Neubiberg/Unterhaching:Luft aus den Alpen kühlt die Region

Neubiberg/Unterhaching: Nicht einfach nur Landschaft, sondern eine wichtige Frischluftschneise: das Hachinger Tal, hier nördlich von Infineon.

Nicht einfach nur Landschaft, sondern eine wichtige Frischluftschneise: das Hachinger Tal, hier nördlich von Infineon.

(Foto: Claus Schunk)

Ob dieser Effekt durch eine Bebauung des Hachinger Tals eingeschränkt wird, diskutieren Gemeinderäte in Neubiberg und Unterhaching. Eine Studie des Deutschen Wetterdienstes wird am Dienstag vorgestellt.

Von Daniela Bode und Iris Hilberth, Neubiberg/Unterhaching

Es wird wärmer in München. Im ungünstigsten Fall kann sich die Zahl der Sommertage im Stadtgebiet bis zum Jahr 2050 sogar verdoppeln. Seit Ende Juni liegt nun eine Studie des Deutschen Wetterdiensts und des Referats für Gesundheit und Umwelt vor, die auf hundert Seiten genau dieses Phänomen beschreibt und die Wichtigkeit der Durchlüftung der Stadt durch das sogenannte "Alpine Pumpen", ein thermisch angetriebenes Luftaustauschsystem zwischen den Alpen und der Münchener Schotterebene, bestätigt. An diesem Dienstag, 7. Juli, soll die Studie im Münchner Umweltausschuss vorgestellt werden.

Auch im Hachinger Tal, das als Frischluftschneise für die südöstlichen Stadtteile gilt, blicken die Kommunalpolitiker mit großem Interesse auf die Untersuchungsergebnisse. Die einen - wie eine Mehrheit im Neubiberger Gemeinderat -, weil sie gerne weiteres Gewerbe ansiedeln würde, die anderen - allen voran die Grünen -, weil sie um die Frischluft fürchten und eine Bebauung unbedingt verhindern wollen. Sie sehen sich mit der Stadtklima-Studie bestätigt, in der es heißt: "München als Großstadt ist von den wärmeren Temperaturen deutlich stärker betroffen als das Umland und auf eine Durchlüftung durch das regionale Windsystem 'Alpines Pumpen' angewiesen. " In Neubiberg sind die Meinungen zu einer möglichen Bebauung des Kapellenfelds im Ortsteil Unterbiberg mit Gewerbegebäuden unverändert. Während sich CSU, SPD und Freie Wähler weiterhin eine maßvolle Bebauung vorstellen können, wollen die Grünen noch das mikroklimatische Gutachten abwarten. Der Münchner Stadtrat hat im Dezember 2019 beschlossen, ein solches in Auftrag zu geben.

Zwar wird in der Klima-Studie betont, dass der vorliegende Bericht auf gesamtstädtischer Ebene nicht beantworten könne, wie die Funktionsfähigkeit von Luftaustauschbahnen durch einzelne Bebauungsvorhaben beeinträchtigt werden kann. Das könne eben nur durch mikroskalige Gutachten überprüft werden. Die Grünen, die mit Paul Heger vom Ortsverband Ramersdorf-Perlach einen Meteorologen in ihren Reihen haben, sagen aber auch: "Erstmals wird modelliert, dass das Alpine Pumpen sogar derart einflussreich ist, dass es das Maximum der städtischen Wärmeinsel vom späten Abend bis zum Morgen in den Norden der Stadt verschiebt. Eine gewisse kühlende Wirkung reicht also bis in die Altstadt."

Neubiberg/Unterhaching: Paul Heger, Meteorologe und Grüner

Paul Heger, Meteorologe und Grüner

(Foto: Claus Schunk)

Besonders nachts sei der kühlende Einfluss der Winde, die auch noch schadstoffärmer und damit doppelt wichtig seien, signifikant. Die vorliegenden Ergebnisse zeigten, dass dieser Effekt mehrere Grad ausmachen dürfte. Die Unterhachinger Grünen betonen die "Riesenverantwortung, Klimavorsorge, also Klimaschutz zu betreiben." Das könne etwa mit Gestaltung des Wohn- und Geschäftsbaus und des Verkehrsflusses passieren. "Wir müssen auch Klimaanpassung in den Gemeinden betreiben, also für Kühlung vor Ort sorgen und Hitzestaus vermeiden", sagt Ortsverbandsvorsitzende Claudia Köhler.

