Afrika:Warum Merkels Engagement nicht unbedingt für Entwicklung sorgt

'Compact with Africa'-Konferenz in Berlin

Kanzlerin Merkel vergangenen Oktober bei der "Compact with Africa"-Konferenz mit Paul Kagame (l), dem Staatspräsidenten von Ruanda, und Cyril Ramaphosa, dem Staatspräsidenten von Südafrika.

(Foto: dpa)
  • Afrika ist ein Schwerpunkt von Merkels Außenpolitik geworden.
  • Doch gerade in der Sahel-Region zeigt sich, dass ein verstärktes Engagement Deutschlands nicht mit einer Verbesserung der Situation vor Ort einhergeht.
  • Der größte entwicklungshemmende Faktor ist die instabile Sicherheitslage - vor allem in der Sahel-Region.

Von Nico Fried

Ein paar Zahlen machen deutlich, wie sich Angela Merkels Aufmerksamkeit für Afrika verändert hat. Zwischen Juli 2011 und Oktober 2016 setzte die Kanzlerin mehr als fünf Jahre lang keinen Fuß auf den Boden eines afrikanischen Landes. Nachdem die Migrationspolitik 2015 in den Vordergrund gerückt war, änderte sich das nahezu schlagartig: Wenn Merkel Ende dieser Woche, vorbehaltlich etwaiger Probleme der Flugbereitschaft, von einer dreitägigen Reise durch Burkina Faso, Mali und Niger zurückkehrt, hat sie in zweieinhalb Jahren insgesamt zwölf afrikanische Staaten besucht, drei davon sogar zweimal.

Afrika ist ein Schwerpunkt von Merkels Außenpolitik geworden. Und fast drängt sich die Faustregel auf: Je ärmer ein Land, desto mehr Beachtung schenkt ihm die Kanzlerin. Im Bericht der Vereinten Nationen zur menschlichen Entwicklung belegen Mali Rang 182, Burkina Faso Rang 183 und Niger den letzten Platz (189). Doch den nigrischen Präsidenten Mahamadou Issoufou trifft Merkel am Donnerstag nicht nur zum zweiten Mal in Niamey, sie begegnete ihm in den vergangenen Jahren auch auf dem EU-Afrika-Gipfel in Abidjan und bei einem internationalen Friedenstreffen in Münster, sie sprach mit ihm in Paris, empfing ihn auf Schloss Meseberg - und dazu schon zweimal im Kanzleramt.

Doch gerade in der Sahel-Region zeigt sich, dass ein verstärktes Engagement Deutschlands und der Europäer insgesamt nicht zwangsläufig gleichbedeutend ist mit einer umfassend besseren Entwicklung. Neben den ökonomischen Problemen der Region verschlechtere sich vor allem die Sicherheitslage seit vielen Jahren, berichtet der Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Bamako, Thomas Schiller. Verantwortlich seien islamistische Terrorgruppen, es gebe aber auch ethnische Konflikte und Armutskriminalität. In manchen Regionen sei die Präsenz des Staates nicht zusammengebrochen, sagt Schiller - es habe sie nie gegeben.

In Burkina Faso hat sich die Zahl der Anschläge massiv erhöht

Im Norden Burkina Fasos, wo Merkel am Mittwoch mit militärischen Ehren empfangen wurde, hat sich die Zahl der Anschläge zuletzt massiv erhöht. Erst am Sonntag starben bei einem Angriff auf eine evangelische Kirche Angaben französischer Medien zufolge sechs Menschen. In Mali, wo Merkel am Donnerstag in Gao das derzeit etwa 850 Soldaten umfassende Bundeswehr-Kontingent der UN-Mission Minusma besucht, hat es wiederholt Angriffe auf Stützpunkte auch ausländischer Sicherheitskräfte gegeben. Im Februar kamen nahe der Stadt Koulikoro zwei Menschen ums Leben - der Anschlag galt dem Camp einer EU-Mission zur Ausbildung malischer Streitkräfte, in der auch 160 deutsche Soldaten arbeiten. Sie soll nun auf andere Staaten erweitert werden. Die Kapazitäten dafür sind angeblich auch deshalb vorhanden, weil die malischen Soldaten so stark von Einsätzen im Land gefordert werden, dass ihnen für die Fortbildung gar keine Zeit bleibt.

Am stabilsten erscheint die Lage noch in Niger. Deutschland hat seine finanzielle Unterstützung für das Land erhöht, sie umfasst mittlerweile rund 200 Millionen Euro. Das hat nicht zuletzt mit Entwicklungsprojekten zu tun, in denen Schleusern alternative Erwerbsmöglichkeiten geboten werden sollen. Niger ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten. Die Zahl der Menschen, die es nach Libyen schaffen, soll inzwischen gesunken sein, weil die Regierung gegen die Schleuser vorgeht - der Erfolg der Hilfsprojekte ist dagegen umstritten.

24 Millionen Euro aus Deutschland sind bisher auch in die 2017 gegründete "Force Conjointe" der fünf Sahel-Staaten Mali, Niger, Burkina Faso, Tschad und Mauretanien geflossen. Sie steht für den Versuch des sogenannten G5-Sahel-Verbundes, grenzüberschreitende Probleme in der Sicherheitspolitik gemeinsam zu bekämpfen. Die Eingreiftruppe verfügt über 5000 Soldaten - eine überschaubare Zahl angesichts einer Fläche der fünf Sahel-Staaten, die größer ist als die EU.

Wie weit soll die militärische Unterstützung gehen?

Die Sicherheitslage hemmt die Entwicklung: Burkina Fasos Präsident Roch Marc Kaboré schilderte Merkel bei seinem Besuch im Februar, dass Schulen wegen Terrorgefahr schließen müssen. Viele Menschen, sagt Thomas Schiller von der Adenauer-Stiftung, hätten bei staatlichem Handeln nie den Eindruck: Das bringt mir was. Doch wie weit soll die militärische Unterstützung gehen? Muss man auch über Waffenlieferungen nachdenken, wie für die irakischen Kurden im Kampf gegen den IS?

Vor gut einem Jahr stellte Merkel die Frage nach militärischer Unterstützung ausgerechnet auf dem Katholikentag in Münster. Sie habe, erzählte die Kanzlerin, sich von Präsident Issoufou "bittere Vorwürfe" anhören müssen: Er habe viele terroristische Bedrohungen und wenig Geld. "Aber ohne Sicherheit kann ich keine Entwicklung betreiben", zitierte Merkel den Präsidenten. Sehr viel anders wird sich das auch am Donnerstag nicht anhören.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir den Katholikentag 2018 fälschlicherweise in Dresden verortet. Er fand jedoch vom 9. bis 13. Mai 2018 in Münster statt. In der sächsischen Landeshauptstadt wurde er zuletzt 1994 ausgerichtet.

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