Parteitag der Christdemokraten:Ganz neue Töne aus der Opposition

Parteitag der Christdemokraten: Der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kann gefühlig sein - wenn es etwa um sein eigenes Wahlergebnis geht.

Der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz kann gefühlig sein - wenn es etwa um sein eigenes Wahlergebnis geht.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Friedrich Merz hat's schon immer gewusst, jetzt teilt auch die CDU seine Meinung: Die Delegierten wählen ihn mit imposanten 94,6 Prozent zum Vorsitzenden. Und der 66-Jährige macht auch gleich eine Ansage.

Von Boris Herrmann und Robert Roßmann, Berlin

Als eigentlich schon alles vorbei ist, richtet der neue Chef doch noch ein Schlusswort an die Delegierten. Friedrich Merz sagt: "Es hat schon schwierigere Parteitage gegeben, es hat schon langwierigere Parteitage gegeben." Recht hat er, keine Frage. Aber gab es auch schon schönere Parteitage? In Merz' persönlichem Ranking dürfte diese schlanke Halbtagsveranstaltung jedenfalls für immer einen der vorderen Plätze einnehmen.

Merz hat ja nicht nur alle seine Personalverschläge reibungslos durchgesetzt, die im Gesamtbild einen Radikalumbau der Parteispitze ergeben. Vor allem er selbst wurde von den 1001 CDU-Delegierten mit einem Vertrauensvorschuss bedacht, der ihn schier übermannte und ihn vor laufenden Kameras - vergeblich - mit den Tränen der Rührung kämpfen ließ.

Man hat dem ehemaligen Bierdeckelwelterklärer und Blackrock-Manager Merz lange nachgesagt, er sei ein harter, kühl kalkulierender Karrierist. Aber jetzt, da er mit 66 Jahren auf dem Gipfel seiner politischen Karriere angekommen ist, zeigt sich, dass er doch einen weichen Kern hat - zumindest, wenn es um ihn selbst geht.

Merz will führen, was ihn in seiner Rede direkt zu Kanzler Scholz bringt

Friedrich Merz war immer davon überzeugt, dass er der Beste für die CDU ist. Nach seinen 62,1 Prozent in der Mitgliederbefragung im Dezember und seinen 94,6 Prozent beim Digital-Parteitag am Samstag kann er mit Fug und Recht behaupten: Er steht mit dieser Meinung nicht alleine da.

In seiner Bewerbungsrede für den Chefposten mag es noch ein klein wenig nach Durchhalteparole geklungen haben, als Merz den größtenteils per Laptop zugeschalteten Christdemokraten zurief: "Wir haben unser Selbstvertrauen nicht verloren." Dazu besteht nach diesem Wahlergebnis zumindest bei ihm selbst kein Anlass mehr. "Diese Partei lebt. Sie ist aktiv. Und sie erwartet jetzt von uns Führung", sagte Merz.

Das Motiv von der Führung, die bestellt und versprochen wurde, aber seither irgendwie nicht auffindbar ist, führte Merz zu einem bemerkenswerten Schwerpunkt seiner Rede. Er widmete sich erstaunlich lange einem Mann, der sicherlich nicht zu den CDU-Delegierten gehörte, die ihn gewählt haben, schon allein deshalb nicht, weil er der Bundeskanzler von der SPD ist: Olaf Scholz.

Das Wahlergebnis ist fast Auftrag, nach dem Fraktionsvorsitz zu greifen

Merz sagte: "Alle Ihre Vorgänger, Herr Bundeskanzler, hätten in dieser Lage Führung gezeigt." Die habe Scholz bisher aber nicht nur in der Debatte über die Impfpflicht, sondern auch angesichts der steigenden Inflation und der Energiepreise sowie in der Russland-Ukraine-Krise vermissen lassen. "Sie waren bisher weder in Washington noch in Moskau", warf Merz dem Kanzler vor. Klare Botschaft: Hier spricht der neue Oppositionsführer!

Nach diesem Vortrag und bestärkt durch das mehr als deutliche Wahlergebnis darf man annehmen: Es wird wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Merz auch nach dem Vorsitz der Unionsfraktion greift, den Ralph Brinkhaus noch innehat. Die 94,6 Prozent sind da fast schon ein Auftrag.

Brandenburgs CDU-Landeschef Michael Stübgen sprach sich am Wochenende bereits öffentlich für eine Bündelung von Partei- und Fraktionsvorsitz aus - und zwar bei Merz. Dieser wurde auch in einem gemeinsamen Brief mehrerer Kreisvorsitzender aus dem Osten animiert, zur Tat zu schreiten. Die Mehrheit unter den Abgeordneten der Union im Bundestag dürfte Merz ohnehin sicher sein - auch weil niemand den frisch gewählten CDU-Chef sofort wieder beschädigen will.

