Kommentar:Eine ziemlich reiche Branche

Kommentar: Illustration: Bernd Schifferdecker

Illustration: Bernd Schifferdecker

Die Autoindustrie fährt nach dem Corona-Jahr 2020 wieder Milliardengewinne ein und feiert neue Rekorde. Warum aber greift die Politik den Unternehmen dann noch mit hohen Subventionen unter die Arme?

Von Thomas Fromm

Die deutsche Autoindustrie hatte nicht nur gesellschaftspolitisch schon mal einen leichteren Stand. Das fängt bereits mit der Internationalen Automobil-Ausstellung in München an. Früher war die IAA das glamouröse Hochamt einer gefeierten Industrie, heute wird über die Frage diskutiert, auf welche Art von Protesten sich die Stadt vorzubereiten hat. Konstruktiv und im Dialog? Oder Eskalation und Gewalt? Dass Autos Emotionen auslösen sollen, behaupten die Marketing-Strategen der Hersteller ja schon seit Jahrzehnten. Aber gleich so emotional?

Es geht ja nicht darum, atomare Mittelstreckenraketen auf dem Münchner Odeonsplatz zu stationieren. Es geht um das Thema Mobilität.

Allerdings zeigt der Zoff um die IAA wieder einmal: Das Image der Industrie ist spätestens seit dem VW-Dieselskandal schwer beschädigt. Zum schlechten Image der Industrie kommt nun auch noch der historische Umbau des gesamten Systems, weg von fossilen Brennstoffen hin zu nachhaltigerer Mobilität. Die Neuausrichtung der Unternehmen verschlingt Milliarden, zur gleichen Zeit stehen chinesische Autobauer wie BYD, Geely und Brilliance längst parat, den VWs und Daimlers überall in der Welt in die Parade zu fahren.

Auch deshalb konnte die Industrie in den vergangenen Jahren stets auf großzügige Hilfen der Politik setzen. Mit Abwrackprämien gegen die Finanzkrise, mit Milliarden gegen die Folgen der Corona-Pandemie und für den Verkauf von umweltfreundlicheren Autos, und schließlich mit einem milliardenschweren "Zukunftsfonds" für mehr Elektromobilität und Digitalisierung im Jahr 2025. Der Strukturwandel und die damit einhergehenden Imagekampagnen werden, ganz selbstverständlich, immer weiter staatlich subventioniert.

Dass sich die Industrie komplett verändern und ihren Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO₂) in Städten und auf Autobahnen drastisch reduzieren muss, liegt auf der Hand. Es geht um die Zukunft des Planeten. Die Frage ist nur: Warum muss das Notwendige eigentlich mit Milliarden an Steuergeldern gefördert werden? Die 16 weltweit größten Autokonzerne fuhren nach Berechnungen des Beratungsunternehmens EY zwischen Januar und Ende Juni dieses Jahres Betriebsgewinne von zusammen 71,5 Milliarden Euro ein - ein Rekordwert. Nur ein Jahr nach der großen Corona-Depression sind die Autobauer profitabler als vor der Pandemie.

Die deutschen Hersteller verdienten besonders gut

Besonders viel verdienten dabei die Deutschen - allein BMW, Daimler und Volkswagen kamen auf über 30 Milliarden Euro Gewinn. Krise? Von wegen. Rekordzahlen, erhöhte Prognosen, glänzende Aussichten. Das hat damit zu tun, dass viele schon mit gigantischen Sparprogrammen durch ihre Werke gefegt haben. Aber auch damit, dass mit größeren Limousinen und SUVs mehr Geld verdient werden kann. Pflegefälle jedenfalls sind die Unternehmen zurzeit nicht. Warum also dann die sehr generöse Unterstützung durch die Politik?

Diskussionswürdig auch der Fall des US-Elektroautobauer Tesla, der in Grünheide bei Berlin nicht nur seine Elektroautofabrik in Europa baut, sondern dort auch in großem Stil in die Fertigung von Batteriezellen einsteigen will. Ein wichtiges Signal für Europa, für den Standort Berlin und den dortigen Arbeitsmarkt - und eine große strategische Ansage: Batteriezellen müssen nicht unbedingt aus China oder Südkorea importiert werden, man kann sie auch sehr gut hier fertigen und sich auf diese Weise seine Unabhängigkeit bewahren.

Allerdings ist die Sache nicht umsonst: Berichten zufolge soll der kalifornische Autobauer mit staatlichen Fördermitteln von rund 1,1 Milliarden Euro aus einem Europäischen Batteriezellenprogramm bedacht werden. Eine Milliarde Euro, das wäre eine Menge Geld. Überraschend ist das nicht; Tesla-Chef Elon Musk gilt als gewiefter Verhandler und Taktierer - und als Vertreter einer Welt, in der alles seinen Preis hat. Allerdings: Der Multimilliardär gehört zu den reichsten Menschen der Welt, seine Firma hatte zuletzt einen Börsenwert von mehr als 730 Milliarden Dollar. Brauchen Tesla und sein Boss wirklich 1,1 Milliarden Euro, um Batteriezellen in Grünheide zu bauen?

Es gibt sicherlich Branchen, die in diesen Zeiten Förderungen ganz gut gebrauchen könnten. Die Autoindustrie aber gehört im Moment nicht dazu.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: