Gaspreise in der EU:Den Verbrauch senken, nicht die Preise

LENINGRAD REGION, RUSSIA   JULY 27, 2021: An inlet manifold of air coolers of Ladoga GCU-32 gas compressor units at the

Ein Gasaufbereitungszentrum bei Sankt Petersburg: Die EU ist abhängig von Gaslieferungen - das ist teuer.

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Die EU-Finanzminister diskutieren an diesem Montag über die hohen Gaspreise. Manche Pläne der Regierungen sind unsinnig. Nötig ist vielmehr, die fatale Abhängigkeit von klimaschädlichen Energie-Importen zu überwinden.

Kommentar von Björn Finke

Der Gasmarkt gehört normalerweise nicht zu den Themen, mit denen sich Europas Finanzminister bei ihren Treffen befassen. Und doch stehen die rasant steigenden Preise für Gas und Strom auf der Agenda, wenn die Minister an diesem Montag und Dienstag in Luxemburg zusammenkommen. Dieser Eifer zeigt, wie beunruhigt die EU-Regierungen sind. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire verlangte vor der Konferenz, die EU müsse die Gegenmaßnahmen der Mitgliedstaaten koordinieren und bündeln. Ohnehin will die Kommission am Dienstag Empfehlungen zu dem heiklen Problem vorlegen. Aber auf kurze Sicht kann Brüssel nicht viel tun gegen die hohen Preise. Und manches, was Regierungen nun von der EU einfordern, würde nichts bringen oder wäre sogar schädlich.

Es ist ja auch nicht die erste Gaskrise, die Europa durchlebt. Der beste Weg, diesem alle paar Jahre wiederkehrenden Spuk ein Ende zu bereiten, besteht darin, die Abhängigkeit von Erdgas aus Russland und sonst woher drastisch zu verringern. Genau das würde der Grüne Deal, das EU-Klimaschutzprogramm, erreichen, weil hier fossile durch grüne Energiequellen ersetzt werden. Dummerweise erschwert die Aufregung über gesalzene Strom- und Heizrechnungen gerade die Debatte über das ehrgeizige Programm.

Zu den eher nutzlosen Forderungen der Mitgliedstaaten an die EU gehört, dass die Kommission gegen den russischen Lieferanten Gazprom wegen des Verdachts der Marktmanipulation vorgehen sollte. Es schadet sicher nie, den dubiosen Konzern im Auge zu behalten, und sein Verhalten in der Krise ist für die Abnehmer nicht hilfreich, doch für den heftigen Preisanstieg ist nicht eine Firma alleine verantwortlich: Nach dem langen Winter waren Europas Gasspeicher leerer als sonst, Windräder produzieren weniger Strom als erhofft, Kraftwerke müssen mehr für Verschmutzungsrechte zahlen, zugleich steigt im Aufschwung der Energiebedarf. Ermittlungen gegen Gazprom würden an diesem heiklen Mix nichts ändern.

Gefährlich könnte wiederum der Vorschlag sein, Spekulanten vom Markt für Verschmutzungsrechte zu verdrängen: Europas Energieversorger und Industriebetriebe müssen solche Zertifikate vorweisen, wenn sie Treibhausgase in die Luft blasen. Die Papiere sind handelbar, und ihr Preis steigt, was sich wiederum auf den Preis von Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken auswirkt. Hinter dieser Verteuerung steht aber in erster Linie die Klimaschutzpolitik der EU. Firmen wissen, dass Brüssel die Zahl der Zertifikate in den kommenden Jahren kräftig senken wird, um so die Einsparziele bei Treibhausgasen zu erreichen. Deshalb decken sie sich schon jetzt mit Rechten ein, bevor diese unweigerlich knapper werden. Das treibt die Preise. Vermeintliche Spekulanten vom Handel auszuschließen, ändert nichts an dieser Logik, könnte jedoch dazu führen, dass die Märkte weniger liquide sind, also Geschäfte schwerer fallen.

Hohe Preise für Klimakiller setzen die richtigen Anreize

Dieses Emissionshandelssystem hat sich bewährt, weswegen die Kommission ein ähnliches System für Verkehr und Wohnen etablieren will. Dann wären auch für den Verkauf von Treibstoffen oder Öl und Gas zum Heizen Zertifikate nötig. Die Preise würden daher steigen. Viele EU-Regierungen sehen diesen Plan sehr kritisch, da sie starke Belastungen für Ärmere sowie Proteste fürchten. Die Aufregung um die hohen Energiekosten in diesen Wochen liefert diesen Zweiflern Munition.

Diese Skeptiker unterliegen allerdings einem Denkfehler: Wenn sich Bürger empören, dass klimaschädliche, fossile Energieträger wie Gas oder Öl zu teuer werden, kann die Antwort nicht lauten, dass der Staat Gas oder Öl wieder verbilligt. Stattdessen muss es darum gehen, den Verbrauch zu verringern. Und saftige Preise für die Klimakiller setzen genau die richtigen Anreize. Für Bürger lohnt es sich dann eher, in Wärmedämmung oder Elektroautos zu investieren. Damit der Umstieg leichter fällt, sollten Europas Regierungen üppige Förderprogramme auflegen.

Außerdem benötigen arme Haushalte Unterstützung: Niemand soll frieren müssen, weil er sich das Heizen nicht mehr leisten kann. Die Regierungen sollten also gezielt Sozialleistungen aufstocken, wenn diese nicht ohnehin an die Inflation gekoppelt sind. All das ist teuer, mühsam und politisch heikel. Aber das Ziel, unabhängig von klimaschädlichen Öl- und Gasimporten zu werden, ist jede Anstrengung wert.

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