Nach der Durchsuchung im Finanzministerium:Vorwurf: zu geschwätzig

Wolfgang Schmidt (rechts) ist nicht unumstritten. Er ist einer der wichtigsten Spindoktoren von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

Wolfgang Schmidt (rechts) ist nicht unumstritten. Er ist einer der wichtigsten Spindoktoren von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz.

(Foto: Morris MacMatzen/Getty)

Die Osnabrücker Ermittler halten es für strafbar, dass Staatssekretär Wolfgang Schmidt (SPD) den Inhalt eines Durchsuchungsbeschlusses veröffentlicht hat. Eindeutig ist das nicht.

Von Cerstin Gammelin und Ronen Steinke, Berlin

Es ist ein kurioser Vorwurf, der den Staatssekretär im Finanzministerium von Olaf Scholz (SPD) gerade trifft. Der Vorwurf lautet: Dieser Staatssekretär, Wolfgang Schmidt, sei zu geschwätzig gewesen. Die Ermittler der Staatsanwaltschaft in Osnabrück haben diesen Vorwurf erhoben, sie haben strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn eingeleitet, denn sie stören sich daran, dass der Staatssekretär nach der Durchsuchung seines Ministeriums am vergangenen Donnerstag die Öffentlichkeit wissen ließ, wieso.

Der SPD-Mann hatte bei Twitter ein Bild gepostet, es zeigte den richterlichen Durchsuchungsbeschluss: Oben das Wappen des Amtsgerichts Osnabrück, Aktenzeichen 245 Gs 1693/21, darunter die genaue Begründung des Richters. Namen hatte er geschwärzt.

Ist das strafbar? Ja, meinen die Osnabrücker Ermittler, die mit diesem Durchsuchungsbeschluss in der Hand ins Finanzministerium eingerückt waren. Sie sehen in dem Tweet eine verbotene Enthüllung von Unterlagen aus einem laufenden Verfahren. Die Ermittler berufen sich dazu auf den Straftatbestand der "verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen", Paragraf 353d Strafgesetzbuch. Demnach darf niemand "eine Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut" veröffentlichen, bevor die Sache vor dem Richter verhandelt worden ist. Der Gedanke dahinter: Fragen des Strafrechts sollen nicht schon zuvor vor dem Tribunal der Öffentlichkeit breitgetreten werden.

Das ist eine Art teilweises Presse-Embargo. Es soll dazu dienen, Beschuldigte vor Vorverurteilung zu schützen. Ein wertvolles Anliegen, das das Bundesverfassungsgericht immer wieder hochgehalten hat, wenn Journalisten wie der einstige Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein gegen den Strafparagrafen klagten. Aber im Fall des SPD-Staatssekretärs Wolfgang Schmidt trifft es nun ausgerechnet jemanden, der sich selbst als ein Opfer von Vorverurteilung sieht - und deshalb einen falschen Eindruck korrigieren will. Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hatte nämlich am vergangenen Donnerstag eine Pressemitteilung herausgegeben, in der von Geldwäsche in Millionenhöhe die Rede war - und sehr vage von einem Verdacht auch gegen das Finanzministerium. "Es soll unter anderem untersucht werden", so hieß es da, "ob und gegebenenfalls inwieweit die Leitung sowie Verantwortliche der Ministerien" in möglicherweise strafbare Machenschaften "eingebunden" waren.

Der Tweet von Wolfgang Schmidt zeigte: So war es nicht. Wen die Ermittler durchsuchen dürfen, das entscheidet allein ein Richter. Der Blick in den Durchsuchungsbeschluss sollte Zweifler beruhigen: Nach den eindeutigen Worten des Richters dort vermutete man im Finanzministerium nicht Verdächtige, sondern ausdrücklich nur "andere Personen", also unbeteiligte Dritte. Dies klarzustellen, soll trotzdem strafbar sein? In einem Fall 1985 jedenfalls hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine Enthüllung von Dokumenten im laufenden Verfahren nur dann strafbar sein kann, wenn dies "ohne oder gegen den Willen" des Beschuldigten geschieht. Das heißt: Als Beschuldigter hat man das Recht zu schweigen. Man hat aber durchaus auch das Recht zu reden, um sich zu verteidigen. Wie es für Wolfgang Schmidt nun weitergeht, ob das Verfahren gegen ihn weitergeführt oder bald wieder eingestellt wird - darüber wird nun nicht mehr in Osnabrück entschieden, sondern bei der Staatsanwaltschaft Berlin, der das Verfahren am Dienstag übergeben wurde.

Der Jurist Wolfgang Schmidt gehört seit Jahren zum Kreis der engsten Vertrauten um SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Sie kennen sich aus Juso-Jahren in Hamburg, Schmidt arbeitete schon für Scholz, als dieser noch Erster Bürgermeister in Hamburg war. Im März 2018 wurde er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, vor allem zuständig für Internationales und die Leitungsebene. Sollte Scholz Kanzler werden, gilt der Jurist Schmidt als dessen erste Wahl für den Job des Kanzleramtsministers. Es ist davon auszugehen, dass er die Veröffentlichung des Durchsuchungsbeschlusses zuvor rechtlich geprüft hat.

Schmidt ist nicht unumstritten, er ist einer der wichtigsten Spindoktoren von Scholz. Nach seinem Wechsel ins Ministerium hat er federführend geholfen, das Haus in ein Nebenkanzleramt und für einige Zeit auch in eine Neben-Parteizentrale auszubauen. Den Plan, Scholz zum Kanzlerkandidaten aufzubauen, hat Schmidt maßgeblich mitentwickelt. Auf Kritik oder Vorwürfe seinem Chef gegenüber reagiert Schmidt zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit mit ausführlichen E-Mails, unzähligen Tweets oder Kurznachrichten.

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