Afrika:Entführt, erschossen, verscharrt

Afrika: Am Boden: Oppositionelle auf der Insel Sansibar protestieren gegen den tansanischen Präsidenten John Magufuli, Spitzname "Bulldozer".

Am Boden: Oppositionelle auf der Insel Sansibar protestieren gegen den tansanischen Präsidenten John Magufuli, Spitzname "Bulldozer".

(Foto: Marco Longari/AFP)

In Ländern wie Uganda, Tansania und Simbabwe wird die Opposition immer brutaler niedergeschlagen. Die Millionenhilfen aus Berlin und Brüssel fließen munter weiter.

Von Bernd Dörries, Kapstadt

Vor einem guten Jahr saß Bobi Wine in seinem Wohnzimmer in einem Vorort von Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Von seinem Fenster aus sah man ein paar Palmen und die Hühner im Garten. "Entweder bekommen wir unseren Frieden und die Freiheit, oder wir kommen dabei ums Leben, es versucht zu haben", sagte Bobi Wine. Es war der Herbst 2019, Wine hatte gerade angekündigt, im Januar 2021 gegen Präsident Yoweri Museveni zu kandidieren, der Uganda mittlerweile seit 34 Jahren regiert und immer mehr zum Diktator wird. Wine, 38, war früher ein populärer Sänger, heute ist er die große Hoffnung der Jugend in einem Land von 45 Millionen, in denen drei Viertel unter 30 Jahre alt sind. Und meist ohne große Perspektive. Sie werden uns ins Gefängnis werfen und uns töten, murmelte Wine nachdenklich. Er sollte recht behalten.

Inzwischen, gut ein Jahr später, sind Hunderte seiner Anhänger gestorben. Das Regime in Uganda hat mit Knüppeln auf sie eingeschlagen, auf sie geschossen, hat Granaten geworfen und Tränengas, seine Anhänger wurden entführt und erschossen, verscharrt und gefoltert. Es gab eine Zeit, da hatte Bobi Wine noch gehofft, dass Hilfe von außen kommt, dass andere Länder das Regime zum Einlenken zwingen. Es zumindest versuchen. "Wir Ugander haben lange darauf gewartet, dass wir Hilfe aus dem Ausland bekommen. Mittlerweile wissen wir, ohne die Hilfe des Westens gäbe es diesen Diktator schon lange nicht mehr. Diese Länder sind Mittäter, sie interessieren sich nicht für Werte oder Menschen, sondern nur für Geschäfte", sagt Bobi Wine.

Wieso gibt es eigentlich Botschafter, wenn sie keine Botschaft haben?

Uganda gehört seit Jahrzehnten zu den größten Empfängerländern von Entwicklungshilfe in Afrika, jedes Jahr fließen Milliarden, bis zu zwanzig Prozent des Staatshaushaltes werden von den USA und Europa finanziert. Und damit womöglich auch die Sicherheitskräfte, die auf Bobi Wine schießen. Vom Deutschen Botschafter in Kampala war in all den Jahren kaum ein kritisches Wort zu hören. Wieso gibt es eigentlich Botschafter, wenn sie keine Botschaft haben?

Vor zwei Jahren hat sich das Auswärtige Amt neue Richtlinien zur Afrikapolitik gegeben, die das Handeln der Diplomaten leiten sollen. Aber tun sie das auch? "Werte- und menschenrechtsbasiert, interessenorientiert, früh, schnell, entschieden und substanziell" wollen sie auf dem afrikanischen Kontinent handeln. Die Realität sieht meist anders aus.

Auch in Tansania und Simbabwe wird die Opposition seit Jahren immer heftiger zusammengeknüppelt, auch hier fließen die Millionenhilfen aus Berlin und Brüssel munter weiter, hat das Regime keinerlei Konsequenzen zu befürchten. Als die Polizei in Uganda Mitte November einmal wieder Bobi Wine festnahm, protestierten seine Anhänger auf den Straßen, mindestens 54 Menschen kamen uns Leben, erschossen von der Polizei. Eine Woche berieten sich die Botschafter von Deutschland, Frankreich, Dänemark, Norwegen und gaben schließlich eine kurze Erklärung heraus, in der sie eine unabhängige Aufklärung der Vorfälle fordern und "alle Parteien" bitten, von Gewalt abzusehen. So, als seien alle irgendwie gleich schuld.

