Coronavirus:Die wichtigsten Fachbegriffe zu Covid-19

Coronavirus: Ein Arbeiter mit Schutzanzug desinfiziert ein Hotelzimmer in Pristina im Kosovo. Maßnahmen wie diese sollen die schneeballartige Verbreitung von Infektionen mit dem neuen Coronavirus verlangsamen.

Ein Arbeiter mit Schutzanzug desinfiziert ein Hotelzimmer in Pristina im Kosovo. Maßnahmen wie diese sollen die schneeballartige Verbreitung von Infektionen mit dem neuen Coronavirus verlangsamen.

(Foto: Armend Nimani/AFP)

Letalität? Primärfall? Latenzzeit? Was die wissenschaftlichen Ausdrücke der Epidemiologen bedeuten.

Von Berit Uhlmann

Epidemiologen sagen gelegentlich: Man kann in Daten ertrinken und trotzdem nach Informationen dürsten. Für die aktuelle Covid-19-Pandemie gilt dies im besonderen Maß. Selbst wer sich nur auf seriöse, wissenschaftliche Quellen stützt, kann im Gewirr der Zahlen und Begriffe leicht den Überblick verlieren. Ein Wegweiser durch die Terminologie der Epidemiologie.

Ansteckung

Als Wissenschaftler die Anfänge der Covid-19-Epidemie verfolgten, konnten sie recht schnell einen Schluss ziehen: Jeder Mensch, der mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert ist, steckt durchschnittlich etwa zwei bis drei andere Menschen an. Diese Größe heißt Basisreproduktionszahl R0.

Ist R0 größer als eins, wird sich der Erreger immer stärker ausbreiten. Ist die Zahl genau eins, wird die Zahl von Infizierten im Verlauf der Epidemie konstant bleiben. Erst wenn R0 kleiner eins ist, ebbt der Ausbruch ab. Ziel aller Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie ist es, R0 unter den Wert eins zu drücken. Im Moment passiert das hauptsächlich durch den Versuch, Kontakte zwischen Menschen einzuschränken, sodass ein durchschnittlicher Erkrankter gar nicht erst die Chance hat, auf zwei bis drei neue Opfer zu treffen.

Auf längere Sicht passiert dies auch von allein, sofern Menschen nach einer Erkrankung immun sind und der Anteil der Immunen in der Bevölkerung wächst (was allerdings im Fall von Covid-19 noch nicht ganz klar ist). Dann findet das Virus immer weniger Menschen, in deren Körpern es sich vermehren kann, und die Neuinfektionen nehmen ab. Eine einfache Formel ergibt, wie groß diese sogenannte Herdenimmunität in der Bevölkerung sein muss und somit die Ansteckungen sinken: (R0 minus 1)/R0. Für Covid-19 heißt dies: Erst wenn mindestens zwischen 50 und 66 Prozent aller Menschen infiziert sind, ebbt der Ausbruch von allein ab. Die Herdenimmunität kann auch durch Impfungen erreicht werden, sofern es einen Impfstoff gibt. Sie hält an, solange keine ungeschützten Menschen durch Geburten oder Zuwanderung in die Bevölkerung kommen.

Vom Ausbruch zur Pandemie

Von einem Ausbruch sprechen Wissenschaftler, wenn plötzlich mehr Menschen eine Erkrankung aufweisen, als man im Mittel erwarten würde. Das kann passieren, wenn ein bekanntes Leiden zunimmt - oder eine neue Erkrankung auftritt. In letzterem Fall liegt der Erwartungswert bei 0, weil es ja noch nie Fälle gab; streng genommen stellt somit ein einziger Erkrankter schon einen Ausbruch dar. In der Praxis wird ein Ausbruch oft erst erkannt, wenn es bereits mehrere Patienten gibt. Die Bezeichnung Epidemie ist wissenschaftlich gesehen ein Synonym für Ausbruch. Da der Begriff aber im allgemeinen Sprachgebrauch mit einer gewissen Dramatik assoziiert wird, verwenden ihn auch viele Wissenschaftler nur für größere Ausbrüche.

Dehnt sich die Epidemie auf mehrere Kontinente aus, spricht man von einer Pandemie. Allerdings gibt es keine allgemeingültige Definition, wie viele Kontinente wie stark betroffen sein müssen. Früher galt es als starkes Warnsignal, wenn die Weltgesundheitsorganisation WHO offiziell die Pandemie ausrief. Mittlerweile hat die WHO eine neue Regelung eingeführt. Sie ruft nun die Gesundheitliche Notlage internationaler Tragweite aus. Dies ist für alle Ausbrüche unabhängig von deren Ausdehnung möglich. Als die WHO Covid-19 schließlich zur Pandemie erklärte, bedeutete dies wenig mehr als die Anerkennung der Realität: Das Virus hat sich binnen zweier Monate über den gesamten Globus verbreitet.

