Eisvogel bis Pelikan:Wie Starnberger Ornithologen 30.000 Beobachtungen zusammentragen

Ornithologen

Pit Brützel ist seit der Kindheit von der Vogelbeobachtung begeistert.

(Foto: Privat/oh)

Die Zoologen und Laien ärgern sich über Stand-Up-Paddler und sorgen sich um bedrohte Arten. Die Arbeitsgemeinschaft gilt als einzigartig in Bayern.

Von Armin Greune, Starnberg

Diese Fleißarbeit dürfte bayernweit einmalig sein. 100 Seiten umfasst der Jahresbericht 2018 der Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen; 200 hauptberufliche oder ehrenamtliche Naturfreunde haben etwa 30 000 Beobachtungen zusammengetragen, um die Vogelwelt im Landkreis Starnberg möglichst lückenlos zu erfassen. Das Ergebnis klingt zunächst ermutigend. 118 verschiedene Brutvögel sind im vergangenen Jahr nachgewiesen worden; zu diesen Arten mit Hauptwohnsitz im Fünfseenland kommen noch zahlreiche Überwinterer, Durchzügler oder versprengte Exoten.

Unter den heimischen Vögeln finden sich so bemerkenswerte Raritäten wie Großer Brachvogel, Bekassine, Wiesenpieper, Wendehals und Braunkehlchen - alles Arten, die auf der Roten Liste als vom Aussterben bedroht geführt werden. Weiter haben die Ornithologen gefährdete Preziosen wie Kiebitz, Bluthänfling, Blaukehlchen, Pirol und Baumfalke entdeckt. Offenbar ist die Region um Starnberger und Ammersee noch relativ reich an naturnahen Flächen und die abwechslungsreiche Landschaft mit großen Wasserflächen, Feuchtgebieten, Trockenwiesen und Wäldern bietet einer vielfältigen Vogelwelt Heimat.

Doch vor übertriebenem Optimismus sei gewarnt: Auf den großen Seen, die im Winter bis zu 20 000 Wasservögeln Quartier bieten, "bereiten uns die Störungen durch Stand-Up-Paddler und Kajakfahrer Sorgen", sagt Pit Brützel, Leiter der Arbeitsgemeinschaft. Auch bei den bedrohten Arten, die im Fünfseenland brüten, brechen Populationen offenbar immer wieder ein. So sind etwa die Beobachtungen von Uferschwalben stark zurückgegangen und die Braunkehlchen haben nur noch im Leutstettener Moos ein letztes Refugium. Im Ampermoos ist ihr Bestand auf ein Minimum seit Beginn der regelmäßigen Beobachtungen vor 20 Jahren geschrumpft und im Herrschinger Moos konnte auch 2018 kein einziges Braunkehlchen mehr nachgewiesen werden. Ebenso bleiben die Bestände der übrigen Wiesenbrüter wie Bekassine, Brachvogel und Wiesenpieper prekär. Selbst der Eisvogel, Wappentier des Landesbunds für Vogelschutz (LBV), macht wohl schwere Zeiten durch: Wie schon 2017 gab es nur sehr wenige Beobachtungen: "In strengen Wintern wie 2016/2017 verhungern sie einfach, weil sie an vereisten Gewässern nicht jagen können", erklärt Brützel. Dazu komme langfristig der Verlust an Bruträumen: Eisvögel bauen ihre Nester in Höhlen an steilen Flussufern und Prallhängen. Immerhin können sich die Ornithologen aber darüber freuen, dass 2018 erstmals wieder ein Brutpaar der Heidelerche im Landkreis Starnberg registriert wurde. Und die ebenfalls sehr seltenen Flussseeschwalben haben auf dem Brutfloß bei St. Heinrich 33 Junge durchgebracht.

"Mir ist nicht bekannt, dass es in anderen bayerischen Landkreisen ähnlich umfangreiche Beschreibungen der Vogelwelt gibt", sagt Brützel. Am Bericht waren neben "Ornis" aus der Region auch Vogelbeobachter beteiligt, die dort ihren Urlaub verbrachten. Vor fünf Jahren ist die Arbeitsgemeinschaft Starnberger Ornithologen gegründet worden, inzwischen zählt sie etwa 50 Aktive. Das Interesse an der Vogelwelt ist im Fünfseenland besonders hoch, wie die immer stärkere Beteiligung bei Zählaktionen wie der "Stunde der Wintervögel" des LBV zeigt. Und mehr als anderswo setzen sich die Bewohner für den Erhalt der Rückzugsgebiete gefährdeter Tiere und Pflanzen ein, wie beim Volksbegehren gegen das Artensterben deutlich wurde.

Bei der Arbeitsgemeinschaft handelt es sich um einen lockeren Zusammenschluss aus Laien und Zoologen, die nicht nur der reinen Freude beim Aufspüren seltener Vögel frönen, sondern auch zum Kenntnisstand ökologischer Zusammenhänge beitragen wollen. Ihre Beobachtungen geben sie auf der Internet-Plattform www.ornitho.de ein, die Angaben werden zur Qualitätssicherung geprüft, als Regionalkoordinator übernimmt Brützel diese Aufgabe. Bei manchen Arten, die auch rücksichtslose Vogelbeobachter, -fotografen oder gar Wilderer anziehen könnten, werden Beobachtungen verschlüsselt eingegeben: Horste von Greifvögeln, Uhus oder Schwarzstörchen etwa müssen vor Störungen geschützt bleiben. In den Jahresbericht fließen die Daten verschiedener Monitoring- und Kartierungsprojekte ein, wie der internationalen Wasservogelzählung am Starnberger See oder Schlafplatzzählungen von Kormoranen oder Kornweihen.

Außer zum Aufspüren und Registrieren von Vögeln treffen sich die "Ornis" des Landkreises regelmäßig zu Fachvorträgen und Exkursionen. Im Sommer 2018 rief die Arbeitsgemeinschaft das "Starnbirdrace" ins Leben: Statt innerhalb von 24 Stunden möglichst viele Vogelarten wie in herkömmlichen Birdraces in konkurrierenden Teams zu entdecken, wurde im Fünfseenland gemeinsam eine möglichst umfangreiche Artenliste erstellt. Zur Premiere am 30. Juni gelang es den zehn Beteiligten, 91 Arten - darunter Raritäten wie Wespenbussard, Brandgans und Sturmmöwe - aufzuspüren.

Für Brützel ist Vogelbeobachtung "eine richtige Leidenschaft, die schon im zarten Alter von zehn geweckt worden ist". Meist geht der 63-jährige Kraillinger in den frühen Morgenstunden auf die Pirsch, wenn das Vogelkonzert einsetzt, denn viele Arten lassen sich eher akustisch als optisch im wahrsten Sinn des Worts bestimmen. Immer wieder nimmt Brützel aber auch zu langschläferfreundlicheren Zeiten interessierte Laien auf Führungen des LBV-Kreisverbands mit. Er ist auch einer der Dozenten im fünfteiligen Vogelbestimmungskurs der VHS Starnberg: Jüngst führte der Mathematiker im Ruhestand mit zwei Mitstreitern 20 Teilnehmer vom Strandbad Feldafing zur Roseninsel: "Als besonderes Highlight haben wir eine Moorente gesehen."

Der komplette Jahresbericht steht im Internet unter www.starnberg.lbv.de/ornithologie/jahresbericht-2018.

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