Stadt unterliegt in Rechtsstreit:Umstrittene Filmvorführung

Nahost-Konflikt: Gericht hebt Veranstaltungsverbot auf

Von Thomas Anlauf, Jakob Wetzel

Erneut gibt es in München Streit um eine Veranstaltungen zum Nahost-Konflikt, und in diesem Fall hat die Stadt den Kürzeren gezogen. Das Münchner Landgericht hat am Freitagnachmittag per einstweiliger Verfügung durchgesetzt, dass die "Jüdisch-Palästinensische Dialoggruppe" (JPDG) um Judith Bernstein wie geplant einen Film über die Sperranlagen zwischen Israel und dem Westjordanland zeigen und über ihn diskutieren darf. Das Kulturreferat hatte zunächst noch versucht, die Vorführung zu unterbinden. Doch ein bereits geschlossener Mietvertrag müsse eingehalten werden - so hatte Bernsteins Anwalt argumentiert.

Die JPDG hatte mit dem Eine-Welt-Haus an der Schwanthalerstraße vereinbart, an diesem Sonntagabend dort den Film "Broken" des palästinensischen Regisseurs Mohammed Alatar zu zeigen, im Beisein des Regisseurs. Dagegen wandte sich zu Beginn dieser Woche das Kulturreferat: In einem Brief wies es das Haus an, den am 28. Februar geschlossenen Vertrag aufzulösen. In dem Brief berief sich Kulturreferent Hans-Georg Küppers auf einen Stadtratsbeschluss von Dezember 2017; mit diesem hatte der Stadtrat die gegen Israel gerichtete, als antisemitisch bezeichnete Boykott-Kampagne BDS ("Boycott, Divestment, Sanctions") geächtet. Wer sich mit ihr befassen will, darf zu diesem Zweck seither keine städtische Räume nutzen. Der Film als solcher freilich hat mit jener Boykott-Kampagne nichts zu tun, wie Küppers auf Nachfrage bestätigt. Doch da der Abbau der Sperranlagen zu den zentralen Forderungen der BDS-Kampagne gehöre und die JPDG außerdem zu den Unterstützern jener Kampagne zähle, sei zu erwarten gewesen, dass eben doch BDS zur Sprache komme. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagt Küppers. Doch man habe die Verantwortlichen im Eine-Welt-Haus auch nicht in Verlegenheit bringen wollen, womöglich einschreiten zu müssen, um eine Diskussion der Kampagne zu unterbinden.

Es ist nicht das erste Mal, dass eine Veranstaltung zu Israel im Eine-Welt-Haus für Konflikte sorgt. Das Haus begreift sich als Diskussionsplattform auch für kontroverse Themen. Hinter dem Haus steht ein Trägerkreis verschiedener Vereine. Die Immobilie aber gehört der Stadt, und deshalb redet diese mit. 2016 hatte das Kulturreferat dem Haus zum ersten Mal untersagt, seine Räume für eine Veranstaltung herzugeben. Der Trägerkreis beschwerte sich damals über diesen, wie er betonte, "bisher einmaligen Fall" in seiner bis dahin 15 Jahre währenden Geschichte, dass die Stadtpolitik die Autonomie des Hauses missachtet habe. Später traten im Streit um den Umgang mit Antisemitismus zwei Stadträte aus dem Beirat des Hauses zurück, ein Verein beendete die Mitgliedschaft im Trägerkreis.

Die Entscheidung des Kulturreferats, die Veranstaltung zu unterbinden, hatte Stephan Kowalski, Geschäftsführer des Eine-Welt-Hauses, zunächst nur mit großer Zurückhaltung kommentiert; sie sei bedauerlich, sagte er. Man habe schließlich im Vorfeld versucht, die Bedenken des Kulturreferats auszuräumen. Jetzt kündigte Kowalski an, den Vertrag mit der JPDG zu erfüllen: "Wir müssen und wir werden die Veranstaltung nun durchführen wie geplant", sagt er. Anna-Regina Mackowiak vom Vorstand des Eine-Welt-Hauses begrüßt die Entscheidung: "Wir lassen die Veranstaltung mit Freude stattfinden und sind froh, dass das Gericht so entschieden hat." Das Kulturreferat war Freitagnachmittag nicht mehr für eine Stellungnahme zu erreichen.

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