Einwanderungsgesetz:Ein Schritt nach vorn

Einwanderungsgesetz: In Deutschland angekommen: Almomenbellah Hasan Alahmad macht eine Ausbildung im Hotel Schloss Fleesensee.

In Deutschland angekommen: Almomenbellah Hasan Alahmad macht eine Ausbildung im Hotel Schloss Fleesensee.

(Foto: Viktor Strasse/oh)

Fachkräfte aus dem Ausland können jetzt leichter in Deutschland arbeiten - vorausgesetzt, sie haben eine qualifizierte Berufsausbildung und ein konkretes Jobangebot. Und das könnte schwierig werden.

Von Henrike Roßbach, Göhren-Lebbin/Berlin

Als er vor vier Jahren nach Deutschland kam, war er 14 Jahre alt und allein unterwegs. Almomenbellah Hasan Alahmad steht im Wintergarten von Schloss Fleesensee in Mecklenburg-Vorpommern. Draußen leuchtet das Grün des Golfplatzes, und hätte er nicht gerade vom Krieg in seiner syrischen Heimatstadt Deir ez-Zor gesprochen, von Schlauchbooten und dem langen Weg hierher, man würde ihn in seiner Hotelgarderobe für einen ganz normalen Azubi halten. Amon, wie sie ihn hier nennen, arbeitet seit eineinhalb Jahren im Schlosshotel, in Göhren-Lebbin, einem "staatlich anerkannten Erholungsort" mit 652 Einwohnern und Tempo 30 gleich hinterm Ortsschild. Hotelfachmann will er werden, gerade ist der Berufsschulblock dran, am liebsten arbeitet er an der Rezeption.

Der heute 18-Jährige verkörpert das, was für die einen ein Hoffnungswert war, als 2015 die Flüchtlinge kamen, für die anderen bloß eine Illusion: dass die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt klappen kann. Politisch hat der Komplex Flucht, Zuwanderung und Fachkräftemangel erst zu viel Streit und dann zum Migrationspaket geführt, das der Bundestag vergangenes Jahr verabschiedet hat: Seit Anfang des Jahres gilt das "Beschäftigungsduldungsgesetz", das es Betrieben erleichtert, auch Flüchtlinge, die nur geduldet sind, als Azubis oder Mitarbeiter einzustellen und längerfristig zu behalten. Am 1. März ist mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nun der zweite Teil des Pakets in Kraft getreten. Damit ist es für Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern leichter, nach Deutschland einzureisen, um hier zu arbeiten. Voraussetzung sind eine qualifizierte Berufsausbildung und ein konkretes Arbeitsplatzangebot. Unter bestimmten Umständen dürfen Fachkräfte aber auch für die Suche nach einer Stelle einreisen. Wenn ihre Ausbildung nicht gleichwertig ist mit einem deutschen Abschluss, können sie teilweise Qualifikationen in Deutschland nachholen.

"Ein enormer Fortschritt", sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Ende vergangener Woche über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz. "Unsere Wirtschaft braucht dringend Fachkräfte", betonte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Ein längst überfälliger Schritt", sagte Familienministerin Franziska Giffey (SPD), und Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer lobte: "Ein neues Kapitel in der Zuwanderungspolitik Deutschlands."

Das Anerkennungsverfahren sei viel zu komplex, kritisieren nicht nur die Grünen

In Göhren-Lebbin sind die Reaktionen dezenter. Sie hätten längst Arbeitskräftemangel, sagte Hotelmanager Harald Schmitt nüchtern, vom bloßen Fachkräftemangel seien sie schon weit weg. Trotzdem verspricht er sich etwas von dem neuen Gesetz; auf Kreuzfahrtschiffen etwa arbeiteten Leute aus allen möglichen Ländern, die sie gut gebrauchen und künftig vielleicht einfacher einstellen könnten.