Die EU schickt nicht einmal mehr Wahlbeobachter

Seitdem geht die Gewalt gegen die Opposition weiter, ausländischen Journalisten wurde der Zugang zum Land immer wieder erschwert, wer über die Wahlen am 14. Januar berichten will, muss durch ein endloses Akkreditierungsverfahren. Manchmal scheint es so, als würde sich Präsident Yoweri Museveni nach 34 Jahren an der Macht nur noch lustig machen über die zahnlose Internationale Gemeinschaft, die weiter fleißig ihre Schecks ausstellt. Die EU schickt nicht einmal mehr Wahlbeobachter, weil keiner ihrer Verbesserungsvorschläge aus den vergangenen Wahlen umgesetzt worden sei. Dennoch stieg die EU-Entwicklungshilfe seit 2010 auf fast das Doppelte.

"Wer Menschenrechte systematisch missachtet, Oppositionelle unterdrückt, der darf nicht aus Deutschland finanziert werden. Ich fordere ein Ende der Despotenhilfe", sagt Christoph Hoffmann, der entwicklungspolitische Sprecher der FDP. Die Hilfe an Uganda wurde lange damit begründet, dass das Land ein Stabilitätsanker in Ostafrika sei und den Kampf gegen den Terror unterstütze. Mittlerweile aber terrorisiert das Land vor allem seine eigene Bevölkerung.

Spricht man mit deutschen Diplomaten in afrikanischen Krisenregionen, dann berichten sie davon, dass die Vermeidung von Migration in Berlin oberste Priorität habe. Menschenrechte, Demokratie, das alles spiele kaum noch eine Rolle. "Die Vermeidung von Flüchtlingsströmen funktioniert langfristig nur, wenn das Wohlstandsgefälle abgebaut werden kann. Dazu müssen sich die Partnerländer entwickeln und industrialisieren können. Genau das verhindern aber Despoten und Kleptokraten, weil sie keine Investitionssicherheit, keine Rechtssicherheit bieten", sagt Hoffmann.

Unter Donald Trump genossen die Diktatoren Afrikas eine gewisse Grundsympathie

Mittlerweile scheint aber auch Museveni das Gespür verloren zu haben, wie weit er gehen kann. Unter Donald Trump genossen die Diktatoren Afrikas eine gewisse Grundsympathie, die die Regierung Biden nicht mehr teilen wird. Eliot L. Engel, der demokratische Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Repräsentantenhaus, forderte vor Kurzem, führende Militärs in Uganda auf eine Sanktionsliste zu setzen und die Finanzhilfen für das Land zu überprüfen. Fragt man das Auswärtige Amt, ob eine solche Gangart eine gute Idee wäre, wird man an das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit verwiesen.

So zeigt sich ein Grundproblem der deutschen Afrikapolitik: Selbst wenn die Diplomaten gerne konsequenter handeln, ihren Gesprächspartnern vor Ort mit Entzug der Finanzhilfen drohen würden, sie können es nicht einfach so. Denn über die Entwicklungshilfe wird woanders entschieden.

"Wir werden künftig aber noch konsequenter handeln und uns aus Ländern zurückziehen, die sich bei guter Regierungsführung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Kampf gegen die Korruption verschlechtern", hatte Bundesentwicklungsminister Gerd Müller 2017 der SZ gesagt. Die Realität sieht anders aus, die Hilfen für Uganda sind seitdem gestiegen. Was auch für andere Regime in Afrika gilt, die keine Konsequenzen befürchten müssen.

Tansania bekommt etwas weniger Geld aus Berlin als in den Jahren zuvor, was vor allem daran liegt, dass der Autokrat John Magufuli nicht mehr jedes Projekt nimmt, das man sich in Europa ausgedacht hat. Vor einer Woche entführte das Regime in Uganda den Menschrechtsanwalt Nicholas Opiyo, der 2017 den Deutschen Afrika-Preis erhalten hatte. Einige Tage später wurde der Bodyguard von Bobi Wine erschossen und er selbst mal wieder verhaftet. Große diplomatische Proteste gab es daraufhin nicht.

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