Verlauf der Infektion

Verlauf der Infektion

Wenn das Coronavirus einen Menschen infiziert, setzt dessen Körper seine Abwehrmechanismen in Gang, die schließlich in die ersten Symptome münden: in der Regel Husten und Fieber. Diese Spanne zwischen Ansteckung und ersten Symptomen wird Inkubationszeit genannt. Bei Sars-CoV-2 dauert sie ein bis 14 Tage, im Mittel aber fünf Tage. Daraus leitet sich die Regelung ab, Erkrankte und Verdachtsfälle zwei Wochen lang zu isolieren.

Um der Gegenwehr des Immunsystems zu entkommen, versuchen Krankheitserreger, möglichst schnell weitere Menschen zu infizieren. Vielen Erregern gelingt dies nicht sofort; es gibt eine gewisse Latenzzeit, während der ein infizierter Mensch andere noch nicht anstecken kann. Die Latenzzeit ist nicht zwangsläufig identisch mit der Inkubationszeit. Wie lange sie im Falle einer Sars-CoV-2-Infektion dauert, ist noch nicht bekannt.

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Es gibt erste Hinweise, dass Infizierte das Virus bereits vor oder unmittelbar zu Beginn der ersten, kaum spürbaren Symptome weitergeben. Es gibt auch Berichte, dass nachweislich Infizierte überhaupt keine Symptome entwickeln und trotzdem andere anstecken. Beide Phänomene erschweren die Eindämmung der Pandemie. Experten gehen allerdings bislang davon aus, dass vor allem bereits Erkrankte das Virus übertragen.

Die Betroffenen

So wie chinesische Forscher es darstellen, begann alles am 29. Dezember 2019. In der chinesischen Stadt Wuhan wurden vier untypische Lungenentzündungen bemerkt. Die ersten Patienten, die in einem Ausbruch entdeckt werden, bezeichnet man als Indexfälle. Eher unwissenschaftlich wird ein Indexfall bisweilen auch Patient 0 genannt. Er ist aber nicht zwangsläufig der allererste Erkrankte eines Ausbruchs. Dieser wird als Primärfall bezeichnet - und bleibt häufig unbekannt. In China wurde der Erkrankungsbeginn nachträglich auf den 8.

Dezember 2019 datiert. Ob es zuvor weitere Fälle gab, ist ungewiss. Es wirkt manchmal herzlos, wenn Wissenschaftler die Erkrankten und deren dramatische Schicksale als Fall bezeichnen. Damit aber wird ausgedrückt, dass die Personen einer bestimmten Falldefinition entsprechen. Sie ist das Herzstück aller Statistiken. Nur wer ihre Kriterien erfüllt, wird erfasst. Als bestätigter Covid-19-Fall gilt nach der Definition des Robert-Koch-Instituts, wer mit einem Labortest positiv auf das Virus getestet wurde - unabhängig von seinen Symptomen. Im Laufe von Ausbrüchen wird die Falldefinition manchmal geändert, etwa wenn ein Test verfügbar wird oder wegen zu vieler Verdachtsfälle nicht mehr angewendet wird. Das erschwert die Auswertung von Statistiken.

Tödlichkeit

Ein weiterer wichtiger Indikator für die Schwere eines Ausbruchs ist das Potenzial eines Erregers, seine Opfer zu töten. Es lässt sich berechnen, indem man die Zahl der Verstorbenen durch die Zahl der Erkrankten oder Infizierten teilt. Diese Größe heißt Letalität. Sie sagt, wie groß das Sterberisiko für den einzelnen Erkrankten ist.

Allerdings stößt man mit der simplen Berechnung dieses Quotienten auf Probleme, wenn sich eine Epidemie rasant ausbreitet. Zum einen ist der Nenner nicht klar: Niemand weiß mit Sicherheit, wie viele Menschen aktuell mit Sars-Cov-2 infiziert sind. Zum anderen passen Zähler und Nenner zeitlich nicht richtig zusammen. Ein Teil der Menschen, die heute positiv getestet werden, sterben erst später. Bei Covid-19 können zwischen Krankheitsausbruch und Ableben zwei bis acht Wochen vergehen. Diese Todesfälle fehlen also in der Berechnung der aktuellen Letalität.

Eine bessere Abschätzung der Letalität erhält man, indem man abgeklungene, gut dokumentierte Ausbrüche an einzelnen Orten analysiert oder mathematische Modelle aufsetzt, die die Verzerrungen ausgleichen. Beide Ansätze sprechen dafür, dass die Letalität von Covid-19 bei etwa einem Prozent liegt. Auf ganz Deutschland hochgerechnet, könnte das schlimmste Szenario daher so aussehen: Ohne Eindämmungsmaßnahmen infizieren sich zwei Drittel aller Deutschen, von denen jeder Hundertste stirbt. Das wären mehr als eine halbe Million Menschen.

Eine andere Maßzahl der Sterblichkeit spiegelt die Belastung für die Gesellschaft wider: Man teilt die Zahl der Todesfälle durch die Gesamtbevölkerung. Diese Größe, Mortalität genannt, ist im Fall von Covid-19 noch gering, niedriger als bei einer Grippewelle, was mitunter den Eindruck erzeugt, Covid-19 sei weniger schlimm. Doch je mehr Menschen sich infizieren, desto stärker wird auch die Mortalität zunehmen.

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