Klimaschutz:Der nächste Streit

Wasserstoff Tankstelle Berlin, DEU, 23.06.2020 - Betankung eines Toyota Mirai an einer Wasserstoff Tankstelle der Shell

Ein Toyota Mira tankt in Berlin Wasserstoff. In die Alternative zu E-Autos werden viele Hoffnungen gesetzt.

(Foto: Jochen Eckel/imago images)

Die Umweltminister müssen sich mit dem EU-Parlament auf das neue Klimaziel einigen. Doch die Abgeordneten fordern mehr. Uneinigkeit gibt es auch beim Thema Wasserstoff.

Von Michael Bauchmüller und Karoline Meta Beisel, Berlin/Brüssel

In der vergangenen Woche haben sich die Staats- und Regierungschefs der EU auf ein neues Klimaziel geeinigt: Um mindestens 55 Prozent bis 2030 wollen die EU-Länder im Vergleich zu 1990 ihre Emissionen reduzieren. Es war also nur Vollzug, dass die EU-Umweltminister bei ihrem Treffen am Donnerstag in Brüssel diese Zahl in ihre Verhandlungsposition des Europäischen Klimagesetzes einfügen, auch wenn Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sich trotzdem freute: damit verpflichte sich die EU "unumkehrbar und verbindlich zum Klimaschutz".

Der nächste Streit beginnt mit diesem Beschluss aber erst. Denn zum einen müssen die Umweltminister sich nun auch mit dem EU-Parlament über das neue Klimaziel einigen. Dort fordern die Abgeordneten sogar 60 Prozent, ohne Emissionseinsparungen etwa durch Aufforstung anzurechnen. Die minus 55 Prozent der Mitgliedstaaten sei darum "zu niedrig und hat mehr Tricks als Substanz", sagt etwa der grüne Abgeordnete Michael Bloss. Immerhin könnten jetzt die Verhandlungen für das Gesetz weitergehen: Am kommenden Montag soll die nächste Runde stattfinden.

Über die europäischen Wasserstoff-Projekte gibt es große Unstimmigkeiten

Zum anderen haben die EU-Länder teilweise vollkommen unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sie das neue Ziel erreichen wollen, und wer wie viel dazu beitragen kann oder muss. Das zeigte sich in der vergangenen Woche, als die Staats- und Regierungschefs eine ganze Nacht lang verhandelten, bis sie sich auf das neue Ziel einigen konnten. Und man konnte es am Donnerstag bei einer virtuellen Konferenz sehen, zu der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) eingeladen hatte - rund um die Förderung europäischer Wasserstoff-Projekte.

Wasserstoff gilt als Wunderwaffe im Klimaschutz, dereinst könnte er Flugzeuge und Lastwagen, selbst Stahlwerke betreiben. Die EU-Staaten wollen deshalb Projekte "von gemeinsamen europäischen Interesse" aus der Taufe heben - mit öffentlicher Förderung und dem Segen Brüssels. Der "letzte große Erfolg" der deutschen Ratspräsidentschaft, sagt Altmaier. Was er nicht sagt: Schon die Arbeit an dem gemeinsamen Papier hat für viel Unmut gesorgt. Sollen die Europäer auch Projekte fördern, die gar nicht klimafreundlich sind - weil sie auf Erdgas basieren? Oder solche, die Wasserstoff aus Atomenergie erzeugen?

Der Streit und Erdgas und Atomkraft wird die Mitgliedstaaten ebenfalls weiter beschäftigen

Wochenlang wurden Entwürfe hin- und hergeschoben. Erst sollte der Wasserstoff aus Ökoenergie entstehen, dann aus "sauberer" Energie, schließlich aus "kohlenstoffarmer" Energie. Weswegen Staaten wie Spanien, Österreich, Portugal und Luxemburg am Donnerstag eine Zusatzerklärung vorbereitet haben. Zwar unterschreibe man das Manifest - "aber in dem Verständnis, dass diese Initiative sich ausschließlich auf Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen stützen sollte". Schließlich betrachte man diese als einzige langfristige Lösung, um bis 2050 klimaneutral zu werden. Da bleibt noch einiger Diskussionsbedarf.

Der Streit um Erdgas und Atomkraft wird die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament im kommenden Jahr noch in mehreren Varianten beschäftigen. Sei es bei der Grundsatzfrage, ob die Mitgliedstaaten ihre Klimaziele auch mit Hilfe dieser Energieträger erreichen können, bei der Reform der Verordnung über die europäischen Energienetze - oder bei der "Taxonomie", die bestimmt, welche Investitionen als "grüne" Investitionen gezählt werden können. Der Streit um den Wasserstoff dürfte also erst der Beginn einer schwierigen Auseinandersetzung gewesen sein.

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