Impfpflicht:Warten hilft nicht

Lesezeit: 1 min

Wenn Omikron hinreichend viele Menschen infiziert und immunisiert hat, bevor die Impfpflicht beschlossen wird, hätte das Virus der Politik die Entscheidung abgenommen. (Foto: Annette Riedl/dpa)

Ein Vorschlag hier, eine Idee da: Die Verzögerungstaktik der Ampel-Parteien bei der Impfpflicht-Debatte ist mehr als ärgerlich.

Von Angelika Slavik

Eine Impfpflicht nur für Menschen, die älter als 50 Jahre alt sind - das ist die neueste Idee aus den Reihen der FDP, und sie ist in gleich mehrfacher Hinsicht ärgerlich. Vor allem ist hinlänglich bekannt, dass die Bekämpfung der Pandemie eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft ist. Wenn man also zu dem Schluss kommt, dass das Virus nur mit einer verpflichtenden Impfung niederzuringen ist, dann muss so eine Regelung für alle gelten. Alles andere trägt nur zur Spaltung bei. Zudem weiß niemand, ob sich Mutanten künftig auch an die Regel halten, für ältere Menschen gefährlicher zu sein als für jüngere. Ist das nicht der Fall, ginge die Debatte wieder von vorn los.

Noch schlimmer aber: Der Vorschlag der FDP verstärkt den Eindruck, dass die Ampelparteien in Sachen Impfpflicht ihre Orientierung verloren haben. Selbstverständlich ist es nicht leicht, für oder gegen eine allgemeine Impfpflicht zu entscheiden - es gibt für beide Seiten gute Argumente. Allerdings gehört es zu den Aufgaben der Politik, komplizierte Entscheidungen zu treffen und die dann mutig zu vertreten. Die Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz aber versteckt sich - hinter Gruppenanträgen, hinter dem Verweis auf "fundierte" oder ausgiebige Debatten. So wird hier ein Vorschlag serviert und dort eine Idee - aber keine Entscheidung.

Wer bei ihm Führung bestelle, der bekomme sie auch - dieses Zitat von Olaf Scholz ist in den vergangenen Monaten oft bemüht worden. Mit Leben gefüllt hat der Kanzler es bislang nicht. Stattdessen bleibt der Eindruck, die Ampelkoalition hoffe darauf, dass ihr das Virus die Entscheidung abnimmt. Dies wäre der Fall, wenn Omikron hinreichend viele infiziert und immunisiert hat, bevor die Impfpflicht beschlossen wird. Damit hätte sich die Frage von selbst erledigt. Corona aber hatte bislang immer noch eine böse Überraschung parat. Da wird es nicht helfen, sich in einer der wichtigsten Fragen dieser Zeit vor einer klaren Position zu drücken.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: