Corona und Kultur:Die Künste in Zeiten des Virus

Nationaltheater

Der Blick ins Münchner Nationaltheater, wo Igor Levits Konzert und die neue Inszenierung des „Schwanensee“ ohne Publikum stattfinden sollen.

(Foto: Wilfried Hösl)

Noch nie zuvor ist das Kulturleben in Friedenszeiten und demokratischen Ländern so umfassend eingeschränkt worden. Ein Überblick über die Institutionen und die Folgen.

Von SZ-Autoren

Cannes kann kommen

Der Präsident der Filmfestspiele von Cannes, Pierre Lescure, ist "halbwegs optimistisch", dass das Festival Mitte Mai stattfinden kann. Sollte sich die Lage im Verlauf des nächsten Monats nicht entspannen, werde man die Veranstaltung, die eine der wichtigsten Termine im internationalen Kinokalender ist, aber absagen, erklärte er in einem Interview mit Le Figaro. Zuvor hatte Variety berichtet, die Cannes-Verantwortlichen hätten noch vor wenigen Wochen ein Angebot ihrer Versicherung abgelehnt, die Police um eine Klausel für Epidemien zu erweitern. Lescure sagte dazu, die Zusatzversicherung hätte bei hohen Zusatzkosten nur einen Bruchteil des jährlichen Festivalbudgets von 32 Millionen Euro abgedeckt und habe sich deshalb nicht gelohnt. Man habe aber genug Stiftungsgelder, um das finanzielle Überleben des Festivals bei einer Absage zu sichern. Auch kleinere Festivals, die erst in einigen Wochen oder Monaten stattfinden sollen, halten vorerst an ihren Planungen fest, wie zum Beispiel das Münchner Dokfest. Derweil ist die Diagonale, das Festival des österreichischen Films in Graz, abgesagt worden. Zahlreiche andere Filmfestivals wie das in Prag wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Ebenfalls in Prag wurden die Dreharbeiten zur Disney-Marvel-Serie "The Falcon and the Winter Soldier" unterbrochen, so wie bereits die Dreharbeiten zu "Mission: Impossible 7" in Venedig. David Steinitz

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Ku'dammbruch

Für den 22. März ist die Premiere von Katharina Thalbachs Inszenierung "Mord im Orientexpress" im Berliner Schiller-Theater geplant, eine Produktion der Komödie am Kurfürstendamm. Es ist die aufwendigste Produktion, die das Privattheater je gestemmt hat, prominent besetzt unter anderem mit Katharina und Anna Thalbach und den Geschwistern Pfister. Privattheater, das bedeutet: Anders als subventionierte Stadt- und Staatstheater finanziert sich die Boulevardbühne fast komplett aus den Eigeneinnahmen der verkauften Eintrittskarten. Im Augenblick ist völlig unklar, ob die geplante Aufführungsserie von insgesamt 40 Vorstellungen bis Anfang Mai stattfinden kann. 40 Vorstellungen im Schiller-Theater mit seinen 1035 Plätzen, das sind bei restlos ausverkauften Vorstellungen und einem Durchschnittskartenpreis von 30 Euro Einnahmen von rund 1,2 Millionen Euro. Das ist bei Produktionskosten von insgesamt einer Million Euro knapp kalkuliert. Die Hälfte der 40 000 Eintrittskarten ist schon verkauft, seit Beginn der Woche ist der Vorverkauf massiv eingebrochen. Durch das Verbot von Veranstaltungen mit mehr als 1 000 Besuchern wird es für das Theater eng. "Das ist ein absolutes Desaster", sagt Martin Wölffer, der Intendant, dessen Familie das Theater in dritter Generation betreibt. Wölffer, ein ruhiger Theaterprofi, nennt die derzeitige Situation "existenzbedrohend". Peter Laudenbach

