Union:Lächelnd im Hagelsturm

CDU-Parteichef Armin Laschet 2021 in Berlin

"Es geht keiner gestärkt oder geschwächt daraus hervor" - so formulierte es CDU-Chef Armin Laschet nach seinem Auftritt vor der Unionsbundestagsfraktion am Dienstag.

(Foto: Annegret Hilse/REUTERS)

Armin Laschet zeigt sich unbeeindruckt von den Angriffen aus den eigenen Reihen, seine Leute reden sie klein. Das Söder-Lager aber sieht keinen Anlass zum Einlenken.

Von Roman Deininger, Boris Herrmann und Robert Roßmann

Über das, was der CDU-Chef Armin Laschet angeblich alles nicht kann, ist in den vergangenen Tagen ausführlich geredet worden, zuletzt am Dienstagabend im Bundestag in einer denkwürdigen Sitzung der Unionsfraktion. Seit dieser Sitzung weiß man aber auch, was Laschet besonders gut kann: einstecken. Vier Stunden lang hatte er sich im Kreis der Abgeordneten von CDU und CSU die Zweifel an seiner Eignung als Kanzlerkandidat anhören müssen. Es gebe da draußen im Land keine Begeisterung für ihn, hieß es etwa, an der Parteibasis sei man verzweifelt, wenn man mit so einem Spitzenkandidaten in den Wahlkampf ziehen müsse, Markus Söder sei da einfach motivierender. So was lässt niemand gerne über sich ergehen. Und an einem frisch gewählten Parteichef, der auf einmal derart von seinen eigenen Abgeordneten gegrillt wird, kann das doch eigentlich nicht spurlos vorübergehen. Laschet allerdings ist mit der seltenen Gabe gesegnet, Demütigungen ignorieren zu können. Falls bei ihm in diesen vier Stunden je Zweifel daran aufgekommen sein sollten, dass er diesen widerspenstigen Söder schon noch irgendwie ausstechen wird, dann lässt er sich davon nichts, aber auch gar nichts anmerken.

Um kurz vor 19 Uhr verlässt er am Dienstag den Bundestag, als ob nichts gewesen wäre. Sein Lächeln scheint er dabei mit der güldenen Abendsonne abgestimmt zu haben. Von einer breiten Mehrheit der Wortmeldungen für Söder will Laschet nichts mitbekommen haben. "Es geht keiner gestärkt oder geschwächt daraus hervor", sagt Laschet. Diese Interpretation der Ereignisse hat er an diesem Abend weitgehend exklusiv. Und zwar auch deshalb, weil aus der Fraktionssitzung nicht nur allerlei Zitate, sondern auch ganze Strichlisten live nach draußen durchgestochen worden waren. Rund zwei Drittel der gut 60 Unionsabgeordneten, die das Wort ergriffen, sollen sich für Markus Söder ausgesprochen haben.

In der Kandidatenfrage geht es auch um höhere Mathematik

Am Morgen danach heißt es aus dem engeren Umfeld des CDU-Chefs trotzdem, die Stimmungslage sei wirklich gut. Bei Armin Laschet herrsche "totale Entspannung". Es mag sich dabei nicht um eine objektive Deutung der Wirklichkeit handeln, aber es zeigt, auf welchem Argumentationsteppich Laschet in den kommenden Tagen doch noch ins Ziel wandeln will. Das, was sich in der Fraktion ereignet habe, müsse man demnach nämlich im Kontext sehen. Also im Zusammenhang mit der "unglaublichen Breite" der Unterstützung, die Laschet am Montag in den Spitzengremien der CDU erfahren habe. Diese, so der Spin des Laschet-Lagers, sei vermutlich sogar zu eindeutig gewesen, als dass einer wie Söder das einfach so auf sich hätte sitzen lassen können. Der CSU-Chef habe dann eben noch den Punkt aus der Fraktion mitnehmen wollen. Der sei ihm auch gegönnt, wenngleich die Sache für die Außendarstellung der Union insgesamt natürlich fatal gewesen sei.

