Europäische Union:Pariser Bremsmanöver

Emmanuel Macron, Abdalla Hamdok

EU-Partner kritisieren ihn, weil sie es riskant finden, mit Albanien und Nordmazedonien nicht zumindest über den EU-Beitritt zu reden: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.

(Foto: Thibault Camus/AP)

Frankreichs Präsident Macron blockiert die Beitrittsgespräche mit Nordmazedonien und Albanien. Er könnte dafür auch innenpolitische Gründe haben. Aber Deutschland und andere EU-Partner halten das für das falsche Signal an die Westbalkanländer.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Die Europaminister haben sich bei ihrem Treffen in Luxemburg nicht darauf einigen können, Gespräche über einen EU-Beitritt mit Nordmazedonien und Albanien aufzunehmen. Der größte Widerstand gegen diese Entscheidung kommt aus Paris. Frankreich hält die Reformfortschritte in beiden Ländern für unzureichend und verknüpft seine Zustimmung mit einer grundsätzliche Reform des Beitrittsprozesses. Für eine Aufnahme ist Einstimmigkeit erforderlich. Paris kritisiert etwa, dass der Beitrittsprozess zu technisch sei und bei problematischen Entwicklungen nur schwer gestoppt werden könne.

Bei seiner Ankunft in Luxemburg kritisierte Europastaatsminister Michael Roth Frankreichs Blockade scharf. "Wir sind sehr enttäuscht darüber, dass wir nicht das einzuhalten in der Lage sind, was wir mehrfach versprochen haben", sagte der SPD-Politiker und spielte darauf an, dass die Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel im Juni bereits eine entsprechende Entscheidung für Oktober angekündigt hatten. Die Kommission hatte im Mai, kurz nach der Europawahl, Albanien und Nordmazedonien bestätigt, die geforderten Fortschritte gemacht zu haben. Sollte es der EU nicht gelingen, die Präsenz im westlichen Balkan zu erhöhen, droht aus Sicht Roths und vieler Experten dort ein politisches Vakuum, das von Staaten gefüllt werden könnte, die mit Demokratie und Rechtsstaat "wenig im Schilde" führen würden. Damit dürfte Roth China, Russland und die Türkei meinen, die in der geostrategisch wichtigen Region aktiv sind.

Es wird nun erwartet, dass das Thema Erweiterung von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim deutsch-französischen Ministerrat in Toulouse am Mittwoch ebenso angesprochen wird wie beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Hier dürften viele Macrons Haltung kritisieren und ihn bitten, grünes Licht zu geben. Anfang Oktober hatten die Präsidenten des Europaparlaments, des Europäischen Rats und der EU-Kommission in einem Brief für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen plädiert und dies auch damit begründet, dass die EU zeigen müsse, dass sie "ihre Versprechen" halte. Auch die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls am Gipfel teilnimmt, hat den Appell unterschrieben und den Wunsch geäußert, "die Westbalkanstaaten so eng wie möglich an die EU" zu binden.

Unterstützung für die Blockadehaltung gegenüber Albanien erhält Paris von Dänemark, Spanien und den Niederlanden; das dortige Parlament lehnt die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Tirana bisher explizit ab. Für die Idee, Albanien vom reformfreudigeren Nordmazedonien zu trennen, findet sich auch keine Mehrheit.

In Berliner Regierungskreisen verweist man darauf, dass der Bundestag bei seinem "Okay" im September einen guten Weg gefunden habe. Die Abgeordneten gaben das politisch wichtige Signal, machten im Falle Albaniens deutlich, welche weiteren Auflagen zu erfüllen sind. Macrons Position, die in Brüssel mit wahltaktischen Gründen und aus Sorge vor einer Auseinandersetzung mit Marine Le Pen erklärt wird, stößt in Berlin auf Unverständnis: "Um eine Aufnahme dieser Länder wird es doch ohnehin erst in vielen, vielen Jahren gehen." Man sei bereit, mit Paris eine Reform des Verfahrens voranzutreiben, doch zuvor sei das politische Signal nötig.

Kritik an Paris kommt auch aus dem EU-Parlament. Die Blockadehaltung Frankreichs, insbesondere im Hinblick auf Nordmazedonien, sei nicht nachvollziehbar, sagt David McAllister (CDU). Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses lobt das Land für wichtige Reformfortschritte und die Lösung des historischen Namensstreits mit Griechenland: "Im Interesse der Stabilität des westlichen Balkans und der gesamten EU sollten sich diese Anstrengungen auszahlen."

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