Thomas Liebig, Migrationsexperte der OECD, attestiert dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz vor allem eine Schwäche: dass potenzielle Kandidaten in der Regel ihre formale berufliche Qualifikation anerkennen lassen müssen, bevor sie in Deutschland arbeiten dürfen. Helfen soll dabei die im Februar eröffnete "Zentrale Servicestelle Berufsanerkennung". Sie soll Bewerber, die noch nicht eingereist sind, durch das komplizierte System der Anerkennung ihrer Abschlüsse lotsen. International aber sei eine solche Anerkennung "unüblich", sagt Liebig; objektiv und in der Wahrnehmung potenzieller Zuwanderer sowie des deutschen Mittelstands sei sie "eine Hürde". Auch die Grünen warnen, durch das komplexe Anerkennungsverfahren könne das ganze Gesetz zum Flop werden. Mit Blick auf die sich wandelnde Arbeitswelt gibt Liebig noch zu bedenken: "Vielleicht brauchen wir eher Talente, die sich unterschiedlichen Gegebenheiten anpassen können, als passgenau qualifizierte Fachkräfte." Sinnvoll wäre es aus seiner Sicht, statt formaler Berufsabschlüsse Sprachkenntnisse als Qualifikation anzuerkennen. Das neue Gesetz bringe mehr Öffnung, reiche aber nicht aus.

Ob die Anerkennung ausländischer Abschlüsse zur Hürde wird, dürfte zum einen mit der personellen Ausstattung der Anerkennungsstellen zusammenhängen. Sofie Geisel, Mitglied in der Hauptgeschäftsführung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sieht darüber hinaus auch Unterschiede zwischen den Branchen. Sie könne sich vorstellen, sagt sie, dass die Anerkennung bei Köchen oder anderen Hotel- und Gastronomieberufen "nicht das Nadelöhr sein wird". Anders könne es in technischen Berufen aussehen, "weil Deutschland da wahnsinnig differenziert ist". Die zentralen Fragen aber werden aus ihrer Sicht andere sein: "Können die Bewerber Deutsch? Und ist das hier für sie ein guter Ort, an dem sie irgendwann auch mal so was wie glücklich sind?"

Wenn man Amon, den Azubi im Schlosshotel, danach fragt, wie er von Deir ez-Zor nach Göhren-Lebbin gekommen ist, dann sagt er "Herr Schröder". Auch seine Kollegen, Ibrahim Abbara, 20, aus Aleppo, und Abdo Mohammad Mubarek, 28, aus Damaskus, sagen "Herr Schröder", wenn sie nach ihrem Weg ins Hotel gefragt werden.

Herr Schröder heißt mit vollem Namen Christian Schröder und ist der Personalleiter des Schlosshotels. Außerdem ist er noch Regionalbotschafter des Netzwerks "Unternehmen integrieren Flüchtlinge", das 2016 vom DIHK und dem Bundeswirtschaftsministerium gegründet wurde und heute mehr als 2400 Mitgliedsunternehmen hat. Vor allem aber ist Schröder derjenige, der auf Jobmessen, beim Internationalen Café im 20 Kilometer entfernten Waren, einem Treffpunkt für Geflüchtete, oder im Kontakt mit diversen Institutionen bislang 17 Flüchtlinge ins Hotel geholt hat, in dem insgesamt 145 Menschen arbeiten. Nicht alle sind geblieben. Auch Amon, dessen Bruder und Eltern inzwischen auch in Deutschland leben, will nach der Lehre vielleicht nach Dubai, in ein anderes Hotel. Ibrahim Abbara, der derzeit vor allem in der Gastronomie arbeitet, will eine Lehre als Elektriker machen. Derzeit aber gehören acht Geflüchtete fest zum Hotelteam, und Schröder findet es schade, aber okay, wenn manche später andere Wege gehen. "Es ist wichtig, dass sie ihren Weg finden, und ich bin der Erste, der ihnen eine Empfehlung schreibt."

Schröder, groß gewachsen und sichtlich stolz auf seine Leute, erhofft sich von dem neuen Fachkräfteeinwandungsgesetz "die ein oder andere Einstellung". Bislang hatte er sich nur um Geflüchtete bemüht, die schon im Land waren. "Der Fluss ist aber schon dünner geworden." Er glaubt, dass die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland deutlich schwieriger wird als seine bisherige Rekrutierung von Flüchtlingen mit Aufenthaltstitel. Versuchen aber werden sie es in Göhren-Lebbin und an vielen anderen Orten. Denn der Fachkräftemangel, das zeigen Umfragen wie etwa die des DIHK, sehen die Unternehmen längst als Risiko Nummer eins.

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