Gutes von gestern:Zwischen Lupinen und Dickköpfen

Das Projekt Storchengarten aus Markt Schwaben hat es sich auf die Fahnen geschrieben, historische heimische Pflanzensorten hierzulande wieder hoffähig zu machen

Von Florian Kappelsberger, Markt Schwaben

Ein eher seltener Anblick in landwirtschaftlichen Betrieben sind Marienkäfer. "Da!", ruft Doris Seibt und deutet auf einen, der gerade ein Kohlblatt empor krabbelt. Solche Nutzinsekten schützen die Pflanzen vor Blattläusen, erklärt Seibt. Oft fallen sie Pestiziden zum Opfer. Nicht so im Storchengarten bei Markt Schwaben; hier wird ganz auf Pflanzenschutzmittel verzichtet.

An einem sonnigen Nachmittag führt Doris Seibt, die Leiterin des Storchengartens, zusammen mit Adeline Klinge und zwei weiteren ehrenamtlichen Mitstreiterinnen durch den Storchengarten und stellt das Projekt vor. Seit mehr als sechs Jahren werden hier verschiedenste heimische Pflanzen ökologisch angebaut - ohne Pestizide, Kunstdünger oder Gentechnik. Da viele von ihnen in der Nachkriegszeit zunehmend verdrängt worden und heute nahezu aus der Region verschwunden sind, bestellt Seibt die Samen der Pflanzen aus der Genbank des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, wo sie zuvor mehr als 20 Jahre lang gearbeitet hatte.

Ziel sei es, die historischen, oft in Vergessenheit geratenen Sorten wiedereinzuführen und Saatgut zu gewinnen, um sie erhalten und weiterverbreiten zu können. Das Projekt wurde bereits mehrmals ausgezeichnet, etwa durch die Vereinten Nationen 2016 und 2018. Es sei sowohl mit bundesweiten Organisationen wie dem Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt als auch mit lokalen Initiativen wie dem Biohof Lex bei Erding vernetzt, erklärt Adeline Klinge, bleibe aber grundsätzlich eigenständig und basiere auf ehrenamtlicher Mitarbeit. Zudem zeigen sich viele Landwirte aus der Region sehr hilfsbereit - etwa die Familie Adlberger, die das Ackerland kostenfrei zur Verfügung stellt.

Im Moment steht der Storchengarten allerdings vor einer ungewissen Zukunft, da Doris Seibt spätestens in einem Jahr wegen eines Umzugs die Leitung aufgeben muss. Daher ist man derzeit auf der Suche nach einer fachlich qualifizierten Nachfolge, um das Projekt weiter zu betreiben. Da man außerdem nach wie vor auf Spenden zur Deckung der Sachkosten sowie auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist, gestaltet sich ein weiterer Ausbau schwierig.

Bei einer Führung durch die Reihen des Storchengartens stößt man auf eine Vielfalt lokaler Varianten von vertrauten Pflanzen, darunter Lupinen, Sonnenblumen, Tomaten, Dinkel, Linsen und Soja. Dabei entdeckt man ebenso weniger bekannte Sorten wie die Schweiger Gerste, die hier vor 1945 noch weit verbreitet war, oder den Bayerischen Dickkopf, eine heimische Salatpflanze. Auch Melonen, Kürbisse und Zucchini werden im Storchengarten angebaut. Diese stammen zwar nicht aus der Region, gesteht Seibt. "Aber die sind gut für die Kinder", fügt sie lachend hinzu.

Gutes von gestern: Ziel ist der Erhalt alter heimischer Arten.

Ziel ist der Erhalt alter heimischer Arten.

(Foto: Christian Endt)

Die historischen Sorten, die sich über Jahrhunderte an Klima und Bodenbeschaffenheit in der Region angepasst haben, erweisen sich oft als sehr widerstandsfähig, erklärt Agraringenieurin Seibt. Zudem sind sie samenfest, bringen also aus ihrem Saatgut Pflanzen mit denselben Eigenschaften hervor, die sich durch natürliche Bestäubung vermehren können. Bei hybriden Pflanzensorten, die in der modernen Landwirtschaft meist eingesetzt werden, ist dies nicht der Fall. Diese sind oft ertragreicher, allerdings muss das Saatgut jedes Jahr wieder neu gekauft werden, was in Seibts Augen eine neue Art von Abhängigkeit für Bauern schafft. Sie und ihre Unterstützerinnen sehen die globale Monopolstellung von Agrarkonzernen deshalb extrem kritisch. Die gewinnorientierte Strategie der Unternehmen bringe wenige und homogene Sorten der Pflanzen hervor, was die natürlichen Vielfalt bedrohe, so Seibt. Auch den Einsatz grüner Gentechnik lehnt sie ab, weil diese ihrer Meinung nach zu wenig untersucht ist; die Verbreitung gentechnisch manipulierter Pflanzen und die damit verbundenen Risiken seien in einem offenen System schlicht nicht beherrschbar.

Der ökologische Anbau historischer Sorten wie im Storchengarten habe dagegen mehrere Vorteile, sagt Seibt. So seien die Produkte meist gesünder und besser verträglich für Allergiker. Zudem profitiere das gesamte Ökosystem, denn durch den Verzicht auf Pestizide schütze man die Insekten, auch die Vogelpopulation könne sich erholen. Die Mitarbeit in solchen Projekten sei besonders attraktiv für Menschen, die keinen eigenen Garten haben, so Seibt; bei der Arbeit an der frischen Luft könne man nicht nur viel über den Anbau von Pflanzen lernen, sie mache auch Spaß und wirke entspannend. "Mit Pflanzen zusammenzuleben, das ist einfach was Schönes." Das Projekt bietet für Interessierte sowie Kindergartengruppen und Schulklassen außerdem regelmäßig Führungen an.

Gutes von gestern: Das Wasser wird an diesem Brunnen noch per Hand gepumpt.

Das Wasser wird an diesem Brunnen noch per Hand gepumpt.

(Foto: Christian Endt)

Zwar sieht Seibt den gesellschaftlichen und den politischen Aufschwung der Umweltschutzbewegung durchaus positiv, allerdings sei dies längerfristig angesichts der Gefahren des Klimawandels für Mensch und Natur schlicht nicht genug: "Tropfen auf den heißen Stein, da müssen viel mehr mitmachen." Es sei notwendig, dass Projekte zum Erhalt heimischer Sorten nicht mehr nur im ehrenamtlichen Bereich stattfinden, sondern auch vom Staat gefördert und finanziell getragen werden. Ökologischer Anbau, der im Moment für viele Bauern schlicht zu teuer ist, müsse subventioniert und mehr in die Ausbildung der Landwirte einbezogen werden, so Seibt. Zudem solle mithilfe von Führungen und Schulprojekten besonders bei Kindern ein Bewusstsein für die Vielfalt der Natur geschaffen werden, das ansonsten verloren zu gehen droht.

Doris Seibt hofft, dass das Projekt in Zukunft nicht nur fortgesetzt, sondern ausgebaut werden kann. Ziel sei es, den Storchengarten mehr gemeinschaftlich zu gestalten und enger mit Einrichtungen wie Schulen zusammenzuarbeiten, um Führungen und Ausstellungen anzubieten. "Warum sollen wir nicht die Vielfalt erhalten?", fragt Seibt.

Die nächsten Führungen finden am 18. Juli, 22. August und 12. September jeweils ab 15 Uhr statt. Anmeldung unter (08121) 254273.

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