Schalte zu Opern-TV

Im riesigen Münchner Nationaltheater werden am kommenden Montag die Dirigentin Joana Mallwitz, der Pianist Igor Levit und das Bayerische Staatsorchester vor 2100 leeren Plätzen spielen und Franz Schubert, Ferenc Liszt und Gustav Mahler aufführen. Nun klingt jeder Raum anders, je nachdem, ob ein Publikum anwesend ist oder nicht. Zudem gibt die Anwesenheit eines gespannt auf Höhepunkte wie Versehen lauernden Auditoriums jedem Musiker den entscheidenden Kick, der ihn zu Leistungen inspirieren kann, die unter Probenbedingungen oft kaum möglich erscheinen. Doch in München wird das für Konzerte so lebenswichtige Publikum fehlen. Es hat nur, für die Musiker unsichtbar und in den Reaktionen nicht wahrnehmbar, die Chance, dieses Konzert über "Staatsoper.TV" live und in den Klangvorstellungen des zuständigen Tonmeisters zu erleben. Aber immerhin live, wie auch am 15. März die Pressekonferenz zur kommenden Spielzeit, am 21. März die Wiederaufnahme des "Schwanensee"-Balletts und am 11. April die Premiere von "7 Deaths of Maria Callas" von und mit Marina Abramović. Schon bestehende Produktionen sollen als Video-on-Demand auf die Homepage gestellt werden, kostenfrei für den Benutzer. Für den Zeitraum der Schließung bis zum 19. April rechnet die Staatsoper indes mit einem Einnahmeverlust von vier Millionen Euro. Reinhard J. Brembeck und Egbert Tholl

Gottes Desinfektion

In Zeiten einer Pestilenz sind Gottesdienstbesuche ein zwiespältiges Unterfangen. Einerseits müsste man beten, andererseits schwebt die Ansteckungsgefahr über den Kirchenbänken. Besser daheimbleiben? "Auf keinen Fall", sagt Rainer Maria Schießler, Pfarrer von St. Maximilian in München und Buchautor. "Was wäre das für ein Glauben, wenn schon Gläubige in Panik geraten?!" Um das Infektionsrisiko zu bannen, stellt er neben dem Portal seiner Kirche Desinfektionsmittel-Spender auf, denn die größte Gefahr lauere ja wohl an der Türklinke. Und vor dem Verteilen der Hostie sprühen sich Schießler und seine Kommunionhelfer mit Desinfektionsmittel ein, das Spray gehört derzeit zu den festen Altar-Requisiten. Zur Vorbeugung lehnt der Pfarrer die Mundkommunion, bei der den Katholiken die Hostie direkt auf die Zunge gelegt wird, kategorisch ab. Er gibt sie nur noch auf die Hand. "Schmerzlicherweise birgt die Kommunionspendung bei unsachgemäßer Handhabung ein großes Gefährdungspotenzial", schreibt das Erzbistum Köln. Es hat seinen Pfarreien eine Liste mit Ratschlägen zur Liturgie erstellt. Beim Friedensgruß sei auf ein "körperliches Friedenszeichen" in Form eines Händedrucks zu verzichten. "Ein freundliches Zunicken bzw. -lächeln ist hier eine gute Alternative." Wer aber Symptome einer Erkrankung aufweise, der soll dann doch lieber zu Hause bleiben. Rudolf Neumaier

Corona und Kultur: Die Schaubühne in Berlin.

Die Schaubühne in Berlin.

(Foto: Gianmarco Bresadola/Schaubühne Berlin)

Schaubühnenherzblut

Das Festival Internationale Neue Dramatik an der Berliner Schaubühne ist seit Jahren das aufregendste und vitalste Theaterfestival der Stadt, ein Fenster zur Welt mit jeder Menge spannender Entdeckungen. In diesem Jahr hätten mehr als 120 Künstler aus Thailand, Spanien, Russland, Belgien und Kanada ihre Gastspiele zeigen sollen. Geplanter Festivalstart: Mittwoch. Alle Reisen sind gebucht und so kurzfristig nicht stornierbar. Obwohl die Aufführungen jeweils vor weniger als 500 Zuschauern stattgefunden hätten, hat die Schaubühne das Festival abgesagt. Der Einnahmeausfall: weit mehr als 100 000 Euro. "Das Herz blutet, aber es ging nicht anders", sagt Schaubühnen-Direktor Tobias Veit. Viele Aufführungen hätten parallel auf den unterschiedlichen Bühnen stattgefunden, es wären jeden Abend deutlich mehr als 1000 Menschen im Theater und auf den Partys gewesen, Besucher und Künstler aus der halben Welt. "Das wäre unverantwortlich gewesen", findet Veit. Das gilt auch für die weitere Planung: Der dichte Spielplan wird ausgedünnt. Ähnlich beweglich, pragmatisch und komplett uneitel reagieren auch andere Berliner Bühnen. Im HAU, Hebbel am Ufer, zum Beispiel fand am Mittwoch die Veranstaltung "El estado opresor es un macho violador - Geschichten von Frauen und Gewalt" ohne Publikum statt. Sie wurde als Livestream übertragen. Peter Laudenbach

