Elektromobilität:Die Autoindustrie begeht eine Dummheit nach der anderen

Elektromobilität: Autoproduktion im BMW-Werk in München.

Autoproduktion im BMW-Werk in München.

(Foto: Robert Haas)

Lange stand die Autobranche für die Leistungskraft des Landes. Das ist vorbei: Die Konzerne müssen sich neu erfinden - und machen dabei den nächsten Fehler.

Kommentar von Marc Beise

Je mehr Vergnügen du an deiner Arbeit hast, umso besser wird sie bezahlt. Das hat Mark Twain gesagt, der keine Autos gebaut, sondern Bücher geschrieben hat, schon deshalb, weil es das Auto zu Twains besten Jahren noch gar nicht gab. Als der Amerikaner allerdings starb, im April 1910, begann bereits das goldene Zeitalter des Automobils, und wenig später wurde das Fließband erfunden. Seitdem haben Autos Milliarden Menschen auf der ganzen Welt Vergnügen bereitet, und Millionen Menschen sind dafür auch gut bezahlt worden. Besonders in Deutschland, dem Land der Autoerfinder.

Gut bezahlt wird in der Branche bis heute. Nur dass das Geschäft mit dem Auto heute kein Vergnügen mehr ist.

Viele junge Menschen sagen, dass sie zum eigenen Glück kein Auto mehr brauchen, womöglich nicht mal mehr einen Führerschein. Andere, die noch Auto fahren, tun es angesichts der Klimadebatte mit schlechtem Gewissen. Die Grünen fordern das Verbot des Verbrennungsmotors bis 2030, und wenn es darüber eine Volksabstimmung gäbe, bekämen sie dafür, wer weiß, vielleicht sogar eine Mehrheit. Dabei ist der jetzt so inkriminierte Verbrennungsmotor seit jeher der deutsche Weg, ein Auto zu bewegen, mit Benzin oder Diesel als Kraftstoff. Als anderswo in der Welt schon längst auch von alternativen Antrieben die Rede war, wurde mit deutschem Ingenieursstolz weiter am Diesel herumgeschraubt, der die Welt erobern sollte, notfalls mit Lug und Betrug - bis das Ganze aufflog und das Image der Branche in den Keller stürzte.

Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Behörden ermitteln gegen Manager, Gerichte verhängen Fahrverbote, und gerade hat BMW eine Milliarde Euro zurückgelegt, um gegebenenfalls eine Strafe der Europäischen Kommission wegen verbotener Zusammenarbeit zulasten der Kunden bezahlen zu können. Daimler und VW waren zwar Partner bei den umstrittenen Geheimgesprächen, haben sich aber schnell noch selbst angezeigt. Das kann sich nach geltender Rechtslage preisgünstig auswirken. So sind heute die Sitten in der deutschen Autoindustrie: Rette sich, wer kann. Offensichtlich ist eine einstmals stolze und ehrenwerte Branche aus dem Tritt geraten, moralisch, technisch, strategisch.

Kein Wunder, dass nun Angst und Frust die Montagebänder entlangkriechen. Die Belegschaften müssen sich ernsthaft sorgen, ob ihre Jobs Bestand haben werden. Die Führungskräfte knobeln daran, wie und wo sie heute Milliarden so investieren, dass sich das morgen auszahlt. Manche von ihnen stehen mit einem oder gar beiden Beinen im Gefängnis, auch das gehört heute dazu.

Früher haben sich dieselben Manager über den angeblichen Hochstapler Elon Musk lustig gemacht, der mit dem Tesla ins E-Autozeitalter drängte. Damals schon fuhr der japanische Autokonzern Toyota von Erfolg zu Erfolg, und deutsche Taxikunden freuen sich, wenn sie am Stand einen Prius erwischen. Jetzt endlich wollen auch deutsche Konzerne Hybrid und E-Autos in die Massenfertigung nehmen - aber sorry, das dauert noch ein paar Jahre und wird sehr teuer.

Nichts entschuldigt die jahrelange Blindheit deutscher Automanager

Die Geschichte der deutschen Autoindustrie ist voller technischer Heldentaten, aber leider auch voller strategischer Dummheiten. Das hängt mit der Benzinseligkeit vieler Bürger zusammen, aber auch mit Tradition, Lebensgefühl und nationalen Zwängen. Aber nichts entschuldigt die jahrelange Blindheit und Arroganz vieler deutscher Automanager. Langsam erst begreifen sie, dass sie sich und ihre Firmen neu erfinden müssen. Jetzt rufen sie nach dem Staat, der neue Techniken subventionieren soll, beklagen, dass Stromsäulen fehlen und fordern ein neues Wettbewerbsrecht, damit sie ungeniert zusammenarbeiten können. Und machen damit schon wieder den nächsten Fehler.

Noch immer sind in der Wirtschaft jene Unternehmen am erfolgreichsten, die ihren eigenen Weg suchen. Es gibt nicht das eine, richtige Ziel, das man nun mit geballter Macht ansteuern sollte. Im Augenblick scheint der Elektroantrieb der erfolgversprechende Weg zu sein, und deshalb ist es richtig, dass die Konzerne jetzt umsteuern - ohne andere Varianten auszuschließen. Bei dem gemeinsamen Rohstoff, der Batterie, müssen sie angesichts der enormen technischen, ökologischen und finanziellen Herausforderung wohl zusammenarbeiten, um das Feld nicht anderen - China - zu überlassen. Aber ansonsten sollte jedes Unternehmen seinen eigenen Weg gehen und darf weder die Politik noch den Steuerzahler in Geiselhaft nehmen.

Findigkeit, Mut und Kreativität auf allen Ebenen bieten am ehesten die Garantie für Erfolg. Dafür die internen Strukturen zu schaffen, das muss jetzt die oberste Aufgabe der Chefs in den immer noch ziemlich hierarchisch geführten Konzernen sein. Um diese Aufgabe sind die Entscheider in der Autoindustrie nicht zu beneiden. Aber auch nicht zu bedauern: Sie haben selbst Schuld, dass alles so grausam kulminiert. Und sie werden für ihre Aufgabe immer noch fürstlich bezahlt.

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