Freizeit und Kultur:Münchens digitaler Rentnertreff

Seniorin und Telefon

Das Angebot für Senioren in München wird in einer Datenbank gesammelt - und ist auch mit dem Smartphone schnell abrufbar.

(Foto: dpa)

Mehr als 20 000 Veranstaltungen gibt es jedes Jahr für Senioren - ein riesiges Angebot, von dem aber kaum einer weiß. Nun soll eine neue Webseite für mehr Überblick sorgen.

Von Sven Loerzer

Surfen für Senioren auf der Eisbachwelle? Könnte durchaus sein, dass es dazu ein Kursangebot gibt. Aber ganz einfach zu finden wäre ein solches Freizeitangebot für Senioren nicht: Ob es eines der 32 Münchner Alten- und Servicezentren organisiert? Um das herauszubekommen, müsste man 32 Programmhefte durchblättern. Vielleicht die Volkshochschule? Oder doch ein Sportverein? Die mühselige Suche nach Freizeit- und Kulturangeboten für Senioren soll nächstes Jahr ein Ende haben: Eine benutzerfreundliche Datenbank mit eigener Website soll die Suche vor allem auch nach kostenfreien und kostengünstigen Aktivitäten im Alter erleichtern.

Noch nutzen viele Rentner die Programmhefte. Es gibt sogar einen Rentner, der nicht nur alle 32 Alten- und Servicezentren kennt, sondern die Hefte alle einsammelt, um sich herauszupicken, was ihn besonders interessiert. Doch weil immer mehr Menschen, die jetzt in Rente gehen, den Umgang mit Computer und Internet gewohnt sind, sei es an der Zeit, auch die Digitalisierung in den Alten- und Servicezentren voranzutreiben, sagt SPD-Stadträtin Anne Hübner. Der Stadtrat hatte deshalb im vergangenen Herbst auf Antrag der SPD in großer Einigkeit beschlossen, eine zentrale Koordinierungsstelle für kostengünstige und kostenfreie Kultur- und Freizeitangebote für Senioren einzurichten. Die Arbeiterwohlfahrt (Awo) erhielt den Auftrag, eine benutzerfreundliche Datenbank aufzubauen, aber auch die Öffentlichkeitsarbeit in Printform zu stärken.

Die 1,5 Vollzeitstellen, die der Stadtrat dafür bewilligte, teilen sich seit Mitte März Lucia Russo und Sven Beck. Für die Pionierarbeit, die es zu leisten gilt, um das Angebot von rund 20 000 Veranstaltungen allein der Alten- und Servicezentren besser zugänglich zu machen, dürfte es keine idealere Kombination geben: Die Sozialpädagogin Lucia Russo hat sich zwölf Jahre lang im Alten- und Servicezentrum (ASZ) Obergiesing um den offenen Bereich, Programm und Veranstaltungen gekümmert. Sven Beck war in der freien Wirtschaft in der Informatik tätig, bevor er Sozialarbeit studierte. Für den Aufbau einer Website bringt er gute Voraussetzungen mit.

"Es gibt unendlich viele Angebote für Senioren in der Stadt", sagt Renate Seibt, Referentin für die offene Seniorenbetreuung bei der Arbeiterwohlfahrt. "Man verliert sich auf den Internetseiten." Man müsse sich durch pdf-Dateien von 20 bis 60 Seiten Länge arbeiten, um das zu finden, was einen interessiert", sagt Beck. Der Kreis der Interessenten ist sehr unterschiedlich: "Das Alter reicht von 55 bis 90 Jahre. Die Generation 80+ erreichen wir nicht über das Internet. Wir müssen deshalb das Printangebot weiterführen", betont Russo.

Für die Anforderungen an die Datenbank haben Beck und Russo ein sogenanntes Lastenheft erstellt. Auf 24 Seiten beschreibt es die digitale Zukunft der Seniorenangebote: So soll beispielsweise die Suche nach Veranstaltungen, die kostenlos oder kostengünstig sind, möglich sein, stadtweit oder auch nach Stadtbezirk. Die Angebote sollen sich filtern lassen nach Termin und Uhrzeit - denn die Erfahrung zeigt, dass viele ältere Menschen abends nur ungern das Haus verlassen. Die Veranstalter sollen ihre Daten selbst einpflegen. Das Konzept für die Datenbank ist sehr umfassend angelegt, so soll jedes ASZ die Möglichkeit erhalten, sein Angebot darzustellen.

Die Rubrik "Gut zu wissen bei kleinem Einkommen" soll einen Überblick geben, welche Vergünstigungen existieren, aber auch die Inhalte der Broschüre "Günstiger leben in München" präsentieren. Wenn demnächst der Auftrag für den Aufbau der Website an einen Dienstleister vergeben wird, soll es bereits im Januar eine Testversion geben. Anne Hübner blickt noch weiter in die Zukunft: Die Stelle, bisher im ehemaligen Awo-Sozialzentrum Giesing, sollte dann in ein zentral gelegenes Ladengeschäft ziehen, wo ältere Menschen sich dann auch - wie in einem Reisebüro - zur Freizeitgestaltung beraten lassen können.

Für diejenigen, die jetzt in Rente gehen, sei das "eine tolle Sache", freut sich Christine Richter, 72, Vorsitzende des Awo-Ortsvereins Maxvorstadt-München-Mitte. Für die etwa 220 Senioren stellt sie ehrenamtlich regelmäßig ein Freizeitangebot zusammen, von Vorträgen bis hin zu Ausflügen, bislang verschickt per Post. In dieser Woche war sie gerade mit 51 Senioren in Salzburg und am Mondsee. Die Aktivitäten müssten zum Alter passen. Für 80- bis 90-Jährige tauge statt einer Wanderung auf eine Alm besser ein Spaziergang durch einen Park. Weil nicht wenige Senioren knapp bei Kasse sind, sollte das Angebot kostengünstig sein. Das gelingt bei Vorträgen, weil oft die Referenten auf Honorar verzichten. Schon die 15 Euro für einen Platz im Ausflugsbus könne nicht jeder zahlen.

Zur Kirchweih geht es nach Aichach, zum Advent nach Salzburg und Schloss Hellbrunn. Mit Essen und Getränken könne so ein Ausflugstag locker 40 Euro kosten. "Das ist ziemlich genau der Betrag, der bei der Grundsicherung im Alter für die Nutzung von Freizeit- und Kulturangeboten vorgesehen ist - pro Monat", sagt Anne Hübner. Über die Koordinierungsstelle soll es künftig auch mehr Möglichkeiten geben, Menschen, die sich wenig leisten können, zu unterstützen. Eng wollen Russo und Beck auch mit dem Verein Kulturraum zusammenarbeiten, der kostenfrei Tickets für Veranstaltungen vermittelt.

"Persönliche soziale Kontakte sind für ältere Menschen das Wichtigste", davon ist Christine Richter überzeugt. "Sie brauchen ein Ziel, wo sie hingehen können. Ich treffe mich mit meinen Senioren im Alten Nördlichen Friedhof", sagt sie und lacht. Dort, direkt angrenzend, steht die Seniorentagesstätte der Arbeiterwohlfahrt.

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