Kolumne "Alles Gute":Mit den Pommes kommt die Normalität

Lesezeit: 2 min

(Foto: Steffen Mackert)

In Brüssel hat Belgiens berühmteste Frittenbude nach einer Corona-Pause wieder geöffnet. Gut für Esser und Bauern. Doch eine Sache fehlt noch.

Von Matthias Kolb, Brüssel

Wer nach Belgien zieht, erntet oft erst mal mitleidige Blicke. Brüssel gilt als Stadt des Dauer-Nieselregens, bevölkert ausschließlich von ernsten EU-Bürokraten. Beides ist nicht ganz falsch, doch jeder Neuankömmling lernt schnell, dass es in Belgien eine faszinierende Vielfalt gibt: drei offizielle Sprachen, drei Regionen, viel Bürokratie und zugleich eine Kultur des "Leben und Lebenlassens". Und wie soll man es nicht gut aushalten in einem Land, das drei Dinge perfektioniert hat: Bier, Schokolade und Fritten. Während der Corona-Beschränkungen, die in Brüssel confinement heißen, mangelte es nie an den beiden erstgenannten Spezialitäten. Doch fast alle der 5000 friteries, die in Flandern Fritkot oder Frit Huis heißen, stellten die Fritteusen ab und verriegelten ihre Buden.

Das galt bis zum 1. Mai auch für "Maison Antoine", wo es Brüssels berühmteste Pommes gibt. Der Laden befindet sich im Europaviertel und damit keine 300 Meter entfernt vom SZ-Büro. Belgiens ehemaliger König Albert II. gehört ebenso zu den Fans wie Angela Merkel, die sich im Februar 2016 in einer Gipfel-Pause mit Fritten stärkte. Die Nachricht, dass die doppelt in Rinderfett frittierten Kartoffel-Stäbe endlich wieder verkauft würden, sorgte erst in der Twitter-Blase für Enthusiasmus und dann für Schlangen an der Place Jourdan - natürlich mit den nötigen 1,5 Meter Abstand und verschwörerischen Blicken der Pommes-Enthusiasten. Das Gefühl, dass etwas Normalität zurückkehrt, wird so nicht getrübt. Im Gegenteil: Stammkunden des 1948 gegründeten "Antoine" sind froh, wenn sie weniger als eine halbe Stunde warten müssen.

SZ-Kolumne "Alles Gute"
:Färöer vor, noch ein Tor!

Endlich wird in Europa wieder Liga-Fußball gespielt, die Fans sollten jetzt ganz schnell ein paar färingische Spielernamen lernen.

Von Kai Strittmatter

Futtern für die Bauern

Wie bisher wird nur Bargeld akzeptiert, doch etwas fehlt: Üblicherweise nimmt man die Tüte heißer Pommes mit in eine der Kneipen am Rande des Platzes, bestellt ein Bier und schaut, wer vorbeiläuft - oder in der Schlange steht. "Fritten akzeptiert" steht weiterhin in mehreren Sprachen auf Markisen und Aufstellern, doch dieser Teil des belgischen Alltags - oft zu Beginn des Feierabends - bleibt verboten.

Zum lang vermissten Geschmack von Mayonnaise und scharfen Saucen wie "Pili-Pili" oder "Andalouse" kommt die Gewissheit, als Teilzeit-Belgier eine Bürgerpflicht zu erfüllen. Ende April schlugen die Kartoffelbauern Alarm: Ihr Verband mit dem schönen Namen Belgapom rief dazu auf, mindestens zwei Mal pro Woche Pommes zu essen. Sonst müssten Hunderte Tonnen Kartoffeln vernichtet werden - trotz erhöhter Spenden an Tafeln und soziale Einrichtungen. Belgien ist nämlich der größte Kartoffel-Exporteur der Welt, doch wegen Covid-19 bricht die Nachfrage ein. Also scheint klar, dass künftig viele Spaziergänge zu "Antoine" führen werden - auch wenn Kneipen noch geschlossen sind.

In jeder Krise passiert auch Gutes, selbst wenn man es nicht immer auf den ersten Blick erkennen kann. In dieser Kolumne schreiben SZ-Redakteure täglich über die schönen, tröstlichen oder auch kuriosen kleinen Geschichten in diesen vom Coronavirus geplagten Zeiten. Alle Folgen unter sz.de/allesgute

© SZ/vwu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Corona-Ausbruch auf Kreuzfahrtschiff
:"Genug ist genug"

Ein Tui-Schiff sollte gestrandete Mitarbeiter nach Hause bringen. Jetzt hängt es wegen mehrerer Corona-Fälle seit einer Woche in Cuxhaven fest. Und die Geduld der Menschen an Bord schwindet.

Von Peter Burghardt

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: