Klimagipfel:China und USA vereinbaren überraschend Zusammenarbeit

Flaggen der USA und China in Boston

In vielem getrennt, beim Klimaschutz jetzt zumindest ein bisschen vereint: die USA und China.

(Foto: Brian Snyder/REUTERS)

Politisch haben die beiden Länder derzeit Ärger satt. Doch bei der Klimakonferenz schmieden die zwei größten Klimasünder der Welt überraschend ein Bündnis. Was steckt dahinter?

Von Michael Bauchmüller, Glasgow

Monatelang müssen die Verhandlungen gelaufen sein, 30 Mal schalteten sich die Unterhändler beider Seiten zusammen - für diesen einen Augenblick kurz vor dem Ende des Klimagipfels von Glasgow: China und die USA wollen beim Klimaschutz künftig enger kooperieren. "Wir sehen beide, dass die Gefahr des Klimawandels existenziell und ernst ist", sagte Chinas Chefunterhändler Xie Zhenhua bei einer Pressekonferenz in Glasgow. "Kooperation ist die einzige Chance für unsere beiden Länder." Außerdem gebe es "in der Ära des Klimawandels mehr Einigkeit als Unterschiede".

Das ist zwischen den beiden Supermächten derzeit eher selten der Fall, denn rund um Handelsfragen, Menschenrechte, um Taiwan und Hongkong gibt es reichlich Konfliktstoff. "Wir haben keinen Mangel an abweichenden Positionen", sagte auch John Kerry, der Klima-Sondergesandte von US-Präsident Joe Biden. "Aber beim Klima müssen wir zusammenarbeiten." Es gebe einen "Imperativ der Zusammenarbeit", sagte Kerry. "Wir können unsere Ziele nicht erreichen, wenn jeder für sich arbeitet."

Beide Staaten verantworten gemeinsam fast 40 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen. China hatte die USA 2006 als größter Emittent überholt, inzwischen stößt es doppelt so viel Treibhausgase aus. Bei den historischen Emissionen allerdings, gemessen seit Beginn der Industrialisierung, sieht es immer noch umgekehrt aus. Die USA haben fast doppelt so viel in der Atmosphäre abgeladen wie China.

In weiten Teilen ist die dreiseitige Erklärung wenig konkret, aber schon ihr Zustandekommen ist wichtig für den Erfolg der Konferenz. Lange Zeit hatten sich die USA und China im Klimaschutz gegenseitig gelähmt - jede Seite verwies auf die Untätigkeit der jeweils anderen, um ihre eigene Untätigkeit zu begründen. Eine erste Einigung zwischen den Präsidenten Barack Obama und Xi Jinping hatte 2014 erst den Weg zum Pariser Klimaabkommen ein Jahr später freigemacht. Die neue Abmachung sei ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. "Der Kampf gegen die Klimakrise verlangt internationale Kooperation und Solidarität."

Von Solidarität ist eher wenig die Rede

Von Kooperation ist viel die Rede in der Erklärung, von Solidarität eher wenig. Beide Seiten wollten sich bemühen, den Abschied von fossiler Energie zu beschleunigen, heißt es, und das möglichst rasch. "Wir haben verabredet, schnellere Schritte in den Zwanzigerjahren zu ergreifen", sagte Xie. Die Volksrepublik hatte allerdings erst kurz vor der Konferenz einen neuen Klimaplan vorgelegt, der für die nächsten Jahren weiter wachsende Emissionen erlaubt - irgendwann "vor 2030" sollen sie ihren Höhepunkt erreichen und anschließend sinken.

Nun aber soll es mehr Zusammenarbeit geben, etwa beim beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien und dem Umbau des Energiesystems. Auch werde China daran arbeiten, die Emissionen des besonders klimaschädlichen Methans zu vermindern, wie es etwa bei der Gasförderung oder aus Pipelines in die Atmosphäre gelangt. Dafür hatten sich zuletzt vor allem die USA und die EU mit einer gemeinsamen Initiative starkgemacht, der inzwischen mehr als 100 Staaten beigetreten sind. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll zudem die Klimapolitik Pekings und Washingtons enger koordinieren. Auch wollen beide Staaten schon 2025 neue Klimapläne vorlegen, und Interesse an einem erfolgreichen Abschluss der Konferenz haben sie auch - inklusive der Lösung aller offenen Fragen.

Allerdings hat die Vereinbarung auch Kehrseiten: Dem Ziel, künftig eine Erderwärmung um höchstens 1,5 Grad Celsius gegenüber vorindustrieller Zeit festzuschreiben, könnte die Erklärung im Wege stehen. Auf die 1,5 Grad pochen Inselstaaten, viele Entwicklungsländer und die EU. Doch die Erklärung bedient sich lediglich des Zwei-Grad-Ziels aus dem Klimaabkommen von Paris. Man wolle sich anstrengen, die 1,5 Grad zu erreichen, heißt es - gegenüber dem Pariser Abkommen wäre das kaum ein Fortschritt.

Offiziell sollen die Verhandlungen in Glasgow diesen Freitag enden, mit großer Wahrscheinlichkeit ziehen sie sich aber bis ins Wochenende. Weite Teile jedenfalls sind noch offen, insbesondere die Fragen der Solidarität. Wie verlässlich wird die Unterstützung der Entwicklungsländer? Wie konkret helfen Industriestaaten ihnen dabei, sich gegen Folgen der Erderhitzung zu wappnen? Auch bei der Frage, ob und wie Staaten sich Klimaschutz im Ausland anrechnen lassen können, ringen die Minister aus aller Welt noch um eine Lösung. Ein völliges Scheitern der Konferenz allerdings ist unwahrscheinlich, wenn die beiden größten Mächte zusammenhalten.

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