Klimaschutz:Umweltverbände wollen Verbrenner notfalls verbieten lassen

BMW Neuwagen, auf Frachtwagons, im Hafen von Cuxhaven, werden von hier aus nach Grossbritannien und nach Skandinavien ve

Neuwagen von BMW auf dem Weg nach Großbritannien: Das Unternehmen sieht sich in der Autoindustrie als "Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel".

(Foto: Jochen Tack/imago)

Das Zeitalter von Benzinern und Dieseln soll 2030 enden. Lenken die Autokonzerne nicht ein, wollen Greenpeace und DUH das Aus vor Gericht erzwingen.

Von Michael Bauchmüller und Christina Kunkel

Der Brief an die Volkswagen-Spitze beginnt noch ganz nett. "Sehr geehrter Herr Dr. Diess", steht da, "sehr geehrte Damen und Herren Vorstandsmitglieder". Höflich macht das Schreiben ein paar Zeilen später "darauf aufmerksam, dass das Verhalten der Volkswagen AG hinsichtlich ihrer klimabezogenen Pflichten in der Vergangenheit und auch derzeit rechtswidrig ist". Man stelle dem Konzern "anheim, Ihren Geschäftsbetrieb an die Ziele des Klimaabkommens anzupassen", und das wiederum "zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung". Und das klingt dann fast, als wollten die Umweltschützer dem zweitgrößten Autohersteller der Welt drohen.

Wollen sie auch. Ein gutes halbes Jahr nach dem bahnbrechenden Klimaschutz-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts greifen Greenpeace und Deutsche Umwelthilfe (DUH) nun die deutsche Automobilindustrie an. Am Donnerstagabend haben Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW Briefe von den Anwälten der beiden Umweltgruppen erhalten. Zwei verschiedene Kanzleien knöpfen sich die Hersteller vor, die Argumentationen sind unterschiedlich, aber das Ziel ist gleich: Die Hersteller sollen erklären, ab 2030 keine Verbrennungsmotoren mehr auf den Markt zu bringen. VW wird mitsamt seinen Konzernmarken zur "Unterlassung rechtswidrigen Verhaltens" aufgefordert, bei BMW und Mercedes wird ein "klimaschützender Unterlassungsanspruch" geltend gemacht. Auch der Gas- und Ölkonzern Wintershall Dea hat Post bekommen; er soll ab 2026 keine neuen Felder mehr erschließen. Willigen die Unternehmen nicht binnen weniger Wochen ein, sieht man sich vor Gericht wieder.

Wahrscheinlich kommt es so. Keines der Unternehmen lässt erkennen, dass es einlenken will. "Wir sehen keine Grundlage für einen Unterlassungsanspruch", heißt es bei der Mercedes-Mutter Daimler. Wenn es zu einer Klage komme, werde man sich dagegen mit allen juristischen Mitteln wehren. Obendrein sieht sich der Konzern längst auf Kurs: Mit dem Unternehmensziel etwa, ab 2039 eine klimaneutrale Pkw- und Van-Neufahrzeugflotte zu haben, sei man elf Jahre schneller, als die EU-Gesetzgebung das vorschreibe.

Und auch BMW sieht sich in der Automobilindustrie als "Vorreiter im Kampf gegen den Klimawandel." Die Post von den Umweltverbänden wolle man aber erst einmal prüfen und bewerten. Genauso verfährt Volkswagen. Allerdings halte man die Vorgehensweise "nicht für ein angemessenes Mittel zur Lösung wichtiger gesellschaftlicher Herausforderungen", heißt es aus Wolfsburg.

Damit könnte im Herbst eine neue Phase der klimapolitischen Auseinandersetzung anlaufen - dann nämlich, wenn die Konzerne sich nicht schriftlich zum fossilen Ende bekennen. Dann wollen die Umweltgruppen ihre Klagen einreichen. "Wir wollen und werden den Ausstieg aus dem Verbrenner beschleunigen", sagt DUH-Chef Jürgen Resch, der in der Vergangenheit schon rund um Feinstaub und Stickoxide mit der Industrie im Clinch lag - und das mit einigem juristischen Erfolg.

Eine neue juristische Dimension: Die Freiheitsrechte künftiger Generationen

Für neue Klagen wähnen die Umweltgruppen hingegen durchaus günstige Bedingungen. So orientieren sich die Begründungen ihrer Juristen an Klageschriften, die in den Niederlanden zuletzt den Shell-Konzern vor Gericht in die Knie zwangen. Ein Bezirksgericht in Den Haag verurteilte den Ölriesen dazu, bis 2030 seine Emissionen um 45 Prozent unter den Wert von 2019 zu drücken. Und zwar nicht nur die Emissionen, die er selbst verursacht - sondern auch die seiner Kunden und Zulieferer. Der Ölkonzern muss damit selbst darauf hinarbeiten, seinen Ölabsatz zu drosseln. Shell hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Derweil hat das Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom März eine ganz neue juristische Dimension ins Spiel gebracht: Die Freiheitsrechte künftiger Generationen, die durch unterlassenen oder unzureichenden Klimaschutz eingeschränkt würden. Dabei beriefen sich die Karlsruher Richter auch auf verbleibende Emissionsbudgets, die eine Generation nicht einfach verfrühstücken kann. Auf diese Argumente stützen sich nun auch die Anwälte von Greenpeace und Umwelthilfe - in Verbindung mit Unterlassungsansprüchen und Schadensersatzpflichten aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch.

Die Namen der Anwälte könnten den Konzernen dabei durchaus Respekt einflößen. Roda Verheyen, die nun Greenpeace und andere vertritt, hatte zuletzt die Klimaklage vor dem Bundesverfassungsgericht durchgefochten. Und DUH-Anwalt Remo Klinger erstritt die Fahrverbote für alte Dieselautos, bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht. "Was wir sagen, ist: Ihr könnt hier keine halbherzigen Versprechungen machen, ihr habt eine rechtliche Verpflichtung", sagt Verheyen. "Es geht nicht um das Ob, sondern ums Tempo."

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