Nordrhein-Westfalen:Der Mann nach Laschet

Sitzung der CDU-Landtagsfraktion

Armin Laschet (links) und sein wahrscheinlicher Nachfolger: Hendrik Wüst.

(Foto: Marcel Kusch/dpa)

Hendrik Wüst soll neuer Ministerpräsident und CDU-Chef in NRW werden. Wahlverlierer Laschet schlägt den Verkehrsminister dafür vor.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Man sieht Armin Laschet die Erschöpfung an. Mit müden Augen müht er sich, neue Zuversicht zu verbreiten an diesem Dienstagabend. In der Lobby des Düsseldorfer Landtags steht der gebeutelte CDU-Chef, der geschlagene Kanzlerkandidat der Union, um die Zeit nach ihm zu ordnen.

Dass Hendrik Wüst, der wirtschaftsliberale und eher konservative Verkehrsminister Laschets sein Nachfolger werden wird, zeichnet sich seit einer Woche ab. Aber jetzt ist der Noch-Regierungschef von der Spree an den Rhein gekommen, um dies offiziell zu verkünden. Wüst, so Laschets landespolitisch letzter Wille, solle am 23. Oktober von einem Parteitag der NRW-CDU zum neuen Vorsitzenden gewählt werden.

Wüst steht links von Laschet, mit gesenktem Haupt und gefalteten Händen. Der 46-Jährige weiß, da kommt noch Höheres auf ihn zu. Laschet bemüht sich um einen feierlichen Ton, aber dann fordert die Auszehrung eben doch ihren Preis - er verhaspelt sich: "Und wir haben dann die Absicht", so hebt der Aachener an, "dann Hendrik Wüst hier in Nordrhein-Westfalen zum neuen Ministerpräsidenten der CDU ... äh des Landes Nordrhein-Westfalen zu wählen." Der Beifall der hinter Laschet aufgestellten CDU-Fraktion rettet den Moment.

Seinen Personalvorschlag hatte Laschet am späten Dienstagnachmittag zunächst per Video-Stream dem CDU-Landesvorstand gemacht, dann in vivo der Fraktion. Dass Wüst zudem noch als CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 15. Mai 2022 ins Rennen ziehen darf, sagt Laschet zunächst nicht. Nicht explizit jedenfalls, aber auf Nachfrage stellt er klar: "Das nennen andere Spitzenkandidat, bei uns heißt das Ministerpräsident." Will sagen: Wüst soll, per Wahl im Landtag voraussichtlich am 27. Oktober, mit dem Amtsbonus des amtierenden Regierungschefs in den Wahlkampf ziehen.

Laschet hatte vorige Woche, am Tag nach der Bundestagswahl, von seinen NRW-Parteifreunden eine Woche Bedenkzeit erbeten, um seine Nachfolge möglichst "einvernehmlich" zu regeln. Wüst erfüllt, anders als einige der übrigen zuvor genannten möglichen Nachfolgekandidaten, die verfassungsrechtliche Voraussetzung, dass er ein Landtagsmandat hat und kurzfristig (ohne vorgezogene Neuwahlen) vom Landesparlament zum Ministerpräsidenten gekürt werden könnte. Die unerklärten Konkurrenten, Heimatministerin Ina Scharrenbach im knallgelben Kostüm und Innenminister Herbert Reul im gedeckten Anzug, stehen jetzt - zumindest räumlich - hinter dem künftigen CDU-Anführer und applaudieren artig.

"Warten Sie die Regierungserklärung ab"

Laschet hatte vor der Bundestagswahl erklärt, er gehe "ohne Rückfahrkarte" nach Berlin - auch, wenn er nicht Kanzler werde. Bei der Bundestagswahl hatte die CDU, auch im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW, deutliche Verluste hinnehmen müssen. Als Nummer eins der CDU-Landesliste hat Laschet aber ein Bundestagsmandat errungen. Laut der Landesverfassung von NRW kann ein Mitglied der Landesregierung nicht gleichzeitig Mitglied des Bundestags oder der Bundesregierung sein. Die Mitgliedschaft eines neu gewählten Abgeordneten im Bundestag beginnt mit der konstituierenden Sitzung, die für den 26. Oktober geplant ist.

Laschet kündigte am Dienstagabend an, er werde sein Regierungsamt "in der gedanklichen Sekunde", da er Abgeordneter in Berlin werde, aufgegeben haben. Aber er stehe noch bereit, bei der Wahl von Wüst am folgenden Tag mitzustimmen. Die schwarz-gelbe Koalition ist auf jede Stimme angewiesen, sie hat im NRW-Landtag nur 100 von 199 Sitzen. Im ersten Wahlgang benötigt Wüst alle Stimmen von CDU und FDP, alles andere wäre eine Blamage - und Anlass für die wiederauferstandene SPD im Land, sofort vorgezogene Neuwahlen zu fordern.

Wüst hat inzwischen breiten Rückhalt unter den Seinen. NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann zum Beispiel hatte sich am Samstag öffentlich hinter seinen Kabinettskollegen gestellt. Wüst solle "der zukünftige Mann der CDU in Nordrhein-Westfalen" werden, sagte Laumann in einem Video-Grußwort bei der Landesdelegiertenkonferenz der Mittelstands- und Wirtschaftsunion in Rheine.

Die Posten des CDU-Landesvorsitzenden, des Ministerpräsidenten und des Spitzenkandidaten bei der Landtagswahl im kommenden Jahr gehörten in eine Hand, sagte Laumann. Er werde sich dafür einsetzen, "dass es so kommt". Wüst, der Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der nordrhein-westfälischen CDU ist, hat damit die Unterstützung des Arbeitnehmerflügels der CDU.

Wüst selbst rief seine Parteifreunde am Dienstagabend zu Geschlossenheit auf. Klimaschutz, Wohlstand und Sicherheit sowie Bildung würden seine Schwerpunkte sein. Konkreteres wollte er nicht offenbaren: "Warten Sie die Regierungserklärung ab."

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