Not und Tugend

In Italien sind die Museen schon länger geschlossen, die Frühlingssaison 2020 verzichtet auf so bedeutende Ereignisse, wie die Ausstellung zu Raffael, dessen 500. Geburtstag ansteht. Auch in Österreich sind jetzt die Bundesmuseen zu, die Eröffnung der Albertina Modern, die für Freitag geplant war, fällt aus. Ob Museen und Ausstellungen vorsorglich schließen, ist Ermessenssache - auch in Räumen, in denen Blockbuster gezeigt werden, drängen sich selten 1 000 Menschen. Zudem, wie der Direktor eines großen deutschen Museums bemerkte, geht dem Publikum während solcher Krisenzeiten ohnehin die Lust auf Museumsausflüge verloren. Die Kunst, die ja eigentlich auf die Begegnung von Besuchern und dem auratischen Werk angewiesen ist, wird sich mit der Dauer der Krise neu einrichten müssen. Vorreiter ist das Castello di Rivoli in der Nähe von Turin. Die Direktorin - Ex-Documenta-Chefin Carolyn Christov-Bakargiev - hole derzeit die Digitalisierung ihres Hauses nach, teilt sie dem Kunstmagazin Artnewspaper stolz mit. In Zeiten, in denen sechzig Millionen Italiener "abgeriegelt" seien, arbeite sie "18 Stunden am Tag" nicht nur daran, für ihre Sammlung Ausstellungen für das Internet aufzubereiten, sondern auch an "Online-Führungen, die auf Kinder und ihre Eltern zugeschnitten sind, die nach der Schließung von Schulen zu Hause festsitzen". Catrin Lorch

Bau ohne Schau

Während die Baubranche noch betont zuversichtliche Signale sendet, sind bereits viele Architekturveranstaltungen von den Auswirkungen des Coronavirus betroffen. Die Verleihung des Kunstpreises Berlin, den nächste Woche das Architekturmagazin ARCH+ erhält, findet nicht statt. Konferenzen wie "Architecture Matters" in München werden in den Herbst verschoben. Die "Experience in Action!", die nächste Woche im Rahmen der gleichnamigen Ausstellung im Münchner Architekturmuseum stattgefunden hätte, fällt wohl aus. Lehrende aus der ganzen Welt wollten dort über eine Lehrmethode sprechen, bei der Architekturstudenten konkrete Projekte planen und umsetzen. "Das Thema hätte den Impuls der Konferenz gebraucht", sagt Simone Bader, die Konferenz und Ausstellung vorbereitet hat. Diese eröffnet nun ohne große Eröffnung und mit der Frage, ob "in den nächsten Monaten die Menschen überhaupt ins Museum gehen werden". Der Beginn der Architekturbiennale in Venedig wiederum wurde von Mai auf August verschoben. Team 2038, das dieses Jahr den Deutschen Pavillon kuratiert, setzt die Vorbereitungen am Beitrag wie geplant fort. Gleichzeitig denkt man dort darüber nach, wie der auch ohne Biennale ein Publikum finden könnte. Der Peak des Coronavirus wird in Italien im Juli vermutet. Ob also die wichtigste Architekturschau der Welt im August dort ihre Zelte aufschlagen kann, steht in den Sternen. Laura Weißmüller

Hygiene Potter

Am kommenden Sonntag soll im Hamburger Mehr-Theater am Großmarkt die Premiere von J.K. Rowlings "Harry Potter und das verwunschene Kind" stattfinden. Es ist die deutsche Version einer sehr populären britischen Theaterproduktion, die 2016 in London uraufgeführt wurde. Bisher geht der Veranstalter, die Mehr-BB Entertainment GmbH, davon aus, dass die Vorstellungen stattfinden, allerdings werde - entsprechend der Allgemeinverfügung der Hamburger Gesundheitsbehörde - die Personenanzahl im Theater für jede der kommenden Vorstellungen auf 1000 begrenzt. Die Ticketbesitzer erhielten noch am 11. März dazu eine E-Mail, in der "das weitere Prozedere auch zu Umtausch und Abwicklung" beschrieben werde. Außerdem seien die Hygienemaßnahmen "erweitert" worden. Darüber hinaus werden Besucher, die in Risikogebieten waren, aufgrund von Vorerkrankungen zu Risikogruppen gehören oder Symptome einer möglichen Corona-Infektion zeigen, gebeten, der Veranstaltung fernzubleiben. Alexander Menden

