NRW:Rücktritt. Zapfenstreich

Wahlkampf CDU  - Mönchengladbach

Auf Kurs zur Staatskanzlei: Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU), hier bei einem Wahlkampfauftritt, könnte Nachfolger Armin Laschets in NRW werden.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Wie die CDU in Nordrhein-Westfalen die Nachfolge von Armin Laschet möglichst anständig gestalten will.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Es sind nur noch wenige Aufgaben, die Armin Laschet bleiben daheim in Nordrhein-Westfalen: Er muss, wie man so sagt, "sein Haus bestellen". Oder "die letzten Dinge ordnen". Also seine Nachfolge regeln.

In Berlin, so flucht ein westfälischer Christdemokrat, werde "der Armin ja gerade zum Jagen freigegeben". Deshalb wolle die NRW-CDU nun beweisen: "Es geht auch anders. Wir nehmen Abschied mit Anstand." Wenn am 23. Oktober ein CDU-Landesparteitag in Bielefeld die Weichen stellen wird für den Neuanfang, dann solle der Aachener noch im Amt und mit allen Würden gefeiert werden: als scheidender Parteichef, als Noch-Ministerpräsident. Spätestens drei Tage danach, am 26. Oktober, muss Laschet die Düsseldorfer Staatskanzlei endgültig räumen. Dann spätestens konstituiert sich der neue Bundestag, und als Abgeordneter im Bund darf er laut NRW-Verfassung im Land nicht mehr mitregieren. Rücktritt, Zapfenstreich.

Im Mai sind Wahlen in NRW

Seine wichtigsten Hausaufgaben jedoch muss Laschet bereits nächste Woche erledigen. Vom Landesvorstand erbat er sich eine gute Woche Gnadenfrist, um sein Erbe zu verteilen. Die CDU an Rhein und Ruhr braucht dringend einen neuen Parteichef, einen neuen Ministerpräsidenten und einen Spitzenkandidaten, um sich (besser als zuletzt die Bundes-CDU) für die nächste Kampagne zu rüsten: Am 15. Mai wählen Rheinländer, Westfalen und Lipper ihre neue Landesregierung.

Laschet steht unter Druck. Hätte der Parteichef seine NRW-CDU nur vertröstet und nicht verbindlich zugesagt, bis nächste Woche "eine einvernehmliche Lösung" für die Post-Armin-Ära zu moderieren - er hätte einen Aufstand fürchten müssen. Der Berliner Verlierer vom Sonntag musste in Düsseldorf am Montag erkennen, dass er die Fäden und Strippen der Partei nicht mehr in der Hand hält. Eine klare Mehrheit im Landesvorstand wollte einen schnellen, eindeutigen Personalwechsel. Und alles für einen: Hendrik Wüst, 46 Jahre alt, der NRW-Verkehrsminister, dürfte der neue starke CDU-Mann werden.

Wüst hielt sich mit eigenen Ansprüchen während der zweieinhalbstündigen Krisensitzung in einem Airport-Hotel klug zurück. Da hatte einer mit Ambitionen nach Höherem gelernt, nicht selbst zu rufen, sondern sich rufen zu lassen. Ein Dutzend Vertrauter sprang für Wüst in die Bresche. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, wie Wüst ein Münsterländer, forderte, alle drei Ämter in eine Hand zu legen. Der frühere CDU-Fraktionschef erinnerte daran, dass man ihn selbst vor acht Jahren als Staatssekretär nach Berlin weggelobt habe, um Parteichef Laschet ungestört die Geschäfte zu überlassen: Mancher, der damals dabei war, empfehle ihm nun plötzlich eine Doppelspitze.

Unisono erklärten Regionalfürsten und Abgeordnete, eine Ämterteilung oder gar eine Übergangslösung mit einem temporären Regierungschef bis zu den Mai-Wahlen kämen nicht infrage. Wüst müsse im Wahlkampf mit einem Amtsbonus als Regierungschef wuchern können. Ina Scharrenbach, die Bauministerin und Wüst-Konkurrentin, ergriff nicht mal das Wort. Die Rede des Laschet-Vertrauten Herbert Reul, des populären Innenministers, samt seiner Klage über CDU-interne "Heckenschützen im Wahlkampf" verhallte ohne Echo. Der Traum vom Amt des CDU-Parteichefs im Land, der dem 69-jährigen Reul seit Monaten nachgesagt wird, ist wohl geplatzt.

Die SPD wirft Laschet Schludrigkeit vor

Ein anderer bisher Widerborstiger, der CDU-Fraktionschef Bodo Löttgen, drehte dann am Dienstag ebenfalls bei. Die Landtagsfraktion folge der Parteilinie, in Bielefeld am 23. Oktober einen neuen Landeschef und einen Spitzenkandidaten zu küren. Danach stehe dann die Wahl des neuen CDU-Ministerpräsidenten an: "Ich denke, beides wird dann personal-identisch sein." Was im Klartext bedeutet: Löttgen hat alle ihm unterstellten Hintergedanken aufgegeben, als Kurzzeit-MP selbst in die Landesgeschichte eingehen zu können. Der Weg scheint frei zu sein für Wüst. Laschet bleibt nächste Woche kaum mehr als das formale Privileg, als scheidender Herrscher den künftigen König zu designieren.

Die Zwischenrufe von Seiten der Opposition wird Laschet bis zum 26. Oktober geflissentlich überhören. SPD-Landeschef Thomas Kutschaty verlangt, Laschet solle gefälligst abtreten - sofort: "Die bundespolitischen Ambitionen von Armin Laschet haben NRW fast ein Jahr lang lahmgelegt", ärgert sich der Sozialdemokrat. Jetzt müsse das Land wieder mit ganzer Kraft regiert werden.

Kutschaty wirft Laschet vor, er habe seine Partei nur schludrig gerüstet für den lange absehbaren Wachwechsel: "Mein Eindruck ist, da ist überhaupt nichts vorbereitet oder organisiert worden - er hatte keinen Plan." Das sei "fahrlässig". Die Christdemokraten müssten nun mit ihrem Koalitionspartner FDP bei der Wüst-Wahl beweisen, dass sie mit ihrer äußerst knappen absoluten Mehrheit von nur einer Stimme im Landtag (100 von 199 Mandaten) überhaupt noch regieren könnten.

Für den Fall, dass Wüst durchfalle, fordert Kutschaty schon jetzt vorgezogene Neuwahlen: "Wenn es in diesem Landtag keine Mehrheit mehr gibt, dann brauchen wir schneller Wahlen - also bereits vor dem 15. Mai", sagt der SPD-Fraktionschef der Süddeutschen Zeitung. "Bekommt die schwarz-gelbe Koalition keine absolute Mehrheit im ersten Wahlgang, heißt das: Diese Regierung ist nicht mehr handlungsfähig."

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