Nachruf:Leonie Ossowski gestorben

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Leonie Ossowski schrieb nicht nur über sozial benachteiligte Jugendliche sondern engagierte sich auch in der Jugendarbeit. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Sie schrieb nicht nur über sozial benachteiligte Jugendliche sondern engagierte sich auch in der Jugendarbeit.

Von Roswitha Budeus-Budde

Am Anfang ihres Erfolges stand ein Tatort. 1971 recherchierte Leonie Ossowski für eine Folge der bekannten Krimiserie das Leben straffälliger und sozial benachteiligter Jugendlicher und begann sich für sie einzusetzen. Aus diesem Material für die Recherche wurde dann "Die große Flatter", ihr erfolgreichstes Jugendbuch, für das sie 1977 den Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg erhielt. 1979 wurde die Geschichte der beiden Freunde Schocker und Richy, die am Stadtrand von Berlin leben und deren Träume, dem sozialen Elend zu entkommen, in einer Gewalttat enden, als Fernsehdreiteiler des WDR verfilmt.

Schon immer hatte sich die Autorin leidenschaftlich sozial und politisch engagiert. 1925 als Jolanthe von Brandenstein geboren, wuchs sie auf einem Gutshof in Niederschlesien auf. Schon in den 50ern hatte sie Erfolge mit Drehbüchern und Romanen und Stücken. Immer waren es die eigenen Erfahrungen, von denen sie erzählte, waren es die Turbulenzen ihres eigenen ungewöhnlichen Lebens. Sie arbeitete in den unterschiedlichsten Berufen, als Sprechstundenhilfe und Fotografin, verfasste Kurzgeschichten für Kundenzeitungen.

Dieses unruhige Leben begann bereits, als sie 19-jährig, mit dem ersten von sieben Kindern schwanger, aus Schlesien nach Bad Salzungen flüchtete, das sie dann 1945 verlassen musste. Sie war ins Visier der russischen Besatzer geraten, hatte deutsche Soldaten versteckt. Bis 1958 ging sie dann zurück in die DDR, wo sie für die DEFA in Babelsberg das Drehbuch für den Film "Zwei Mütter" von Frank Beyer verfasste.

Schließlich zog sie nach Stuttgart, später nach Mannheim, bei Beltz & Gelberg erschienen Ende der 70er-Jahre ihre ersten Bücher für Jugendliche, "Stern ohne Himmel" und "Die große Flatter".

Großen Erfolg hatte sie auch mit ihrer Niederschlesien-Trilogie, "Weichselkirschen", "Wolfsbeeren" und "Holunderzeit", in der sie Erinnerungen aus ihrer Kindheit und Jugendzeit mit aktuellen Recherchen im heutigen, zu Polen gehörenden Niederschlesien verband. Ihre versöhnliche Haltung fand bei den Vertriebenen-Verbänden kein positives Echo. 2006 erhielt sie für die deutsch-polnische Verständigung die Hermann-Kesten-Medaille des PEN-Zentrums und wurde vom polnischen Kultusminister geehrt.

Inzwischen lebte sie mit ihrem dritten Mann, von dem sie 1990 geschieden wurde, in Berlin, arbeitete in der Gefangenenhilfe für jugendliche Straftäter in Moabit und verfasste, eine unermüdliche Aufklärerin, nach sorgfältiger Recherche 20 Romane, Fernsehdrehbücher, Rundfunkbeiträge, Theaterstücke. Sie wurde unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Schillerpreis der Stadt Mannheim geehrt. "Leonie Ossowski ist mit Leidenschaft in der Opposition", schrieb Verena Auffermann 1983, "am leidenschaftlichsten auf der Seite der Schwächeren." Am Montag ist Leonie Ossowski mit 93 Jahren in Berlin gestorben.

© SZ vom 06.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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