Düster für lit.cologne

Anders als die meisten Literaturfestivals finanziert sich die Lit.cologne privat und erhält keine Subventionen. Deshalb könnte eine Absage im schlimmsten Falle die Existenz des Festivals gefährden, immerhin das größte seiner Art in Europa. Vorerst ist das Festival nur verschoben, die Veranstalter suchen nach möglichen Ausweichterminen im Sommer oder Herbst. Viele Autoren aber, vor allem die bekannteren, haben gut gefüllte Kalender und dass man dasselbe Programm in wenigen Monaten noch einmal zusammengestellt bekommt, scheint wenig wahrscheinlich. Henriette Reker, die Kölner Oberbürgermeisterin, hat die Absage zudem nicht als Weisung, sondern als Empfehlung formuliert. Für die Frage der Haftung ist das ein entscheidender Unterschied. Gegen einen Ausfall habe das Festival sich nicht versichern können, sagt der Festivalleiter Rainer Osnowski. Zwei Tage nach der Verschiebung sieht die Situation deshalb düster aus: Die Organisatoren wissen nicht, wer haftet, stehen ohne Versicherung da und müssen kurzfristig ein neues Festival planen, das womöglich nicht stattfindet. Vielleicht, so erste Überlegungen, könne man wenigstens einzelne Veranstaltungen im Laufe des Jahres nachholen. Felix Stephan

Geld für Künstler

Coronavirus - Kulturrat

Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, räumt die Schwächen seines Berichts ein und nennt ihn eine "politische Aktion".

(Foto: Christoph Soeder/dpa)

Der Deutsche Kulturrat sorgt sich um freiberufliche Künstler. Mit der Absage von Aufführungen und Tagungen drohe ein erheblicher Teil ihrer Einnahmen wegzubrechen, teilt der Spitzenverband der Bundeskulturverbände mit. "Das kann sehr schnell existenzielle Auswirkungen haben." Kulturrat-Geschäftsführer Olaf Zimmermann fordert einen Notfallfonds, den die Kulturstiftungen der Länder und des Bundes gemeinsam einrichten sollen. Zimmermann spricht sich für rasche und unbürokratische Hilfe aus. Er äußerte Verständnis dafür, dass Theater und Konzerthäuser den Betrieb beschränken oder einstellen müssen. Gerade diese Einrichtungen werden oft von den Risikogruppen besucht. "Wichtig wird sein, dass die entstehenden Einnahmeausfälle durch abgesagte Aufführungen oder zurückgegebene Tickets von den öffentlichen Händen, vor allem von den Ländern und Kommunen, kompensiert werden", so der Kulturrat. Rudolf Neumaier

Pech und Glück

Dass nach der Absage der "Art Basel Hong Kong", die in "virtuelle Schauräume" verlegt wurde, eines der größten Ereignisse des internationalen Kunsthandels überhaupt, die "European Fine Art Fair" (Tefaf) im niederländischen Maastricht eröffnete, überraschte. Ob sich die möglicherweise fatale Aufrechterhaltung des Betriebs überhaupt lohnt, ist noch nicht abzusehen; es heißt, gegenwärtig reisten die stärkste Käufergruppe - die amerikanischen und asiatischen Sammler - ohnehin nicht. Zudem dürfte der Absturz der Börsen den Superreichen die Kauflaune verhagelt haben. Im nur 100 Kilometer entfernten Köln bangt man derweil um die Art Cologne, die älteste Messe für Kunst weltweit. Die Veranstalter warten auf die Entscheidungen der politisch Verantwortlichen, die in der Domstadt derzeit zwar Massenveranstaltungen untersagen, aber nur bis zum 10. April. Die Art Cologne sollte am 22. April eröffnen. Die Messe-Veranstalter hätten die Politiker "angebettelt" die Entscheidung über eine Verschiebung in den November nicht länger hinauszuzögern, schließlich organisieren die teilnehmenden Galerien derzeit Kunsttransporte, Aufbauteams, buchen Hotels, Restaurants und Clubs. Haftungsfragen, so die Messeleitung, gegenüber Ausstellern, hielte sie davon ab, die Messe von sich aus zu verlegen. Das Berliner Gallery Weekend, die gemeinsame Vernissage Anfang Mai, die mit einem großen Dinner für mehr als tausend internationale Sammler zum Spektakel wird - kündigte in einer E-Mail dagegen die Verdoppelung an: Während Anfang Mai die geplanten Ausstellungen des Galerien-Parcours eröffnen, findet das Spektakel mit Parties und Bankett jetzt im September statt. "Unser Glück ist, dass wir so eine dezentrale Veranstaltung sind", sagt Maike Cruse, die Organisatorin. Catrin Lorch

