Münchner Osten:Fürsprecher der Frischluftschneise

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Die Grünen erneuern bei einem Informationsabend ihre Kritik an Plänen, im Hachinger Tal den regionalen Grünzug zu bebauen. Zur Sprache kommt dabei auch das ungeklärte Thema Hochwasserschutz in dem Gebiet

Von Sophia Allenstein

Die Karte mit den Münchner Temperaturzonen auf der Leinwand ist bunt. Der Meteorologe Paul Heger deutet auf rosa eingefärbte Bereiche in der Münchner Innenstadt: hohe Temperaturen. Dagegen viele Segmente in Hell- und Dunkelgrün in den äußeren Stadtbezirken. Auch an jenem Ort, den Heger und die gut zwei Dutzend Besucher an diesem Abend besonders im Blick haben: die Frischluftschneise des Hachinger Tals. "Jede Bebauung würde den Kaltluftstrom schmälern", sagt der Meteorologe, der auch Ortsverbandssprecher der Grünen in Ramersdorf-Perlach ist.

Damit zielt er auf den Kernpunkt der Diskussionsveranstaltung, für welche eben jener Grünen-Ortsverband den Titel "Hachinger Tal - Frischluftschneise retten" gewählt hat. Denn das 27 Hektar große Kapellenfeld auf städtischem Grund sowie auf dem Gebiet der Gemeinde Neubiberg soll unter anderem mit einem Gewerbegebiet bebaut werden. Die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen machten das Projekt für Neubiberg interessant, vermuten die Grünen. Sie stemmen sich gemeinsam gegen eine Bebauung. Bei der Veranstaltung soll Heger als Meteorologe gewichtige fachliche Gründe vortragen, sekundiert von Joachim Lorenz, Fraktionssprecher der Grünen im Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten und ehemaliger Münchner Umweltreferent.

Zunächst hebt Heger die Bedeutung von Frischluftschneisen für das Stadtklima hervor. "Dadurch, dass warme Luft leicht ist, steigt sie auf", erklärt Heger, "es entsteht Unterdruck, andere Luft fließt nach". Die nachströmende frische Luft kühlt die anliegenden Stadtgebiete, ein Luftaustausch sei gesichert. "Wenn keine Frischluft mehr in die Innenstadt käme, würde es dort mehrere Grad wärmer werden." Und so ein Wärmestau sei nicht ungefährlich, denn die Hitze wirke sich massiv auf die Gesundheit aus. "Schlimmstenfalls droht bei alten und kranken Menschen ein Hitzetod." Auch Säuglinge und arme Menschen in beengten Wohnsituationen seien besonders betroffen, ergänzt Grünen-Stadträtin Sabine Krieger.

Entschlossen gegen das neue Baukonzept stellt sich auch die Bürgerinitiative "Frischluftzufuhr für München". Mit einer Unterschriftenaktion auf Papier hat sie bereits 1800 Unterschriften gesammelt, eine Online-Petition läuft mittlerweile. "Wir haben festgestellt, dass viele Politiker die Problematik nicht kennen", erklärt ihr Sprecher Thomas Kiesmüller am Diskussionsabend. Seine Initiative wolle zunächst informieren und sensibilisieren.

Eng verwoben mit der Planung neuer Gebäude ist nach Auffassung von Grünen-Stadtratskandidatin Hannah Gerstenkorn auch das Thema Hochwasserschutz. Sie erklärt, dass der Hachinger Bach bei Hochwasser Flächen bis weit in die Stadt hinein überschwemme. Auch das jüngst vorgelegte Bebauungskonzept müsse erst vom Wasserwirtschaftsamt geprüft werden, ergänzt Joachim Lorenz. Es werde bereits versucht, in Neuperlach und Unterbiberg Retentionsflächen zu finden. Problematisch sei jedoch, dass die vorgesehenen Flächen zwar diese beiden Viertel vor Überflutungen schützten, nicht aber die anderen hochwassergefährdeten Gemeinden am Bachverlauf. Lorenz erhebt zudem die Forderung, dass sich die Planungshoheit der Kommunen nicht über die ökologischen Auflagen der Regionalpläne hinwegsetzen dürfe. Ursprünglich sah der Regionalplan einen Schutz der Freiluftschneise des Hachinger Tals vor, der für den Campeon-Komplex von Infineon erstmalig gebrochen worden sei. Eine starke Regionalplanung mit miteinander kooperierenden Gemeinden könne dem Umweltschutz zugute kommen. Bayern besitze jedoch "mit die schwächste Regionalplanung aller Bundesländer". Stadträtin Sabine Krieger ergänzt: "Bisher beharrt jeder Bürgermeister noch auf seinen eigenen Interessen." Die Regionalplanung sei ein "zahnloser Tiger".

© SZ vom 21.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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