Katastrophenschutz:Vorsorge, welche Vorsorge

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Immer erst handeln, "wenn die Hütte brennt"? Armin Laschet und Olaf Scholz, hier Anfang August in Stolberg bei Aachen. (Foto: Florian Gaertner/photothek.de via www.imago-images.de/imago images/photothek)

Wenn Pandemie ist oder Flut, dann laufen Politikerinnen und Politiker immer mal zu Höchstform auf. Aber wehe, ein Fluss wie die Ahr fließt scheinbar harmlos dahin.

Von Georg Mascolo

Was läuft schief mit dem deutschen Krisenmanagement? Da hilft ein Blick auf die Diskussionen dieser Tage schnell weiter. Es geht darum, ob eine große Bund-Länder-Übung mit dem Titel "Cyber-Angriff auf Regierungshandeln" und Tausenden von Beteiligten weiter und weiter verschoben werden soll. Wegen der Pandemie wurde bereits auf Ende 2022 vertagt. Jetzt melden sich die ersten Stimmen, die noch einmal ein Jahr schieben wollen. Oder vorschlagen, die Simulation auf ein paar Stunden herunter zu kürzen. Zu viel zu tun mit der Pandemie, heißt es zur Begründung. Und jetzt auch noch mit der Flut, ihren so unnötig vielen Opfern. Ihrer wird an diesem Mittwoch mit einem Staatsakt auf dem Nürburgring gedacht.

Es ist dieses Denken, das dazu beiträgt, wenn aus Krisen Katastrophen werden. Ernst genommen wird zu oft die Bedrohung des Augenblicks und des bereits Erlebten und Durchlittenen. Für die sorgfältige Vorbereitung auf das - noch - Unbekannte fehlen Kraft und Ressourcen. Vorbereitungen auf eine Pandemie blieben aus, weil viele in der Zeit vor Sars-CoV-2 echte Viren für weniger gefährlich hielten als Computer-Viren. Jetzt geht es anders herum. Dabei ist beides gefährlich. Beides verdient Beachtung.

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Immerhin, jetzt kommen die Vorschläge von überall her

Zu den guten Nachrichten allerdings gehört, dass die Frage des Katastrophen- respektive Bevölkerungsschutzes endlich im politischen Betrieb angekommen ist. Von überall her kommen die Vorschläge: Sei es ein permanenter Krisenstab für überregionale Lagen, eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern oder die Schaffung des Postens eines Bundesmanagers für Krisen im Kanzleramt. Im Gespräch ist auch, ob neben Fachleuten auch Politikerinnen und Politiker selbst an großen Krisenübungen teilnehmen sollten, wie es im Kalten Krieg noch üblich war.

Teilweise übrigens kommen die Vorschläge von jenen aus dem politischen Betrieb, die früher nicht einmal die Gefahrenberichte gelesen haben, die das dafür zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe aufgrund gesetzlicher Verpflichtung dem Parlament vorlegt. Ein Papier aus dem Jahr 2012 mit einer erschreckend präzisen Vorhersage einer durch ein "modifiziertes SARS-Virus" ausgelösten Pandemie ist inzwischen und leider erst im Nachhinein zu einiger Berühmtheit gelangt. Man fand in Berlin auch kaum jemanden, der sich daran störte, dass die sogenannte Schutzkommission 2015 kurzerhand aufgelöst wurde. Das Wissenschaftlergremium bestand seit den Fünfzigerjahren und sollte die Politik vor heraufziehenden Gefahren warnen. Eigentlich soll sie das noch immer tun - denn so steht es bis heute im Gesetz.

Dass Deutschland weder auf eine Pandemie noch auf die Flut gut genug vorbereitet gewesen ist (geschweige denn auf einen Abzug aus Afghanistan, wo es viel zu lange um den Abtransport von Material statt um Hilfe für die Ortskräfte ging) - dieser Umstand verbindet sich mit dem jetzigen Wahlkampf zu einer riskanten Mischung. Zu befürchten ist Aktionismus, anstatt zunächst die schwierigen, die unbequemen Fragen zu beantworten: Wo gibt es ein Ressourcen-Problem (auch wenn Deutschland im internationalen Vergleich als "Feuerwehr-Großmacht" beneidet wird), wo eines der verworrenen Zuständigkeiten zwischen Bund, Land und Landkreisen? Und wo eines der Koordinierung? Welche Krise - etwa einen Cyber-Angriff - kann vor allem der Bund besonders gut bewältigen? Und wo muss die Zuständigkeit - etwa im Fall einer Flut - bei den örtlichen Behörden bleiben, die allerdings schnell Hilfe benötigen? Das wird wehtun. Denn bisher wurden Zuständigkeiten in diesem Bereich so eifersüchtig gehütet wie sonst nur in der Schulpolitik. Die Frage, wer etwas am besten kann, wurde seltener gestellt.

Medien sind übrigens nicht völlig unschuldig an der Situation

In Krisen laufen Politikerinnen und Politiker immer wieder einmal zu Höchstform auf; die so notwendige Prävention hingegen gehört oft zu den Stiefkindern im politischen Geschäft. Aber notwendig ist das Denken in langen Linien: Welche Katastrophen können drohen, wie muss sich der Hochwasserschutz, das Bauen in gefährdeten Bereichen, die wissenschaftliche Erforschung neuartiger Krankheiten verändern? Auch der Aufstieg der täglichen Nichtigkeiten führt dazu, dass der Blick auf das Notwendige - auf das Überlebens-Notwendige - oft nicht mehr ausreichend Beachtung findet. "Es stimmt schon, dass wir immer erst handeln, wenn die Hütte brennt", hat der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) einmal in dankenswerter Offenheit bekannt. Übrigens tragen Medien, die gern die Frage stellen, wie man dieses oder jenes übersehen konnte, und doch selbst übersehen oder ignorieren, ebenfalls zu diesem Prozess bei.

Das Leben und die körperliche Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu schützen, gehört zu den dringlichsten Verpflichtungen des Staates. Es wird Leben retten, wenn die Ernsthaftigkeit der Diskussion mit der Größe der Aufgabe Schritt hält.

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