Koalitionsverhandlungen:Der Flirt ist vorbei

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Mit der lockeren Plauderlaune scheint es vorbei zu sein: die Ampel-Verhandler Christian Lindner, Annalena Baerbock und Olaf Scholz (von links). (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Die Grünen ziehen die Bremse in den Koalitionsverhandlungen, das ist auch ein Warnschuss für sie selbst. Es genügt eben nicht, sich mit einem gefälligen Selfie zur Zukunftsregierung zu erklären.

Kommentar von Constanze von Bullion

Etwas mehr als einen Monat hat er gedauert, der Flirt zwischen SPD, Grünen und FDP. Nun gibt es Ärger zwischen den Unterhändlerinnen und Unterhändlern einer Ampel-Koalition. Die Grünen haben den Zeitplan gestoppt, nach dem Olaf Scholz zu Nikolaus im Kanzleramt sitzen sollte. Es fehle Substanz beim bisher Erreichten, heißt es. Das Ende der Verhandlungen ist das bestimmt nicht, aber ein Warnschuss, auch für die Grünen selbst.

Es genügt eben nicht, sich mit einem gefälligen Selfie zur Zukunftsregierung zu erklären und dann Begriffe wie "Aufbruch" oder "Transformation" wie Konfetti regnen zu lassen. Der Wandel, den die Ampel-Parteien versprochen haben, ob beim Klimaschutz, der Digitalisierung oder bei der offenen Gesellschaft, gelingt auch nicht allein mit guten Vorsätzen.

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Die angekündigte Modernisierung, wenn sie denn kommt, wird schmerzhaft, brutal teuer, sie kann Verlierer hervorbringen und Ängste, auch bittere Kompromisse für alle drei Parteien. Niemand wird da ohne sichtbare Blessuren vom Platz gehen. Dass es knirscht bei der Lösungssuche, ist also wenig überraschend. So harmonisch wie besungen konnte es nicht ewig weitergehen.

Olaf Scholz wendet in den Verhandlungen offenbar die Methode Merkel an

Dass die Grünen jetzt die Bremse gezogen haben, liegt allerdings nicht nur an der Größe der Aufgabe. Es liegt auch an einer strategischen Unwucht zwischen den Parteien, die immer deutlicher zutage tritt. Die SPD und ihr eher wortsparsamer Anführer Olaf Scholz scheinen bei den Ampel-Verhandlungen die Methode Merkel anzuwenden: erst mal zuhören, die anderen reden und sich verkämpfen lassen und am Ende die Entscheidungen in die eigene Richtung lenken.

Taktisch mag das geschickt sein. Beim Kernthema Klimaschutz allerdings, das der selbsternannte "Klimakanzler" Scholz in jeder Talkshow vor sich herträgt wie eine Monstranz, führt dezentes Dauerbremsen in den Verhandlungen nicht weiter - und die Grünen zwingend in eine Sackgasse. Allzu jämmerliche Klimaergebnisse dürften bei der grünen Urwahl, die am Ende der Verhandlungen steht, keine Gnade an der Parteibasis finden. Dass Umweltverbände jetzt Krach schlagen, kommt der Parteispitze also ganz gelegen. Und es ist Scholz, der sich nun etwas einfallen lassen muss, um den Karren wieder in Bewegung zu setzen.

Die FDP sollte sich auch Themen nähern, die ihr bisher herzlich fremd waren

Etwas mehr Nachdenklichkeit würde aber auch bei der FDP nicht schaden. Sie hat in den Sondierungen nicht nur gut verhandelt, sondern sich auch geradezu kokett ihrer Erfolge gerühmt, nicht nur beim Thema Steuern. FDP-Chef Christian Lindner, frisch betankt mit neuem Selbstbewusstsein, hat dann auch noch öffentlich das Finanzministerium für sich reklamiert. Das kann man tun. Aber es gibt erfolgversprechendere Methoden, Gesprächspartner in die Enge zu treiben. Die Ampel kann nur funktionieren, wenn alle drei Parteien ihr Gesicht wahren können - und sich auch Anliegen nähern, die ihnen bisher herzlich fremd waren. Bei den Liberalen gilt das auch für soziale Vorhaben wie die Kindergrundsicherung, die zwar vereinbart, bisher aber von liberalem Desinteresse begleitet zu sein scheinen.

Natürlich haben die Grünen Fehler gemacht. Ihre Strategie war gefährlich gutgläubig. Die Charmeoffensive, mit der sie die Liberalen zunächst bezirzt und dann für Sondierungen gewonnen haben, mag erfolgreich gewesen sein. Aber was folgte, war ein streckenweise windiges Sondierungspapier. An den für die Grünen wichtigsten Punkten wie Klima und Finanzen fehlten Zahlen und Zielmarken. Man vertraue auf das Wort der anderen und werde später alles Fehlende reinschreiben, hieß es damals. Hauptsache keine atmosphärischen Störungen, Hauptsache regieren, war da die Haltung. Sie war naiv, auch mit Blick auf die SPD, die sich an etlichen Punkten nun als ähnlich zäher Widersacher grüner Anliegen zu erweisen scheint wie die FDP. Die Konsequenz, die die Grünen sich am Anfang erspart haben, auch der Mut zu schlechter Laune, wird nun nachgetragen. Mit anderen Worten: Das dicke Ende kommt noch.

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