Telekommunikation

Die Deutsche Telekom hat insofern mit Coronavirus und Krise zu tun, als sehr, sehr viele Menschen, die jetzt öffentliche Veranstaltungen meiden oder aber keine mehr besuchen können, weil diese pandemiebedingt ausfallen, nun vermehrt im Internet surfen und dort Streaming-Angebote wahrnehmen. Die Telekom als "Internet Service Provider" wie als Anbieter solcher Serienstreams muss wie alle Mitbewerber auch dafür vermehrt Bandbreite bereitstellen, damit statt der bösen Viren ununterbrochen unterhaltsame Daten zu den Menschen fließen können. Darauf ist das Haus vorbereitet. "Die Krise", so Husam Azrak, ein Sprecher des Bonner Unternehmens, "kann uns nicht so schnell umwerfen. Wir sind für Notfälle, aber auch für Belastungspeaks bei unserer Infrastruktur gerüstet. Unser Netz hält der Krise stand." Bernd Graff

Leere Tanzflächen

Technoclub Tresor

Der berühmte Technoclub Tresor im ehemaligen Heizkraftwerk Mitte in Berlin.

(Foto: Regina Schmeken)

Der Berliner Techno-Club Tresor spürt nach eigenen Angaben bereits einen Besucherrückgang um 30 Prozent. Eine Schließung sei noch nicht geplant, aber man rechne mit dem Schlimmsten: "Unser Programm", so Tresor-Sprecherin Vivien Bienert, "ist seit Monaten durchgeplant, teilweise bis zum Ende des Jahres. Wir sind ratlos, da hier auch die Existenz unserer Mitarbeiter auf dem Spiel steht." Ganz ähnlich geht es auch dem Berliner Kunst- und Kulturzentrum Acud. Erste Veranstaltungen wurden bereits abgesagt, es kämen merklich weniger Besucher. Man finanziere sich allein aus den Einnahmen durch die Veranstaltungen und habe keine Rücklagen. Würden alle Veranstaltungen ausfallen, lägen die Umsatzeinbußen bei über 20 000 Euro pro Monat. Jens-Christian Rabe

Ins Offene, Freund!

Literaturveranstaltungen haben in der Regel weniger Teilnehmer als Konzerte in der Philharmonie, Opern- oder Theateraufführungen. In Berlin gilt die Faustregel: Je internationaler ein Podium, desto wahrscheinlicher die Absage. So hat das "Haus für Poesie" die international besetzte Veranstaltung "Hölderlin 250. Komm! Ins Offene" abgesagt. Die regulären Lesungen aber finden statt. Ähnlich hält es das LCB am Wannsee, wo das internationale Übersetzertreffen, nicht aber das normale Lesungsprogramm abgesagt wurde. Ein Service des Literaturforums im Brecht-Haus: "Wir bieten unserem Publikum die Möglichkeit, unsere Veranstaltungen live auf das Smartphone zu streamen, als Literaturforum zum Mithören! Durch das Schaufenster kann man in sicherem Abstand die Veranstaltung verfolgen!" Lothar Müller

Heimschickdienst

Für Else Brücklmeier, 60, ist es eine "komische Situation". Seit 22 Jahren empfängt sie die Besucher im Theater Regenburg. Jeden Abend! Außer in den Theaterferien verging kein Tag, an dem sie nicht im Foyer stand. Sänger kamen und gingen, Frau Brücklmeier war immer da. Nun hat sie erfahren, dass ihr Haus bis 19. April dicht macht. Am Samstag steht eine Premiere an, eine Performance nach Monteverdi - jedoch ohne Publikum. Else Brücklmeier wird noch ein paar Abende im Theater verbringen, aber nicht, um die Leute zu empfangen, sondern, um sie abzuweisen. Der Einlass-Service wird zum Heimschick-Dienst. "Ich werde den Besuchern erklären, dass wir zu ihrer und unserer Sicherheit nicht spielen können, und um Verständnis bitten." Dann wird sie einige freie Abende haben. Rudolf Neumaier

Popkonzerte

Stars wie Santana, Madonna oder Rammstein haben ihr aktuellen Tourneen schon abgesagt oder abgebrochen. Hört man sich in der Branche um, herrscht große Nervosität. Der Kapitaleinsatz und logistische Aufwand bei Popkonzerten ist enorm. Bislang könne vieles noch durch Umbuchungen aufgefangen werden, sollten sich die Absagen häufen, wird diese Taktik bald an ihre Grenzen geraten. Sorgen machen sich aber besonders auch die kleinen Livemusik-Clubs wie das Münchner Milla, das bereits deutlich weniger weniger Tickets für zukünftige Konzerte verkauft. Schon die kleine Gebühr, die man bei Absagen von längst ausverkauften Veranstaltungen pro Ticket an die Ticketagenturen zahlen müsse, könne einen Ort wie das Milla, so Milla-Booker Philipp Engelhardt, rasch in Schwierigkeiten bringen, wenn reihenweise Konzerte ausfielen. Zumal man dann ja auch keinen Getränkeumsatz mache. Jens-Christian Rabe

Oberammer-Gau?

Ticketverkauf für Passionsspiel in Oberammergau läuft

Spielleiter Christian Stückl vor der Tafel mit den Namen der Hauptdarsteller der Passionsspiele 2020 in Oberammergau.

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die Passionsspiele in Oberammergau wurden 1634 als Einlösung eines Versprechens nach einer überstandenen Pest-Epidemie das erste Mal aufgeführt. Seit 1680 gilt ein zehnjähriger Aufführungsrhythmus, der in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung erhalten könnte. Falls es am 16. Mai zur Premiere kommt. Davon gehen momentan noch alle Beteiligten aus. Massenszenen sind derzeit allerdings von den Proben ausgesetzt, ältere Mitwirkende sollen zu Hause bleiben. Derzeit beschäftigt man sich eher mit der Herstellung eines Fotobuchs. Wie die Endproben mit bis zu tausend Beteiligten organisiert werden können, weiß allerdings zum jetzigen Stand noch niemand. Dennoch ist man guter Dinge, dass das Wunder auch in diesem Jahr eintritt. Egbert Tholl

Dicht und Dichtung

München ist dicht, an den Theatern wird dennoch gearbeitet. Produktionen, die sich gerade in der Probenphase befinden, werden in der Regel weitergeprobt, intern wird der Betrieb der institutionellen Häuser aufrecht erhalten. Bis, so Jens-Daniel Herzog, Intendant des Staatstheaters Nürnberg, im Haus selbst ein Corona-Fall festgestellt werden sollte. Geprobt wird schon allein deshalb, weil man Probenprozesse im Theater nicht einfach unterbrechen und nach fünf Wochen - falls es bei den fünf Wochen Zwangsspielpause bleibt - wieder aufnehmen kann. Diesen Donnerstag hätte am Münchner Residenztheater Franz Xaver Kroetz' Stück "Der Drang" Premiere gehabt; die findet nun statt, auch weil die Regisseurin Lydia Steier hochschwanger ist und die Arbeit abschließen will. Aber es schaut niemand zu. Außer der Leitung des Hauses. Auch Stefan Kimmig probt weiter - er wäre am 20. März ebenfalls am Residenztheater mit "Spiel des Lebens" herausgekommen. Ähnliches gilt auch fürs Münchner Volkstheater: Die Uraufführung des "Gehörlosen-Hörspiels" diesen Freitag findet statt, zuschauen dürfen aber bestenfalls allerengste Freunde des Produktionsteams. Übrigens: Wer als Gast an ein Stadt- oder Staatstheater engagiert wurde und gerade probt, erhält weiterhin die Probengage. Wer als Gast in einer abgesagten Vorstellung hätte spielen, singen oder dirigieren sollen, erhält in der Regel keine Gage. Nur Künstler mit Festverträgen werden auch ohne Vorstellung bezahlt. Egbert Tholl

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