"Green Deal" der EU:Ein Anfang, mehr nicht

Von der Leyen Green Deal

Von der Leyen bei der Vorstellung des "Green Deal".

(Foto: REUTERS)

Zu Recht rückt Ursula von der Leyen die Klimapolitik ins Zentrum ihrer Politik - aber Aufbruchstimmung kann die Kommissionspräsidentin noch nicht erzeugen. Die Widerstände in der EU sind groß.

Kommentar von Karoline Meta Beisel

Wer von Ursula von der Leyen und ihrem "European Green Deal" eine knappe Formel dazu erwartet hatte, wie die Europäische Union den Klimawandel künftig bekämpfen will, ist am Mittwoch enttäuscht worden. Stattdessen präsentierte die neue Präsidentin der EU-Kommission eine Liste mit 50 grob umrissenen Vorhaben von A wie Aufforstung bis Z wie Zertifikatehandel, dazu jeweils Jahreszahlen, die zeigen, bis wann das alles geschehen soll. Beobachter sprachen spöttisch von einer "Einkaufsliste". Zusammen sollen alle Zutaten dazu beitragen, die EU bis 2050 klimaneutral werden zu lassen. Doch rechte Aufbruchstimmung kam nach von der Leyens Präsentation noch nicht auf.

Mehr Anstrengungen sind dringend nötig. Bleibt die EU auf ihrem bisherigen Kurs, wird es nicht gelingen, das im Pariser Klimaübereinkommen gesteckte Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Zu Recht hat Ursula von der Leyen den Kampf gegen den Klimawandel in das Zentrum ihrer Präsidentschaft gestellt. Gelingt es nicht, die Erderhitzung zu stoppen, dürften die wirtschaftlichen und menschlichen Folgen die Europäische Union noch viel stärker belasten als die Kosten für die Umsetzung des Klimapakets.

Trotzdem könnte die Enttäuschung groß sein, wenn in fünf Jahren Bilanz darüber gezogen wird, welche Punkte der Liste die EU-Kommission abhaken konnte. Von der Leyen kann noch so ambitionierte Vorschläge machen: Ohne Unterstützung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments wird es ihr nicht gelingen, in der EU auch nur einen weiteren Prozentpunkt an Emissionen einzusparen.

Die Abgeordneten haben zwar gerade erst den Klimanotstand ausgerufen, für von der Leyen ist das EU-Parlament dennoch kein sicherer Partner. Seit der Europawahl im Mai haben Christ- und Sozialdemokraten erstmals keine gemeinsame Mehrheit mehr. Um ihren Green Deal durchzusetzen, braucht von der Leyen auch die Stimmen der Liberalen - oder der Grünen. Nicht nur "talk the talk", sondern auch "walk the walk" lautet deren Forderung: handeln statt reden.

Andererseits darf von der Leyen auch nicht zu weit nach links und ins Grüne gehen, wenn sie nicht Stimmen aus der eigenen Partei verlieren will. Dort stößt die Christdemokratin bereits auf Widerstand. So wurde sie darauf hingewiesen, dass nicht nur Demonstranten von "Fridays for Future" auf die Straße gehen, sondern auch Mercedes-Mitarbeiter, die um ihren Job fürchten. Auch Manfred Weber, Chef der Christdemokraten im EU-Parlament, zählt zu den Mahnern.

Auf großer Bühne mehr Klimaschutz fordern und hintenrum kein Geld dafür zahlen wollen, das passt nicht zusammen.

Die Kommissionspräsidentin hat sich bei dieser Gratwanderung für einen Weg entschieden, der zwar vergleichsweise sichere Erfolge, allerdings weniger große Sprünge erwarten lässt. Ihre Rhetorik hat sie spürbar angepasst: Zuletzt stellte sie ihr Klimapaket nicht mehr so sehr als Weltrettungsmanöver dar, sondern vor allem als Motor für Wirtschaftswachstum; und es war sicher kein Zufall, dass sie bei einer Rede auf dem Parteitag der europäischen Christdemokraten in Zagreb das Wort "grün" noch nicht einmal erwähnte. Zuvor hatte es aus der Partei sogar den ernsthaften Wunsch gegeben, das Paket doch bitte nicht einen "grünen", sondern einen "nachhaltigen" Deal zu nennen. Fast lächerlich mag man solch Wortklaubereien finden angesichts der Größe der Aufgabe - die Anekdote zeigt aber auch, mit welchen Widerständen von der Leyen in ihrer eigenen Partei zu kämpfen hat.

Mindestens genauso schwierig wird es für Ursula von der Leyen, die Staats- und Regierungschefs auf ihre Seite zu ziehen. Der EU-Gipfel diese Woche wird ein erster Test für sie. Dann befasst sich der Europäische Rat ebenfalls mit dem Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral werden zu lassen, also in einen Zustand zu bringen, in dem neue Produkte oder Dienstleistungen den Anteil an Schadstoffen in der Atmosphäre nicht mehr erhöhen. Polen, Ungarn und Tschechien weigern sich bislang, sich darauf zu verpflichten.

Allen ist klar, was es bräuchte, um sie zu überzeugen: Geld. Die EU-Kommission kann jedoch nur ausgeben, was ihr die Staats- und Regierungschefs zugestehen. Beim Gipfel wird über den Etat für die Jahre 2021 bis 2027 gestritten. Klimaschutz wird aber auch für die folgenden Generationen nicht umsonst zu haben sein, doch bislang wollen die Mitgliedstaaten eher weniger Geld ausgeben als mehr. Auf großer Bühne mehr Klimaschutz fordern und hintenrum kein Geld dafür zahlen wollen, das passt nicht zusammen.

Ursula von der Leyen muss also vieles gleichzeitig sein: sparsam, aber großzügig; konservativ und grün; pragmatisch, ohne die Hoffnungen der Wähler und der Demonstranten zu enttäuschen, ob sie nun für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen oder gegen die Einschränkungen, die dieser mit sich bringen kann. Allen wird sie nicht gerecht werden können. Wenn es ihr gelänge, einen Anfang zu machen, wäre schon das ein Erfolg.

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