Italien:"Ein Schmerz, der täglich aufflammt"

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Mehr als 1400 Menschen sterben in Italien allein am Wochenende, weltweit breitet sich das Virus rasend schnell aus.

Europas Staaten kämpfen gegen das Coronavirus, das sich trotz aller Notstandsmaßnahmen und Ausgangsbeschränkungen rapide weiter ausbreitet. Vor allem in Italien ist die Krise außer Kontrolle. Dort starben mehr als 1400 Menschen allein an diesem Wochenende. "Es ist die schwerste Krise für das Land seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte: "Der Tod so vieler Mitbürger ist ein Schmerz, der täglich aufflammt." In Spanien gab es 400 Tote binnen 24 Stunden. Ministerpräsident Pedro Sánchez warnte im Fernsehen, das Schlimmste stehe noch bevor.

In der EU, deren Mitgliedsstaaten an vielen Stellen wieder nationale Grenzkontrollen eingeführt haben, wächst der Druck, gemeinsam gegen die Seuche vorzugehen. Sánchez fordert von der EU einen Marshall-Plan zur Überwindung der Pandemie: "Europa kann und muss mehr tun." EU-Ratschef Charles Michel sprach sich dafür aus, ein europäisches Krisenzentrum und einen europäischen Zivilschutz zu schaffen: "Es fehlt ein einheitliches Kommando." Die EU-Außenminister beraten an diesem Montag über die Rückholaktionen für Hunderttausende EU-Bürger, die wegen der Corona-Krise im Ausland gestrandet sind.

Alarmiert klang auch die britische Regierung. Ministerpräsident Boris Johnson wurde in Zeitungen mit dem Satz zitiert: "Wir sind nur Wochen, zwei oder drei, hinter Italien." Die Behörden wollen 1,5 Millionen Menschen, die ein hohes Ansteckungsrisiko haben, auffordern, für mindestens zwölf Wochen ihre vier Wände nicht zu verlassen. Britische Ärzte bekamen laut Medienberichten die offizielle Anweisung, nach Überlebenschancen der Patienten abzuwägen, wer Hilfe erhält. Johnson war in Großbritannien zuvor hart kritisiert worden. Viele werfen ihm vor, die Corona-Krise unterschätzt und heruntergespielt zu haben. Zu diesen Kritikern gehört offenkundig auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Am Sonntag drohte er, die Grenzen nach Großbritannien zu schließen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte davor, gegen das Coronavirus vor allem auf die Einschränkung des gesellschaftlichen Lebens zu setzen. "Worauf wir uns wirklich konzentrieren müssen, ist, die Kranken mit Infektionen zu finden und sie zu isolieren", sagte der WHO-Experte Mike Ryan in der BBC. Andernfalls drohe sich das Virus erneut zu verbreiten, "wenn die Bewegungseinschränkungen wieder aufgehoben werden".

Fast jeder dritte US-Amerikaner wurde von den Behörden aufgefordert, seine vier Wände nicht zu verlassen. Die Bundesstaaten Ohio und Louisiana setzten Beschränkungen in Kraft, die zuvor schon New York, Kalifornien, Illinois, Connecticut und New Jersey erlassen hatten. In den Bundesstaaten leben insgesamt etwa 100 Millionen US-Bürger. Brasilien, das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas, meldete am Sonntag mehr als 1000 Infizierte, 19 Menschen starben bisher. Die tatsächliche Zahl der Infizierten dürfte allerdings weit darüber liegen. Während Präsident Jair Bolsonaro die Pandemie erneut als "gripezinha", kleine Grippe, verharmloste, setzten einzelne Bundesstaaten restriktive Maßnahmen um. So verhängte São Paulo als erster eine Ausgangssperre. Bolsonaro bezeichnete das als "Hysterie".

© SZ vom 23.03.2020 / dpa/SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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