Ausstellung in Ingolstadt:Gewebte Trauerarbeit

In the Name of Love

Mit dem Poster "Ignorance = Fear", einem Farbsiebdruck, unterstützte Keith Haring 1989 die Aktivisten-Bewegung "Act Up".

(Foto: Sammlungen Lutz Hieber / Gisela Theising)

Deutsches Medizinhistorisches Museum zeigt Aids-Gedenktücher und erinnert an den gesellschaftlichen Diskurs über diese Krankheit.

Von Sabine Reithmaier, Ingolstadt

Als Rita Süssmuth 1985 den Posten der Gesundheitsministerin übernahm, war Aids, zumindest in Deutschland, noch kein großes Thema. Doch dann starb der Schauspieler Rock Hudson an Aids, das erste wirklich prominente Opfer der Krankheit. Und plötzlich schnellten auch hierzulande die Fallzahlen hoch, machten Aids und die damit einhergehende Verunsicherung zum alles beherrschenden Thema der Medien in einer Zeit, die geprägt war von diffuser Angst, Feindseligkeiten und Mitleidslosigkeit gegenüber infizierten Homosexuellen und Drogenabhängigen.

Irgendwie ist das alles schon in weite Ferne gerückt. Doch kehrt die Erinnerung daran sofort wieder, wenn man vor dem Spiegel-Cover aus dem Jahr 1987 steht: Peter Gauweiler mit weißblauer Rautenmaske. "Bayerns Scharfmacher" gegen Aids nannten die Journalisten den CSU-Politiker angesichts seines Maßnahmenkatalogs: Er wollte Zwangstests auf HIV und alle "Ansteckungsverdächtigen" im Zweifelsfall sogar wegsperren. Der enorme Proteststurm, der sich daraufhin erhob, brachte dem Staatssekretär im Innenministerium 1988 immerhin eine Versetzung in die Bauverwaltung ein.

Keine andere Krankheit war in den Achtzigerjahren in den Medien so präsent wie Aids. Auch daran erinnert die kleine Sonderausstellung "In the Name of Love!" im Medizinhistorischen Museum Ingolstadt. Anlass der Schau ist ein Aids Memorial Quilt, den das Museum im Sommer 2021 als Schenkung erhalten hat. Er erinnert an Menschen, die an den Folgen von Aids starben, und ist Teil des gigantischen "Names"-Projekts, das 1987 in San Francisco startete und auch in europäischen Ländern fortgesetzt wurde. Ziel war es zu zeigen, dass hinter der Aids-Statistik individuelle Schicksale standen.

In the Name of Love

Der niederländische Memorial-Quilt "Block Nr. 21" steht im Mittelpunkt der kleinen Sonderausstellung "In the Name of Love".

(Foto: Ulrich Roessle / Stadt Ingolstadt)

Der Ingolstädter Quilt "Block Nr. 21" stammt aus den Niederlanden. Die Gedenktücher, entweder horizontal oder vertikal ausgerichtet, sind allesamt gleich groß, 90 mal 180 Zentimeter, was ungefähr der Größe eines Grabs entspricht. Jeweils acht von ihnen wurden zu einem quadratischen Block (3,80 mal 3,80 Meter) zusammengenäht, eine Aufgabe, die in den Niederlanden zwei Frauen übernahmen. Ihnen oblag es auch, zueinander passende Tücher auszuwählen.

Die Quilts erzählen von den Toten

Meist haben sie Lebensgefährten oder Familienangehörige gewebt und während des Entwerfens, Stickens und Nähens viele Stunden Trauerarbeit geleistet. Die Quilts erzählen viel von den Verstorbenen. Von Pieter Epert Zuidervliet, der offensichtlich gern Delfine beobachtete, oder der israelischen Sängerin Ofra Haza, die sich - daran erinnert eine weiße Taube - für den Frieden im Nahen Osten einsetzte. Das Tuch eines anderen jungen Manns zieren Schmetterlinge in strahlenden Farben. So sei sein Freund durch das Leben geflattert, schreibt der Lebensgefährte in dem Gedenkbuch, das die Toten vorstellt.

1981 schrieben Ärzte in den USA zum ersten Mal über das Auftreten der neuen Krankheit. Die Schwulen in New York reagierten als Erste auf die rasant steigende Zahl der Aids-Toten, auf Ängste und Feindseligkeiten, versuchen mit dem Plakat "Silence = Death" zu provozieren und aufzuklären. Ein anderes Plakat der schnell erstarkenden politischen Bewegung "Act Up" im Jahr 1987 zeigt den die Krise einfach ignorierenden Präsidenten Ronald Reagan mit pinken Augen vor giftgelbem Hintergrund und dem Schriftzug "Aidsgate", eine Anspielung auf den Watergate-Skandal, der Richard Nixon das Amt gekostet hatte. Prominent auch das Plakat "Ignorance = Fear", das Keith Haring schuf, um die Aktivitäten der "Act Up"-Gruppe zu unterstützen. Und überall die rosa Winkel, mit denen die Nazis Schwule in den KZ kennzeichneten.

So viel Kreativität hat die Corona-Pandemie bislang nicht hervorgebracht. Und so bleibt die Frage, wie wir an die vielen Toten erinnern werden.

In the Name of Love! AIDS-Gedenktücher als Zeichen von Trauer und Protest. Bis 13. März 2022, Deutsches Medizinhistorisches Museum Ingolstadt

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