Parteivorsitz:Partei ohne Chefinnen

CDU: Norbert Röttgen bei einer Pressekonferenz 2020 in Berlin

Norbert Röttgen will CDU-Vorsitzender werden.

(Foto: REUTERS)

Die Debatte um die Merkel-Nachfolge zeigt: Der Union fehlen mächtige Frauen, die den Kampf um die Parteizukunft aufnehmen wollen. Die Gleichberechtigung ist in der CDU noch nicht angekommen.

Kommentar von Cerstin Gammelin, Berlin

Eine Woche nach dem überraschend angekündigten Rückzug der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer hat Norbert Röttgen als erster Kandidat öffentlich erklärt, wie er die Partei strategisch ausrichten und als Chef anführen würde. Röttgen ist bekanntlich einer von den Männern, die Angela Merkel im Laufe ihrer langen Amtsjahre nach einem dramatischen Patzer in die hinteren Reihen befördert hatte. Er gab damals nicht auf, nun versucht er einen neuen Anlauf. Das ist mutig, wirft aber nebenher einige Fragen auf.

Zwanzig Jahre lang haben es Frauen, vor allem Angela Merkel, gezeigt, wie es geht, die CDU zu führen. Aber jetzt, da es in einem offenen Bewerberrennen um ihre Nachfolge geht, traut sich keine, sich zu melden. Weder Parteivizechefin Julia Klöckner noch eine so herausragende Landesministerin wie Susanne Eisenmann aus Baden-Württemberg melden Ansprüche an. Das ist bedauerlich. Und das falsche Signal an alle Frauen in der CDU. Wer sich nicht rührt, wenn es darauf ankommt, darf sich nicht wundern, wenn stattdessen Parteikollegen den Ton angeben, die ihre Eignung vor allem durch ein schier überbordendes Selbstbewusstsein unterstreichen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich steht es nicht im Statut der CDU, dass nur Frauen deren Vorsitzende sein dürfen. Selbstverständlich kann es nach 20 Jahren einen männlichen Nachfolger geben. Genauso, wie es wieder eine Frau werden darf. Es geht ja grundsätzlich gar nicht um die Frage, ob ein Mann oder eine Frau an die Spitze soll, sondern darum, wie die CDU eine Volkspartei bleibt, die Frauen und Männer, Alte und Junge und viele Berufsgruppen anzieht. Das wird nicht gelingen, ohne die weibliche Hälfte der Gesellschaft mitzunehmen.

Dass sich die Frauen nicht trauen, hat strukturelle Ursachen, liegt aber auch im parteiinternen Umgang miteinander begründet. Es sind die späten Uhrzeiten, zu denen Politik stattfindet, die viele Frauen abschrecken. Und die Erfahrung, dass noch immer viel über Äußerlichkeiten geurteilt wird. Zum anderen ist es nicht weit her mit der Parität in der CDU. Die eine Frau im Kanzleramt hat verdeckt, dass die CDU keineswegs in der Gleichberechtigung angekommen ist. Erst jetzt, da sich das Ende der Kanzlerschaft einer Protestantin, Ostdeutschen und promovierten Physikerin abzeichnet und deren natürliche Nachfolgerin hingeworfen hat, zeigt sich: Es mangelt der CDU an Chefinnen. Sie stellt keine Ministerpräsidentin, eine Landeschefin, kaum Oberbürgermeisterinnen, kaum Kommunalrätinnen. Von den CDU-Abgeordneten im Bundestag ist nur jede fünfte weiblich. Das darf nicht so bleiben, wenn die CDU eine stolze, traditionelle Volkspartei sein will.

Eine andere Frage ist, ob die scheidende Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer noch das Verfahren in der Hand hat, mit dem sie ihre Nachfolge regeln wollte. Recht schnell hatte sich ja herausgestellt, dass ihre Idee, die Parteispitze und die Kanzlerkandidatur in eine Hand zu legen, sich so nicht umsetzen lässt - was sie freilich selbst hätte wissen müssen. Die CSU will natürlich bei der Kanzlerkandidatur der Union mitmischen. Es genügten ein paar Worte des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, um das klarzustellen. Auch die Bewerbung Röttgens bringt unerwartete Unruhe in die Planungen.

Eine Doppelspitze passt nicht zu den Traditionen der CDU

Interessant ist, dass die CDU inzwischen auch über die Idee eines Teams an der Parteispitze oder vielleicht sogar einer Doppelspitze debattiert. Man weiß noch nicht genau, ob es nur taktisches Geplänkel ist, um Frauen zu motivieren, sich zu bewerben - oder doch ernst gemeint. Grundsätzlich ist es jedenfalls positiv, dass die CDU überhaupt darüber nachdenkt und diese Option nicht kategorisch ausschließt. Die Erfahrung der politischen Konkurrenz zeigt allerdings, dass eine Doppelspitze keineswegs ein Garant für erfolgreiche Parteiführung ist. Gewiss, bei den Grünen funktioniert das Führungsduo erstmals seit Jahrzehnten, bei der Linken ist gerade Ruhe, und die SPD hat seit knapp 100 Tagen eine Zweierspitze. Der entscheidende Punkt ist allerdings: Keine dieser Parteien musste unter den Bedingungen einer Doppelspitze je einen Kanzlerkandidaten bestimmen. Man weiß nicht, wie und ob es klappen kann; es sind Streit und Verletzungen zu befürchten, was weder in der Partei noch von der Öffentlichkeit goutiert wird.

Das alles spricht dafür, die Idee mit dem Duo an der Spitze der CDU schnell wieder abzuhaken. Ganz abgesehen davon, dass eine Doppelspitze nicht zu den Traditionen der CDU passt, die ja auch deshalb Kanzlerwahlverein genannt wird, weil sie stets alle Macht bündelt und auf das Ziel Kanzleramt ausrichtet. Zwei Personen an der Spitze, die im Zweifel um die Macht streiten, passen nicht in dieses konservative Konzept. Umso wichtiger ist es, dass vor der Wahl eines neuen Parteichefs mit Männern und Frauen gesprochen und eine Verpflichtung ins Statut geschrieben wird: Parität, in allen Gremien.

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