G-7-Gipfel:Verbündete ohne Gemeinsamkeiten

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Vor Treffen mit Merkel stänkert Trump gerne. (Archivbild) (Foto: AFP)
  • Vor dem G-7-Gipfel in Frankreich ist nicht ganz klar, welche Werte die G 7 noch verbinden.
  • Nach den negativen Erfahrungen von 2018 wird es diesmal keine gemeinsame Abschlusserklärung geben.
  • Kanzlerin Merkel hat vor allem wegen des Konjunkturabschwungs viel zu bereden. Vier der sechs größten Handelspartner Deutschlands sind in den G 7.

Von Cerstin Gammelin, Biarritz

Bundeskanzlerin Angela Merkel kann sich bei US-Präsident Donald Trump mindestens auf eines verlassen: Steht ein Treffen der beiden bevor, mosert Trump im Netz gegen Deutschland. Zu viele deutsche Autos auf amerikanischen Straßen, zu wenig deutsches Geld für die Nato. Vor dem G-7-Gipfel an diesem Wochenende im südfranzösischen Badeort Biarritz hat er eine weitere Ungerechtigkeit entdeckt. "Deutschland bezahlt keine Zinsen und erhält Geld, wenn es Staatsanleihen ausgibt, während die USA, die viel stärker und wichtiger sind, Zinsen zahlen müssen", twittert er am Donnerstag. Da hat er festgestellt, dass die Bundesrepublik Geld von Investoren erhält für eine Staatsanleihe, die 30 Jahre läuft. Aus seiner Sicht eine klare Benachteiligung seines eigenen Landes.

Auch wenn Merkel solcherart Einlassungen seit zwei Jahren gewöhnt ist, dürften sie stets ein eigentümliches Gefühl auslösen. Die Kanzlerin hat die G 7 immer als Wertegemeinschaft verstanden. Jetzt sind sie auf einmal Konkurrenten, die sich bekämpfen? Es werde "insgesamt kein leichter Gipfel", sagt ein Regierungsvertreter am Freitag. Das dürfte nicht nur Trumps Tweet geschuldet sein. Sondern der Tatsache, dass die Abkehr der USA von globalen Verträgen sowie wachsende außen- wie geopolitische Krisen mit Iran, Hongkong oder Russland immer stärker Aufschwung und Wohlstand gefährden.

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Die Konjunktur hat an Schwung verloren. Im Land des Exportgroßmeisters Deutschland ist das besonders deutlich zu spüren. Die Unternehmen melden weniger Auftragseingänge, es gibt Meldungen über Kurzarbeit, eine Rezession ist nicht auszuschließen. Im Juli sind erstmals seit Jahren die Steuereinnahmen gesunken. Die Bundesregierung spricht noch von einer "Konjunkturdelle", was nicht nach Krise, sondern beruhigend klingt, so wie: Das wird schon wieder.

Es ist ein Versprechen, das Merkel bei den Gesprächen in Biarritz im Kopf haben wird. Multilateralismus, also allseits geöffnete freie Märkte, das ist auch die Grundlage der deutschen Exportindustrie. Sie ist mehr als andere Volkswirtschaften auf ein gutes globales Handelsklima angewiesen. In Biarritz gibt es für Merkel also viel zu besprechen: Unter den sechs größten Handelspartnern der Bundesrepublik sind vier aus dem Klub der G 7.

Die USA und Großbritannien sind die größten Exportmärkte für deutsche Autobauer. Ausgerechnet dort ist vieles ungewiss. Großbritannien droht ohne Abkommen aus der Europäischen Union auszuscheiden. Dem neuen britischen Premier Boris Johnson eilt der Ruf eines Clowns voraus; er hat nur eine knappe Mehrheit hinter - aber das verdammte Brexit-Problem vor sich. Die USA drohen mit Zöllen auf Autoimporte. Trump hat sich als Egozentriker etabliert, der global stets der Erste sein will. Es komme nicht nur darauf an zu gewinnen, man müsse mit großem Abstand gewinnen, twittert er vor seiner Abreise an die französische Atlantikküste. Das lässt nichts Gutes hoffen für das geplante bilaterale Treffen mit Merkel.

Deutschlands zweitgrößter Handelspartner China sitzt in Biarritz nicht mit am Tisch - ist aber im Raum. Eskaliert der Handelskrieg zwischen den USA und China, wird das in den Auftragsbüchern deutscher Firmen zu spüren sein. Die europäische Wirtschaft warnt vor weiterer Eskalation. "Wir fordern die G 7 auf, unverzüglich die Spannungen zu beseitigen, um Investoren zu beruhigen", verlangt der Verband der Europäischen Industrie. Wohl nicht zu Unrecht: Kurz vor dem Treffen kündigt China neue Zölle auf US-Importe im Umfang von 75 Milliarden Dollar an. Und in der Nacht von Freitag auf Samstag eröffnet Donald Trump die nächste Runde im Handelsstreit. Der Zollsatz von bislang mit 25 Prozent besteuerten chinesischen Waren soll auf 30 Prozent steigen, teilt der Präsident auf Twitter mit. Andere Importe sollen mit 15 Prozent Zoll belegt werden.

Einzelne Erklärungen mit Gastländern

Noch nie war vor einem Gipfel der westlichen Verbündeten so viel ungewiss. Auf dem G-7-Treffen in Kanada 2018 war zwar erstmals deutlich geworden, dass die Wertegemeinschaft des Westens gespalten ist; Trump hatte sich im Nachhinein von der mühsam verabschiedeten Gipfelerklärung distanziert - und seinen globalen Handelskrieg gestartet. Manche sprachen damals schon vom Anfang vom Ende der westlichen Allianz. Ein Jahr später sind die strittigen Themen mehr geworden; vor allem aber weiß man nicht genau, was die sieben überhaupt noch eint.

Die Spaltung spiegelt sich darin wider, dass es erstmals in der jüngeren Geschichte der G 7 keine gemeinsame Abschlusserklärung geben soll. Ein solches Dokument sei "nicht absehbar", sagte ein deutscher Regierungsvertreter. Gastgeber Emmanuel Macron hat eine reine G-7-Erklärung nach den Erfahrungen von 2018 bereits ausgeschlossen. Geben soll es stattdessen Erklärungen zu einzelnen Themen, die die G 7 mit extra eingeladenen Gastländern wie Australien, Indien oder Chile sowie afrikanischen Staaten aushandeln; etwa zum Schutz der Ozeane, der Gleichberechtigung von Frauen oder für künstliche Intelligenz. Es sieht so aus, als ob den Verbündeten der westlichen Welt die Gemeinsamkeiten ausgehen.

© SZ vom 24.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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