Tötung in Idar-Oberstein:"Die Vorwürfe des Innenministers sind eine Unverschämtheit"

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Trauernde im September 2021 am Tatort in Idar-Oberstein. Zuvor hatte ein Mann einen Angestellten der Tankstelle erschossen, weil der auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. (Foto: Thomas Frey/dpa)

Nach der Erschießung des Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein hatte Seehofer Grünen und SPD vorgeworfen, sie hätten Gesetzesentwürfe im Kampf gegen Radikalisierung blockiert. Die Antwort fällt deutlich aus.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Kritik des Bundesinnenministers war harsch, nun wird Horst Seehofer (CSU) selbst angegriffen. Nach der Erschießung eines Tankstellenmitarbeiters in Idar-Oberstein hatte Seehofer am Mittwoch kritisiert, dass der Bundestag drei wichtigen Gesetzentwürfen des Kabinetts gegen Extremismus nicht zugestimmt habe: dem Demokratiefördergesetz, der Streichung des Wortes Rasse aus dem Grundgesetz und einer Verschärfung des Waffenrechts. Der Widerstand des Bundestags habe seinen Kampf gegen Radikalisierung erschwert. Nun drehen Grüne und SPD den Spieß um: Seehofer selbst sei der Bremser gewesen.

"Die Vorwürfe des Innenministers Seehofer sind eine Unverschämtheit gegenüber allen, die sich im Bundestag und vor allem in der Zivilgesellschaft mutig gegen Rechtsextremismus eingesetzt haben", sagte die grüne Rechtspolitikerin Renate Künast der Süddeutschen Zeitung. "Es waren die Unionsfraktion und Herr Seehofer selbst, die eine konsequente und ganzheitliche Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität blockiert haben." Jahrelang sei die Gefahr des Rechtsextremismus von der Union "komplett negiert" worden.

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"Stümperhaft vorbereitet"

Seehofer habe etwa das Gesetz gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität stümperhaft vorbereitet. Es soll Internetprovider verpflichten, Hassbotschaften im Netz dem Bundeskriminalamt (BKA) zu melden. Weil Seehofer "zuvorderst überbordende Befugnisse für die Sicherheitsbehörden" habe durchsetzen wollen, habe Karlsruhe absehbare verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Die nachgebesserte Meldepflicht ans BKA komme nun erst im Februar 2022, kritisierte die Grünen-Politikerin.

Auch das Demokratiefördergesetz trat nie im Kraft. Es sollte zivilgesellschaftlichen Projekten gegen Extremismus mehr Geld sichern, viele richten sich gegen Rechtsextremismus. Weil die CDU/CSU-Fraktion hier linksextreme Unterwanderung befürchtete, scheiterte der Kabinettsentwurf im Bundestag. Seehofer hatte das kritisiert. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wies seine Vorwürfe am Donnerstag zurück. Nicht der Bundestag habe das Demokratiefördergesetz verhindert, sondern "einzig und allein" Seehofers Fraktion: "Die Union will das Gesetz nicht und hat alles darangesetzt, es zu verhindern", sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die SPD werde alles dafür tun, das Gesetz in der nächsten Legislatur durchzusetzen.

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