Es geht bei der Kanzlerkandidatenfrage jetzt allerdings auch um höhere Mathematik. Laschets Leute können auch Bruchrechnen. Aber bei ihnen stehen am Ende nicht zwei Drittel für Söder unterm Strich, sondern nur ein Siebtel. Denn bezogen auf die Gesamtzahl der 245 Unionsabgeordneten hätte sich nur dieser Anteil für den CSU-Chef ausgesprochen. Das sei doch deutlich weniger als vorab erwartet. Und es könne keineswegs das "klare Votum" in den CDU-Gremien für Armin Laschet aufwiegen. Außerdem sei - zumindest Stand Mittwochabend - noch kein CDU-Ministerpräsident oder Präsidiumsmitglied von Laschet abgefallen und ins Söder-Lager übergelaufen.

Auch jenseits der Algebra sieht sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident von der Fraktionssitzung angeblich in seiner Tiefenentspanntheit bestärkt. Die Unterstützer Söders hätten nämlich ausschließlich ein Argument vorgetragen: die Umfragen. Die Fürsprecher der Gegenseite hätten ihre Plädoyers dagegen mit inhaltlichen Punkten unterfüttert. Mit Laschets Integrativkraft etwa oder mit dessen überzeugender Europapolitik. Es sei zweifellos richtig, dass Söder in den Umfragen besser dastehe. Entscheidend seien aber nicht Umfragen, sondern Wahlen. Und da stehe Laschet besser da.

Bei der letzten bayerischen Landtagswahl verlor die CSU mit Söder an der Spitze tatsächlich mehr als zehn Prozentpunkte. Es war das schlechteste Ergebnis seit 1950. In Nordrhein-Westfalen hat die CDU mit Armin Laschet dagegen bei der letzten Landtagswahl fast sieben Prozentpunkte zugelegt. Und wie volatil Umfragen sind, hat ja auch das bisher letzte Bundestagswahljahr gezeigt. Anfang 2017 lag Martin Schulz (SPD) weit vor Angela Merkel, trotzdem verloren die Sozialdemokraten die Wahl deutlich.

Ein CSU-Abgeordneter spricht von der "Oberflächlichkeit von Meinungsumfragen"

Nach Auskunft des Laschet-Lagers haben sich am Dienstag übrigens nicht nur CDU-Abgeordnete auf die Seite des CSU-Chefs geschlagen - und zwar "ausschließlich die Erwartbaren". Es habe sich umgekehrt auch ein Abgeordneter der CSU für den CDU-Chef ausgesprochen. Alois Karl nämlich.

Der hat sein Statement allerdings ein bisschen anders in Erinnerung. Auf SZ-Anfrage teilt Karl mit: "Ich habe mich nicht euphorisch für Markus Söder ausgesprochen - und auch nicht für Armin Laschet." Stattdessen habe er ausgeführt, dass es ihm zu wenig sei, "wenn verschiedene Diskussionsteilnehmer auf die sehr positiven Meinungsumfragen zugunsten von Markus Söder abheben". Dies alleine dürfe nicht den Ausschlag geben. Wegen "der Flüchtigkeit und Oberflächlichkeit von Meinungsumfragen", aber auch, weil das alleinige Abheben auf Umfragen Söder nicht gerecht werden würde. Der CSU-Chef habe ja auch "programmatische Arbeit geleistet" und "Parteiprogramme geschrieben".

Alois Karl bringt Armin Laschet also nicht so recht weiter. Leichte Zweifel an Laschets höchst optimistischer Lagebeurteilung nähren zudem zwei Mitglieder des CDU-Bundesvorstandes. Die beiden deuten an, dass die Unterstützung Laschets in der digitalen Vorstandssitzung am Montag nicht so eindeutig war, wie das nach außen getragen wurde. Man habe den frisch gewählten Parteivorsitzenden nicht gleich wieder beschädigen wollen. In der Runde sei durchaus auch auf die Bedeutung von Umfragen hingewiesen worden - ganz nach dem Söder'schen Weltbild. Ein Vorstandsmitglied interpretierte die Quintessenz der Sitzung vom Montag so: Man habe Armin Laschet ein "starkes Verhandlungsmandat" mit an die Seite gegeben. Er solle entscheiden, was er nun damit anfangen wolle und was für die Union am besten sei. Klarer Tenor: "Klärt das unter euch! Ausgang offen."

