Coronavirus:Die Politik muss eine gemeinsame Linie formen

Merkel to discuss coronavirus response with German state leaders

Angela Merkel kommt mit Markus Söder (re.) und Michael Müller (li.) zu einer Pressekonferenz.

(Foto: REUTERS)

Für den Pandemie-Winter sollte sie schlüssige, einheitliche und klare Regeln setzen - das Ergebnis der langen Nacht im Kanzleramt ist da viel zu wenig.

Kommentar von Jens Schneider, Berlin

Acht Stunden verhandelten sie im Kanzleramt, erst am späten Mittwochabend fanden sie ein Ende. Nach einer für sie überzeugenden Lösung klang freilich nicht, was die Bundeskanzlerin, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, und Bayerns Regierungschef Markus Söder sichtlich erschöpft präsentierten. Alle drei waren sich erkennbar nicht sicher, ob dieses Ergebnis reichen würde, um die beginnende zweite Welle der Corona-Infektionen in Deutschland einzudämmen. Nicht nur der Kanzlerin meinte man anmerken zu können, dass sie sich eine härtere Linie gewünscht hätte.

So stand am Ende dieses Abends der Eindruck, dass dies bestenfalls ein Anfang war auf dem Weg zu dem nötigen entschiedeneren Vorgehen - hin zu den wesentlichen Aufgaben, aber nicht das klare Zeichen, das geboten wäre. Man kennt diese Runden mit ihren zähen Verhandlungen und den Kompromissen am Ende seit Jahren. Je länger sie dauern, desto schlechter ist in der Regel das Ergebnis. Sie gehören zur Normalität der Politik, und in normalen Zeiten kann man damit leben.

Aber dies sind keine normalen Zeiten, und die bewährten Rituale reichen nicht. Bereits Mitte Oktober erlebt das Land den verfrühten Anfang eines mutmaßlich langen Corona-Winters im Zeichen stark steigender Infektionen, Erkrankungen und Opferzahlen. Deshalb war das Treffen der Regierungschefs der Länder und der Kanzlerin ja von so entscheidender Bedeutung, um den Umgang mit der Pandemie im Winter festzulegen. Zuletzt hatten sie ihre gemeinsame Linie verloren, dieser Dissens musste jetzt ausgetragen werden. Es war Zeit für eine Zäsur.

Erst in den kommenden Tagen und Wochen wird sich zeigen, was die einzelnen Ergebnisse dieser langen Verhandlungen wert sind. Es wird darauf ankommen, dass die Politik für den nahenden Winter eine gemeinsame Linie formt - auch wenn es weiter Unterschiede zwischen Ländern geben mag, weil sie unterschiedlich betroffen sind.

Die Grundregeln sollten jedoch für alle gelten und nicht bei jeder neuen Hiobsbotschaft erneut infrage stehen. Gerade strengere Vorgaben müssen berechenbar bleiben für die Bürger, für die das Virus auch ohne politisches Wirrwarr eine tägliche Herausforderung ist, weil es in vielen Begegnungen schwer genug ist, den richtigen Umgang zu finden.

Dem Kanzleramt ging es darum, jetzt gezielt dort anzusetzen, wo für jeden erkennbar die zuletzt schwer kontrollierbaren Infektionsherde sind. Anders als im Frühjahr weiß man darüber heute sehr viel - vor allem, was etwa die Verbreitung von Corona durch private Feiern mit vielen Menschen angeht. Das ist kein Geheimwissen. Das können die oft über die Pandemie wohl informierten Bürger selbst an Zahlen ablesen, die leicht zugänglich sind. Die Erfahrungen der vergangenen Monate haben gezeigt, dass die meisten Bürger sich an Regeln halten, wenn sie schlüssig, einheitlich und klar sind.

Letztlich sind das auch die Anforderungen, die es braucht, um zur Not Verbote und Einschränkungen durchsetzen zu können. Und die müssen durchgesetzt werden. Es wird von großer Bedeutung sein, dass die regierenden Politiker sich schnell wieder darauf konzentrieren, die im Kampf gegen die Pandemie zentralen Botschaften zu definieren und zu vermitteln - ohne die Nickligkeiten, wie sie zuletzt etwa zwischen Bayern und Berlin ausgetauscht wurden und ohne ständige Schlupflöcher und Ausnahmen für einzelne Länder, die alle gemeinsamen Beschlüsse entwerten. Es gibt jetzt Wichtigeres zu tun.

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