Dieselskandal:Winterkorn attackiert Staatsanwälte

Ermittler in Braunschweig wollen den ehemaligen VW-Chef in der Diesel-Affäre vor Gericht bringen. Der Manager beklagt, dass er sich zu den Vorwürfen nicht ausreichend habe äußern können.

Von Klaus Ott

Dieselskandal: Martin Winterkorn hatte stets beteuert, er habe von den Abgasmanipulationen bei VW nichts gewusst – auch als Zeuge im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Januar 2017. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht das anders, ihm droht im Falle einer Verurteilung eine harte Strafe.

Martin Winterkorn hatte stets beteuert, er habe von den Abgasmanipulationen bei VW nichts gewusst – auch als Zeuge im Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages im Januar 2017. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig sieht das anders, ihm droht im Falle einer Verurteilung eine harte Strafe.

(Foto: Michael Sohn/AP)

Dreieinhalb Jahre nach Enthüllung der Abgasmanipulation bei VW durch US-Behörden liegt nun auch eine erste Anklage in Deutschland vor. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig will den früheren Konzernchef Martin Winterkorn und vier weitere Beschuldigte wegen eines besonders schweren Falles von Betrug und anderer mutmaßlicher Gesetzesverstöße vor Gericht bringen. Das teilte die Staatsanwaltschaft am Montag mit. In den USA waren zuvor bereits mehrere VW-Manager angeklagt oder verurteilt worden.

Nach Bekanntwerden der Anklage attackierte Winterkorn über seinen Verteidiger die Staatsanwälte scharf. Rechtsanwalt Felix Dörr erklärte, es sei Anklage erhoben worden, ohne dem früheren VW-Chef Gelegenheit zu geben, "alle Akten des Verfahrens zur Kenntnis zu nehmen" und sich zu deren Inhalt ausreichend zu äußern. Die Staatsanwaltschaft habe zuletzt vor zehn Tagen, am 5. April, eine DVD mit etwa 300 Ordnern Material übersandt. Den Antrag der Verteidigung, Gelegenheit zur Durchsicht der Unterlagen sowie zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung zu geben, habe die Staatsanwaltschaft ignoriert.

Die Ermittler in Braunschweig sind auf diverse Indizien gestoßen, dass Winterkorn in den 16 Monaten vor dem Auffliegen der Diesel-Affäre Bescheid gewusst, aber nichts unternommen haben soll, um den mutmaßlichen Betrug zu beenden. Außerdem haben mehrere damalige Manager und Mitarbeiter von VW, gegen die ebenfalls ermittelt wird, Winterkorn schwer belastet. Die Mitbeschuldigten schilderten mehrere Treffen, bei denen Winterkorn informiert worden sei.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig teilte mit, Winterkorn habe es seit dem 25. Mai 2014 unterlassen, "nach Kenntnis der rechtswidrigen Manipulationen an Diesel-motoren diese gegenüber den zuständigen Behörden in Europa und den USA sowie gegenüber den Kunden offenzulegen". Auch habe er den weiteren Einbau von sogenannten Abschalteinrichtungen in den Fahrzeugen und den Verkauf dieser Autos nicht untersagt. Dadurch sei es sowohl in Deutschland als auch in den USA zur Verhängung "deutlich höherer Geldbußen" gegen VW gekommen. Diese gehen in die Milliarden.

Winterkorn hatte im September 2015 kurz nach der Enthüllung der Manipulationen als Vorstandschef bei VW gehen müssen. Er hatte seitdem wiederholt seine Unschuld beteuert und erklärt, er habe nichts davon gewusst, dass die Behörden in den USA und anderswo mit falschen Abgaswerten bei Diesel-Fahrzeugen getäuscht worden seien. Winterkorn droht im Falle einer Verurteilung nicht nur eine harte Strafe. Er müsste dann auch mit hohen Schadenersatzforderungen von VW rechnen. Der Aufsichtsrat von VW käme dann nicht darum herum, gegen Winterkorn vorzugehen.

Neben Winterkorn werden ein ehemaliger hochrangiger Konzernmanager sowie mehrere Ingenieure beschuldigt. Ob es zum Prozess kommt, muss die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Braunschweig entscheiden. Dort können die Angeschuldigten im Zwischenverfahren versuchen, die Anklage so weit zu entkräften, dass das Gericht von einem Prozess absieht.

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