Im Laschet-Lager glauben sie, dass die Schlussworte des CDU-Chefs in der Unionsfraktion gut angekommen sind. "Es war wichtig zu hören, wie ist die Stimmung in euren Wahlkreisen", hatte Laschet da gesagt und erklärt: "Man gewinnt nicht, wenn man nur in Bayern stark ist." Und dass ihm sogar Robert Habeck gesagt habe, dass es "unanständig" sei, wie sich "all die Medien vom Spiegel bis sonst wem" an ihm - Laschet - abgearbeitet hätten. Ob denn irgendeiner glaube, dass das aufhöre, "wenn wir jetzt Markus Söder zum Kandidaten machen - das wird genauso weitergehen".

In Laschets Team sind sie sogar der Auffassung, dass es dann für die Union noch deutlich schwerer werden würde. Egal ob in der Europa-, der Griechenland- oder in der Flüchtlingspolitik: Markus Söder war jahrelang ein erbitterter Gegner des Kurses der Bundeskanzlerin. Söders Strategie, sich jetzt als Erbe Merkels auszugeben, sei deshalb zum Scheitern verurteilt. Da könne CSU-Generalsekretär Markus Blume noch so oft behaupten, dass Söder "die Erfolgsgeschichte, das Erbe von Angela Merkel fortsetzen" wolle.

Auch was die Herangehensweise an Politik angehe, sei Söder doch eher das Gegenteil der Kanzlerin. Im Moment versuche der CSU-Chef mit brachialer politischer Gewalt und ohne Rücksicht auf den Kollateralschaden, den er dabei anrichte, sich die Kanzlerkandidatur zu sichern. Merkel mache derlei völlig anders. Und auch das Moderieren und Kompromissesuchen sei Söders Sache nicht.

Viele in der CDU-Führung sind genervt von der Kanzlerin

Aber genau deshalb sind viele in der CDU-Führung derzeit auch ziemlich genervt von der Kanzlerin. Dass Merkel den Eindruck habe entstehen lassen, dass sie eher auf Söders Seite stehe, sei angesichts der Vorgeschichte ungeheuerlich. Da helfe es auch nicht, dass Merkel ihre öffentliche Kritik an Laschets Corona-Politik bei Anne Will in einer nichtöffentlichen Fraktionsklausur am vergangenen Sonntag relativiert habe. Im CDU-Präsidium am Montag ist Merkel gefragt worden, ob sie jetzt nicht für einen der beiden Kandidaten für die Kanzlerkandidatur Partei ergreifen wolle - wollte sie aber nicht. Und am Dienstag sagte Merkel vor Journalisten, ob sie sich positionieren wolle: "Ich wollte, will und werde mich da heraushalten." Und daran hielt sie sich dann auch in der turbulenten Fraktionssitzung danach.

Dass eine frühere CDU-Chefin, die durch ihren Halb-Rücktritt - Parteivorsitz niederlegen, aber Kanzlerin bleiben - die CDU erst in die schwierige Lage gebracht habe, jetzt nicht mithilft, einen CDU-Politiker gegen Söder durchzusetzen, das verstehen nicht alle in der CDU.

Während die CDU Introspektion betreibt, übt sich die CSU am Mittwoch in Zurückhaltung. Am Rande einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion im München gibt es zwar die üblichen kräftigen Unterstützungserklärungen für Söder, aber allzu ausführlich will sich niemand einlassen. Die Grundbotschaft der CSU ist: Der Ball liege nun im Spielfeld der CDU. Die Schwesterpartei müsse sich zum "klaren Meinungsbild in der Bundestagsfraktion" verhalten, sagt ein CSU-Vorstandsmitglied. Söder habe es verdient, seine Chancen auszuloten. Man wolle jetzt gewiss kein Öl ins Feuer gießen, sagt das Vorstandsmitglied, man kenne "die Verantwortung um die Gesamtunion". Aber zum Einlenken gebe es auch keinen Anlass. Markus Söder, der Kandidaten-Kandidat, sagt nur zwei Sätze an diesem Mittwoch: "Alles steht in den Sternen." Und: "Alles wird gut werden." Fragt sich nur, für wen.

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