Energie:Runter vom Gas

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(Foto: Bernd Schifferdecker)

Steigende Preise, Speicher mit Leerstand: Dieser Winter könnte den Europäern wieder einmal ihre Abhängigkeit von russischem Gas vor Augen führen. Dabei ist dies kein unabwendbares Schicksal.

Von Michael Bauchmüller

Wenn draußen die Temperaturen fallen und ein kühler Herbstwind durch die Ritzen zieht, dann merken weite Teile Europas mal wieder, wie verwundbar sie sind. Alle paar Jahre zieht dann eine Gaskrise herauf, und ist es mal keine Krise beim Gastransit, dann ist es eine am Markt: die Wette auf einen kalten Winter, auf knappe Speicher und mithin steigende Preise. Die Versorgung mit Erdgas, genauer: mit russischem Erdgas, ist im Winter Europas Achillesferse.

Die nächste Krise ist schon im Kommen, und wird der Winter kalt, könnte sie so dramatisch werden wie lange nicht. Weltweit ist die Nachfrage nach Gas sprunghaft angestiegen, ebenso der Gaspreis. Die Speicher sind, kurz vor Beginn der Heizperiode, nicht annähernd so gut gefüllt wie sonst. Ob Russland, Europas wichtigster Gasversorger, die Knappheit herbeigeführt hat oder still hinnimmt, ist dabei fast zweitrangig. Moskau setzt den Preis in diesem Markt, kein Zweifel. Doch wie abhängig sie vom russischen Gas sind, das liegt in den Händen der Europäer selbst. Und das wissen sie auch schon seit den ersten Gaskrisen zu Beginn des Jahrtausends.

Seither lautet die Antwort - neben der Suche nach neuen Gaslieferanten: Runter mit dem Gasverbrauch. Nach 2005 entstehen große Sanierungsprogramme, auch die Bundesregierung wirbt für besser gedämmte Gebäude, die im Winter weniger Wärme brauchen. 15 Jahre ist dieser Aufbruch her. Doch die Sanierungsrate kommt seither, trotz üppiger Förderung, kaum über ein Prozent im Jahr hinaus. Und der Energiebedarf der 19 Millionen Gebäude lag im vorigen Jahr nach Zahlen der Deutschen Energie-Agentur auf demselben Niveau wie 2010. Langsam, viel zu langsam, kommt die Abkehr von der fossilen Wärme voran.

Das hat viel mit der gemauerten Behäbigkeit des Gebäudebereichs zu tun. Häuser baut man nicht mal eben neu. Auch eine Sanierung will gut überlegt sein: Gerade ältere Eigenheimbesitzer nehmen dafür ungern Schulden auf, die sie womöglich vererben müssen. Vermieter wiederum haben wenig Anreiz, zu sanieren, weil sie die Kosten nur teilweise auf die Mieter umlegen können, von sinkenden Heizkosten aber nichts haben. Handwerker installieren oft lieber Heizkessel, weil sie an deren Anschaffung mehr verdienen als an einer Wärmepumpe. Obendrein kennen sich mit Wärmepumpen viele Installateure nicht so gut aus wie mit dem guten alten Kessel. Es gibt viele Gründe, warum es mit der größeren Unabhängigkeit vom Gas bisher nicht so klappt.

Es gibt aber auch viele Wege, das zu ändern.

Dazu ist nicht einmal mehr Förderung nötig; sie müsste nur gezielter ansetzen. So verbrauchen Häuser, die vor 1979 errichtet wurden, rund die Hälfte der Heizenergie. Damals traten die ersten Regeln zum Wärmeschutz in Kraft, danach wurde besser gebaut. Allein in den Reihenhäusern aus dieser Zeit ließe sich enorm Energie sparen - wenn das gezielt gefördert würde. Beratung wird dabei eine große Rolle spielen: Viele Eigentümer fühlen sich überfordert vom Projekt Sanierung, denn komplex ist es ja.

Und natürlich wird der CO₂-Preis immer wichtiger: Er verteuert auch das Heizen - macht es aber noch attraktiver, sich von fossilen Brennstoffen unabhängiger zu machen; sei es durch eine Dämmung der Fassade oder durch den Austausch des Öl- oder Gaskessels gegen eine Wärmepumpe. Deshalb ist es auch so wichtig, den CO₂-Preis beim Vermieter und nicht beim Mieter einzutreiben. Denn nur Vermieterinnen und Vermieter können in die Energiebilanz ihrer Gebäude investieren. Sie brauchen auch den Anreiz dazu.

Allen, bei denen es noch durch Ritzen zieht, könnte buchstäblich ein unangenehmer, ein teurer Winter ins Haus stehen. Er könnte aber so manchen auch dazu bewegen, über Alternativen nachzudenken. So eine Wärmepumpe etwa braucht kein Erdgas und keine Pipeline, sie läuft mit der Kraft von Sonne und Wind. Was freilich nach der Bundestagswahl nur eines bedeuten kann: Wer es ernst meint mit den Versprechen zum Klimaschutz, wer fossile Energien hinter sich lassen und zugleich das Land weniger verwundbar machen will, der setzt auf den raschen Ausbau erneuerbarer Energien. Eigentlich ist es gar nicht so schwer.

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