld verlieren - und das, obwohl womöglich ihre Mieten erhöht wurden. Außerdem soll es einen Freibetrag geben. Rentner die mindestens 35 Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben, sollen künftig einen pauschalen Freibetrag von 125 Euro auf ihre Rente erhalten. Das soll dazu beitragen, dass sie auch bei einer höheren Grundrente Wohngeld beziehen.

Wer bezahlt die neue Grundrente?

Der Sozialminister rechnet mit einem "mittleren, einstelligen Milliardenbetrag", den die neue Grundrente kosten könnte. Bezahlen sollen dafür die Steuerzahler. Doch ob Finanzminister Olaf Scholz (SPD) das Geld zur Verfügung stellen soll, ist in der Regierungskoalition umstritten.

Wer kritisiert den Vorstoß?

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte zurückhaltend. Eine Regierungssprecherin betonte, dass im Koalitionsvertrag eine Bedürftigkeitsprüfung stehe - und dass die Kanzlerin auf diese Einigung verweise. Haushalts- und Sozialpolitiker der Union hatten ebenfalls kritisch reagiert. Sie warfen Heil vor, Geld "mit der Gießkanne" zu verteilen. FDP-Chef Christian Lindner und Arbeitgeber-Chef Steffen Kampeter lehnen es ab, auf die Bedürftigkeitsprüfung zu verzichten. Gewerkschaften und Sozialverbände lobten dagegen das Konzept.

Was war abgemacht?

Union und SPD hatten sich zum Start ihrer gemeinsamen Regierung zwar auf eine Grundrente geeinigt, aber unter anderen Bedingungen. Im Koalitionsvertrag steht, dass die Grundrente "zehn Prozent oberhalb des Grundsicherungsbedarfs" liegen soll. Und dass die Sozialämter nach wie vor prüfen sollen, ob Rentner bedürftig sind.

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