Auch CSU-Chef Söder zeigt sich beeindruckt - und entschuldigt sich

Brinkhaus wurde auf dem Parteitag zu einem Grußwort zugeschaltet. Die Chance, Merz nicht nur zur Wahl zum CDU-Chef zu gratulieren, sondern ihm auch den Fraktionsvorsitz anzutragen, ließ er dabei verstreichen. In Unionskreisen wird gerade allseits betont, man hoffe auf eine einvernehmliche Lösung im Machtkampf zwischen Merz und Brinkhaus. Vor allem aber solle diese Lösung schnell kommen. Die monatelange Auseinandersetzung um die Kanzlerkandidatur zwischen Armin Laschet und Markus Söder im vergangenen Jahr gilt als beispielhaft dafür, wie es auf keinen Fall noch einmal ablaufen darf.

Auch CSU-Chef Söder wurde am Samstag zugeschaltet. Und siehe da: Nachdem er Merz ohne größere Anzeichen von Neid zu dessen beneidenswertem Ergebnis beglückwünscht hatte ("Das ist schon ein dickes Pfund"), sagte Söder auch noch ein paar Worte, die sich kaum anders deuten ließen als eine ehrliche Entschuldigung für die Verwerfungen des zurückliegenden Jahres: "Es tut uns leid, und es tut mir leid", sagte Söder. Die CSU biete ab jetzt eine gute Zusammenarbeit an, wenn es gewünscht sei. Ist es offenbar: "Lieber Markus, die Hand ist ausgestreckt", sagte Merz.

Armin Laschet wird das jetzt auch nicht mehr helfen. In seiner sehr kurzen Ära als CDU-Chef mit einem sehr unangenehmen Wahlergebnis als Kanzlerkandidat der Union ist ihm auch noch sein Traumjob als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen abhanden gekommen. Fortan ist er einfacher Abgeordneter des Bundestags. Vor ziemlich genau einem Jahr hatte Laschet im Rennen um den Parteivorsitz noch das Stechen gegen Merz gewonnen. Gemessen an seinen Worten vom Samstag scheint ihm das rückblickend fast ein wenig leid zu tun. "Ich persönlich denke, dass Friedrich Merz in dieser Zeit genau der Richtige ist", sagte Laschet.

Die Vorkämpferin der Frauenquote schafft es nicht ins Präsidium

Merz bedankte sich dafür mit einem Loblied auf seinen Vorgänger, das nicht nur von Herzen zu kommen schien, sondern in seiner Detailtiefe mitunter den Eindruck erweckte, als habe Merz in den vergangenen Tagen nichts anderes gemacht als Laschet-Biografien zu studieren. Außerdem - die CDU will schließlich digitaler werden - wurde Laschet von Merz zum Abschied mit einem iPad beschenkt, auf dem Apps wie Candy Crush, Radio Vatikan sowie die von Alemannia Aachen bereits vorinstalliert waren. Ein ganz klein bisschen hat sich das alles also doch gelohnt für Armin Laschet.

Es ging auf diesem Parteitag aber nicht nur um den neuen großen Vorsitzenden, sondern auch um dessen Stellvertreter, engste Mitarbeiter sowie um die zweite und dritte Reihe in der Parteiführung. Dass in der CDU ein dringendes Harmoniebedürfnis besteht, beweist nicht zuletzt die Wahl des neuen Generalsekretärs Mario Czaja, der mit seinen 93 Prozent ein Wahlergebnis von annähernd Merz'schen Ausmaßen erhielt.

Unter den fünf stellvertretenden Parteivorsitzenden erhielt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer das beste Ergebnis, gefolgt von Carsten Linnemann, Silvia Breher und Andreas Jung. Die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien landete mit gut 70 Prozent abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Für die Wahl der sieben einfachen Präsidiumsmitglieder gab es acht Kandidaten. Als achtplatzierte scheiterte Annette Widmann-Mauz, die nicht nur Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin war, sondern auch als Vorkämpferin der Frauenquote in der CDU gilt. Nun ist Merkel weg und die Quote noch immer nicht da. Der neuerdings wirklich ganz einfühlsame Friedrich Merz tröstete Widmann-Mauz mit dem Hinweis, als Vorsitzende der Frauen-Union sei sie ja weiterhin im Vorstand dabei.

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