Bundesregierung:Im Kreis um die Krise

Politische Beratungen über die Krise in Afghanistan

"Unsere Arbeit geht weiter": Außenminister Maas will auf seiner Reise auch darüber sprechen, wie der Umgang mit den Taliban künftig aussehen soll.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Außenminister Heiko Maas reist eilig zu den wichtigsten Nachbarn und Vermittlern im Afghanistan-Drama. Sein Ziel: Er will Wege finden, damit auch die Zurückgelassenen noch das Land verlassen können.

Von Daniel Brössler, Berlin

Eine Reise nach Afghanistan ist es nicht, natürlich nicht. Wohl aber eine Reise um Afghanistan herum. Außenminister Heiko Maas (SPD) ist am Sonntag zur wohl entscheidenden Mission seiner zu Ende gehenden Amtszeit aufgebrochen. Erste Station ist die Türkei, dann fliegt Maas weiter nach Tadschikistan, Usbekistan und Pakistan. Nach dem Ende der Luftbrücke geht es darum, ein Versprechen einzulösen, das Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und er selbst den vielen Helfern der Deutschen gegeben haben, die es nicht auf einen der Flüge der Bundeswehr oder der Verbündeten geschafft haben.

Immer noch stehen mehr als 10 000 Menschen auf den Ausreiselisten des Auswärtigen Amts, unter ihnen 300 Deutsche. Zählt man auch die Angehörigen dazu, sind es sogar mehr als 40000, denen in Deutschland Zuflucht gewährt werden soll. Zahlen, dass es nur etwa 500 Ortskräfte und ihre Angehörigen zum umlagerten Flughafen und in eine der rettenden Maschinen geschafft haben, werden vom Auswärtigen Amt nicht bestätigt. In jedem Fall aber steht die Bundesregierung weiter massiv unter Druck. Darüber ist sich Maas im Klaren. "Unsere Arbeit geht weiter, und zwar so lange bis alle in Sicherheit sind, für die wir in Afghanistan Verantwortung tragen", hatte er unmittelbar nach dem Ende der Evakuierungsmission am Donnerstag versichert.

In der "neuen Phase" soll der Weg in die Sicherheit nun vor allem über die Nachbarländer führen. Die deutschen Botschaften sollen dafür "konsularische Unterstützung" leisten. Man werde "alles daran setzen, den Ortskräften, die jetzt noch in Afghanistan sind, die Ausreise zu ermöglichen", verspricht Maas. Den Botschaften hat er Anweisung erteilt, allen Ortskräften, die schon eine Aufnahmezusage haben, Einreisepapiere zu erteilen. "Unverzüglich" würden die Vertretungen dafür personell verstärkt. Eine "Ausreiseperspektive" und "unkomplizierte" Visa solle es aber auch für andere gefährdete Menschen geben. Länger werden als bisher schon soll die deutsche Liste aber nicht - vor allem aus Sorge vor einer Massenbewegung. Es gelte, ein "humanitäres Desaster" und eine Hungersnot zu verhindern, betonte Maas.

Die Angst, dass es nun zu neuen großen Flüchtlingsbewegungen kommt, bekam Maas schon während seiner ersten Station zu spüren - in der Türkei. "Wir können weitere Migrationslasten nicht mehr tragen", warnte Außenminister Mevlüt Çavuşoglu beim Gespräch in seinem Heimatort Antalya. Hilfreich sein will die Türkei aber, damit der zivile Flugbetrieb möglichst bald wieder anläuft. Die Türkei hatte schon vor dem Sieg der Taliban angeboten, sich um den Hamid Karzai International Airport zu kümmern. Die Taliban wollen das Angebot nun offenbar annehmen. Wirklich schnell dürfte es nicht gehen mit der Wiedereröffnung - selbst wenn die Sicherheitslage es erlauben sollte. Der zivile Teil des Flughafens ist schwer in Mitleidenschaft gezogen worden und muss instand gesetzt werden.

Dringlichkeitssitzung im UN-Sicherheitsrat

An diesem Montag wird das auch Thema in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates sein. Frankreich und Großbritannien wollen in der Sitzung für eine Sicherheitszone in Kabul werben. "Unser Resolutionsvorschlag zielt darauf ab, eine sichere Zone in Kabul unter der Kontrolle der Vereinten Nationen zu definieren, die die Fortsetzung der humanitären Operationen ermöglichen würde" , sagte der französische Präsident Emmanuel Macron der Zeitung Le Journal du Dimanche. So sollten Menschen geschützt werden, die versuchten, das Land zu verlassen.

Das grundsätzliche Problem des Westens geht allerdings tiefer. "Die Anschläge am Kabuler Flughafen zeigen uns, wie groß die Gefahr ist, dass der internationale Terrorismus wieder erstarkt. Es ist ein machtpolitisches Vakuum entstanden, in das nun mit erschreckender Geschwindigkeit Isis-K und andere Terroristen hineinstreben", sagt Maas vor seinem Abflug. Den Nachbarstaaten will der Außenminister nach eigenem Bekunden das Angebot unterbreiten, sie bei der Bewältigung der humanitären und wirtschaftlichen Folgen der Entwicklung in Afghanistan unterstützen. Allein könnten sie das "kaum bewältigen". Im eigenen Interesse Deutschlands liege es nun zu verhindern, "dass der Kollaps in Afghanistan die ganze Region destabilisiert".

Auch die Taliban brauchen Hilfe

Sprechen will Maas während seiner Reise deshalb auch darüber, wie es nun weitergehen soll im Umgang mit den radikal-islamischen Taliban, die angeblich demnächst eine Regierung präsentieren wollen. Maßstab sei "die Einhaltung von grundlegenden Menschen- und Frauenrechten und die Gewähr, dass unsere Hilfe allen Menschen zugute kommt, die sie auch nötig haben". Am Ende seiner Tour besucht Maas Doha, wo der deutsche Diplomat Markus Potzel engen Kontakt zu Vertretern der Taliban hält. Geführt werden die Gespräche dabei angeblich keineswegs aus einer Position der Schwäche. Die Taliban müssten nun einen Staat aufrecht erhalten, heißt es. Dafür brauchten sie Geld und internationale Anerkennung.

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