Proteste:Von '68 bis Fridays for Future

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Illustration: Sead Mujic/SZ

Gegen die Globalisierung, für den Umweltschutz, gegen Fremdenhass: Wofür, von wem und in welcher Form in Deutschland protestiert wurde, hat sich stark verändert. Ein Überblick in Grafiken.

Von Sead Mujic, Sarah Unterhitzenberger, Benedict Witzenberger und Moritz Zajonz

Es war Empörung, die Hunderttausende Menschen an einem grauen Samstag im Februar 2003 auf die Straße trieb. Aus ganz Deutschland reisten Demonstranten nach Berlin, um gegen den Irak-Krieg zu protestieren. Mehr als eine halbe Millionen Menschen waren laut Polizei auf der Straße des 17. Juni, die Veranstalter zählten sogar noch mehr. Damit ist die Demo bis heute eine der größten der deutschen Geschichte. Fast genauso viele Menschen protestierten Anfang der 1980er Jahre gegen den NATO-Doppelbeschluss in Bonn.

"Frieden" ist seit Mitte der 1970er Jahre eines der dominierenden Oberthemen, die sich je nach politischer Lage wandeln. In den 60er Jahren gingen besonders viele Menschen für mehr Demokratie auf die Straße, später kamen Umweltschutz, Migration und Globalisierung als wichtige Themen hinzu. (Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version der Grafik war der 4. November 1989 nicht eingezeichnet. Wir haben ihn ergänzt.)

Eine Zeit lang schien es, als wäre die Zeit der Großdemos vorbei. Seit einigen Jahren aber gehen wieder mehr und mehr Menschen auf die Straße. Zum Beispiel 2018, als 240 000 Teilnehmer unter dem Motto "#unteilbar" in Berlin für eine offene Gesellschaft demonstrierten. Nicht nur in Berlin, auch in anderen großen Städten Deutschlands ist die Zahl der Versammlungen im Vergleich zu Mitte der 2000er in den vergangenen Jahren deutlichen angestiegen. Leipzig etwa verzeichnete die meisten Demos 2015: Aktivisten von "Legida" und deren Gegner trieben die Zahl der Proteste damals in die Höhe.

Protest funktioniert nicht nur auf der Straße: Jedes Jahr reichen tausende Menschen eine Petition beim Bundestag ein, um Gesetzesänderungen vorzuschlagen oder auf einen Missstand hinzuweisen. Mit der Petition müssen sich der zuständige Bundestagsausschuss und im weiteren Verlauf das entsprechende Ministerium oder eine andere Bundesbehörde auseinandersetzen. Gelingt es dem Ersteller der Petition in vier Wochen mindestens 50 000 Unterschriften zu sammeln, kann sie oder er das Anliegen vor dem Ausschuss persönlich vortragen.

Doch diese Art von Petitionen scheinen nicht mehr so viele Menschen zu begeistern. Das sah kurz nach der Wiedervereinigung noch ganz anders aus: Mit knapp 24 000 Neueingängen im Jahr 1992 lag die Zahl damals fast doppelt so hoch wie zuletzt 2018. 40 Prozent der Petitionen kamen damals aus den neuen Bundesländern. 2005 kam es noch einmal zu einem Hoch, als die Petitionen auch elektronisch eingereicht werden konnten.

Mittlerweile herrscht geradezu ein Verdrängungswettbewerb: Auch nicht-staatliche Anbieter wie Change.org, Openpetition oder Avaaz bieten Bürgern die Möglichkeit, im Internet Unterstützer für ein Vorhaben zu gewinnen. Rechtliche Wirkung hat eine solche Online-Petition aber nicht, sie funktioniert in der Praxis eher wie ein offener Brief. Nur die direkte Petition an den Bundestag startet ein offizielles Verfahren.

Im Jahr 2018 waren es vor allem Männer, die Petitionen eingereicht haben: Beschränkt man sich auf die Einreichungen von natürlichen Personen, haben Männer diese Möglichkeit fast dreimal so häufig genutzt wie Frauen.

Petitionen und Straßendemos sind nur zwei von zahlreichen Möglichkeiten, zu protestieren. Deutschlandweit haben sich Rentner über Facebook-Gruppen koordiniert und E-Mail-Bombing organisiert, weil sie sich vom Staat betrogen fühlen. Eine junge Klimaaktivistin blockiert Kreuzfahrtschiffe und Kohlekraftwerke. Die Volontäre der Süddeutschen Zeitung sind in einer Sonderausgabe des Gesellschaftsteils unter anderem diesen Geschichten nachgegangen:

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:Schwerpunkt Protest

Ein Rentner kämpft gegen die Regierung, eine Aktivistin blockiert den Zugang zu einem Kraftwerk - und wird auf Millionen verklagt. Und wofür würden eigentlich Mittelschüler auf die Straße gehen?

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