Pardeller: ökologisch- und ökonomisches Vorzeigeprojekt

Elisabeth Gerner, 2020

Die SPD-Fraktionsvorsitzende in Neubiberg, Elisabeth Gerner

(Foto: Claus Schunk)

Der neue Neubiberger Bürgermeister Thomas Pardeller (CSU) findet, dass sich eine Aussage zum Standort Kapellenfeld der Studie nicht entnehmen lässt. Allerdings gelte allgemein: "Bei jeder Entwicklung soll und muss auf die Auswirkungen für Klima und Umwelt geachtet werden." Er wünscht sich für das Gebiet ein ökologisch- und ökonomisches Vorzeigeprojekt, das den höchsten Ansprüchen an Klima- und Umweltschutz genügt. Eine Bebauung sei "nur denkbar, wenn weiterhin die Funktion der Frischluftschneise gewahrt wird." Das sei vermutlich mit einer entsprechenden Baudichte und Bauhöhe erreichbar, sagt der Bürgermeister. Pardeller weist zudem darauf hin, dass die Gemeinde Neubiberg höhere ökologische Maßstäbe als die Nachbarkommunen anlegen werde, die in der Vergangenheit zahlreiche Bauprojekte realisiert hätten und damit zur Veränderung des Stadtklimas beigetragen hätten.

Ähnlich sieht es die SPD-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Gerner. Hinter Infineon noch eine maßvolle Bebauung zu ermöglichen, sei "nicht großartig schädlich", meint sie. Zumal auch über Bebauungspläne Einfluss genommen werden könne. Vielmehr verweist sie darauf, dass Neubiberg dringend Gewerbesteuereinnahmen braucht und nicht weiter von ein oder zwei Firmen abhängig sein sollte. Sie setzt auf die Ansiedlung regionaler Gewerbebetriebe. "Wir wollen ja Kindergärten und andere Dinge finanzieren", sagt sie. Natürlich müsse bei einer Bebauung der Frischluftgedanke beachtet werden und eine Absprache mit Nachbargemeinden stattfinden. Auch die Freien Wähler können sich laut Fraktionsvorsitzendem Reiner Höcherl eine maßvolle Bebauung vorstellen, um weitere Gewerbesteuereinnahmen erzielen zu können. Aber alles unter Berücksichtigung ökologischer Gesichtspunkte, die sich aus weiteren Gutachten ergäben.

Mikroklimatologisches Gutachten ist noch nicht beauftragt

Die Grünen im Gemeinderat sind wesentlich zurückhaltender. "Die DWD-Studie bestätigt unsere Position, die Frischluftschneise und den Regionalen Grünzug des Hachinger Tals zu schützen, und betont die Bedeutung der Frischluftschneise", sagt Fraktionssprecherin Lucia Kott. Aus ihrer Sicht ist noch das mikroklimatische Gutachten abzuwarten. Die mögliche Bebauung steht auch im Zusammenhang mit dem Strukturkonzept Hachinger Tal, einem interkommunalen Konzept der Stadt München und der Gemeinde Neubiberg, in dem es auch um den Verkehr und den Hochwasserschutz geht. Die Stadt München hatte an der Stadtgrenze bisher Wohnbebauung anvisiert. Davon nimmt sie aber offenbar Abstand. Denn im Koalitionsvertrag der Münchner SPD und der Grünen ist eine Passage enthalten, die besagt: "Das Hachinger Tal im Südosten Münchens wird von weiterer Bebauung freigehalten." Neubibergs Bauamtsleiter Christian Einzmann ist dennoch zuversichtlich: "Es hindert uns nicht, wenn München nicht bauen sollte", sagt er.

Unterdessen kommt Kritik an der Stadt von der Bürgerinitiative "Frischluftzufuhr für München" und der München-Liste im Münchner Stadtrat. Sie bemängeln, dass das mikroklimatologische Gutachten noch immer nicht beauftragt sei.

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